Atommüll aus Obrigheim

Der "zumutbare" Transport nach Neckarwestheim rückt näher

Nach Ablehnung des Eilantrages gegen die Castortransporte von Obrigheim nach Neckarwestheim mahnen die Kritiker weiter

21.06.2017 UPDATE: 22.06.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 52 Sekunden

Nach dem Probelauf im Februar (unsere Aufnahme) wird es nun bald ernst: Der erste Castortransport auf dem Neckar wird - nachdem auch das Verwaltungsgericht die Transportgenehmigung für zulässig befunden hat - wohl in Kürze von Obrigheim aus starten. Die Kritiker bekräftigen dennoch ihren Protest. Archiv-Foto: Heiko Schattauer

Von Heiko Schattauer

Obrigheim. Für Schlagzeilen und kontroverse Diskussionen war das Kernkraftwerk Obrigheim schon zu Betriebszeiten immer wieder gut. Seit 2005 ist das KWO zwar stillgelegt, wirklich still geworden ist es rund um den einst dienstältesten deutschen Atommeiler aber dennoch nicht. Die Kernkraft ist und bleibt ein Streitthema, im Falle des KWO sind es die problematischen "Reststoffe", die für Kontroversen sorgen - und die Gerichte beschäftigen. So hat das Verwaltungsgericht Berlin am Dienstag entschieden, dass die bereits im Mai erteilte Genehmigung für Castortransporte von Obrigheim nach Neckarwestheim "rechtens" ist. Oder zumindest eben "zumutbar" oder "hinzunehmen", wie es ein Gerichtssprecher formulierte.

Der erste Transfer abgebrannter Brennelemente auf dem Neckar dürfte also nur noch eine Frage der Zeit sein, selbst wenn die Gemeinde Neckarwestheim weitere juristische Schritte dagegen unternehmen sollte. Die Zeit und das vom Gericht festgestellte "erhebliche öffentliche Interesse an einem zeitnahen Rückbau des KWO" sprechen allerdings gegen Neckarwestheim, das mit seinem Einwand beim Verwaltungsgericht Berlin verhindern wollte, dass allzu schnell Fakten geschaffen werden. "Eine Beschwerde gegen eine bereits erfolgte Verlagerung der Castoren macht aus Sicht der Gemeinde keinen Sinn", heißt es in einer Pressemitteilung.

Hintergrund

Kommentar: Geheimsache

Heiko Schattauer zu den Kontroversen um den Castortransport

Es ist das alte Problem: Wie viel Transparenz verträgt eine Mission, die in der Sache schon Gefahren birgt und daher möglichst wenig zusätzlichen Gefährdungen

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Kommentar: Geheimsache

Heiko Schattauer zu den Kontroversen um den Castortransport

Es ist das alte Problem: Wie viel Transparenz verträgt eine Mission, die in der Sache schon Gefahren birgt und daher möglichst wenig zusätzlichen Gefährdungen ausgesetzt werden sollte? Ein Transport hochgradig strahlender Brennelemente über den Neckar fällt mit Sicherheit (das Wortspiel muss an dieser Stelle zumutbar sein) in diese Missionskategorie. Und um die heikle Castor-Transfermission - auch noch die erste ihrer Art überhaupt - möglichst sicher zu machen, muss man in Sachen Transparenz heftige Abstriche machen. Geheimhaltung heißt das oberste (Sicherheits-)Gebot. Die wird in einer Konsequenz gelebt, die auf den ersten Blick ein wenig verwundert. Noch nicht einmal das Gericht, das nun über den Eilantrag gegen die Genehmigung der Transporte zu befinden hatte, bekam das zugehörige Sicherheitskonzept zu Gesicht. Streng geheim - da muss eben auch Justitia draußen bleiben.

Unbesehen ist der Transport von rechtlicher Seite nun also zumindest "hinnehmbar". Ob er sicher genug und die Genehmigung rechtmäßig erteilt worden ist? Bei einer Interessensabwägung, wie sie das Verwaltungsgericht im Schnelldurchlauf vorgenommen hat, spielt das keine Rolle. Die Prüfung der 1000 Seiten starken Antragsunterlagen zum Transport oblag ohnehin dem zuständigen Bundesamt. Und das hat sich volle zwei Jahre dafür Zeit genommen. Noch mehr Zeit will man nun nicht mehr opfern, es soll zeitnah abtransportiert werden. Und am besten so, dass es keiner mitbekommt, keine (zusätzliche) Gefährdung entsteht. Transparenz kann man dann ja hinterher wieder üben, wenn alles sicher transferiert ist. Manchmal muss man ja auch nicht alles wissen...

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Die erste Verlagerungsaktion ist derweil längst in Vorbereitung. Schon unmittelbar nach Erteilung der Genehmigung zum Transfer der Castoren von Obrigheim ins bestehende Zwischenlager in Neckarwestheim hatte die EnBW (als Betreiber beider Anlagen) mit den Vorbereitungen für den ersten Castortransport begonnen. Und damit den nächsten Streit ausgelöst: So bemängeln unter anderem das Bündnis "Neckar castorfrei" und die Initiative "AtomErbe Obrigheim" den Umgang mit den Castorbehältern nach deren Beladung bzw. vor deren Abtransport. "Wir halten es für zweifelhaft, ob die ,Transportbereitstellung’ der beladenen Castorbehälter auf dem KWO-Gelände einer juristischen Überprüfung standhalten wird", erklärt Gertrud Patan von den "AtomErben".

Die Atomkraftkritiker wollen weiter ganz genau hinschauen, weiter mahnen, widersprechen, protestieren. So ruft der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) am Tag nach dem Richterspruch aus Berlin zum weiteren Protest gegen Castortransporte auf. Unter anderem soll es am Tag des ersten Transports eine Mahnwache in Gundelsheim und eine Demonstration in Heilbronn geben. Die Transporte seien gefährlich, das Atommüllproblem werde mit ihnen nur verlagert, nicht gelöst.

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Wann das erste Schubschiff mit der radioaktiven Fracht sich tatsächlich auf den 50 Kilometer langen Weg neckaraufwärts macht, ist nicht offiziell bekannt. Aus Sicherheitsgründen sehen sich EnBW, Transportunternehmen, Umweltministerium und alle weiteren Beteiligten zur Geheimhaltung verpflichtet. In Neckarwestheim prüft man in der Zwischenzeit, ob man weiter juristisch gegen die Transporte kämpft. Mit dem Gemeinderat wolle man beraten, ob gegen die Ablehnung des Eilrechtsschutzantrags eine Beschwerde eingelegt wird. So oder so ist man schwer enttäuscht: "In der Vergangenheit waren von den Verantwortlichen und Betreibern getätigte Zusagen gegenüber der Standortkommune immer wieder gebrochen worden."

Bei der EnBW sieht man alles im Plan: "Die Vorbereitungen für den ersten Transport gehen unverändert weiter", kommentiert man auf Nachfrage der RNZ. Wie weit diese Vorbereitungen gediehen sind, will man nicht konkretisieren. Die Transportgenehmigung gebe allen Beteiligten vor, zu möglichen Terminen keine Angaben zu machen.

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