Katzental

Nach 226 Jahren geht bei der Landbäckerei Walter der Ofen aus

Die Bäckerei schließt zum Ende des Monats. Die Filialen in Oberschefflenz und Katzental übernimmt die Bäckerei Englert.

14.12.2020 UPDATE: 15.12.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden
Mit der Landbäckerei Walter endet zum Jahresende eine 226-jährige Backtradition. Bereits in der siebten Generation leitete Bäckermeister Rainer Walter den Betrieb und baute ein großes Netz an Verkaufsstellen auf. Foto: Peter Lahr

Von Peter Lahr

Schefflenz-Katzental. "Ich brauch nicht zur Berufsberatung gehen, ich will Bäcker werden." Für den jungen Rainer Walter stand das Berufsziel früh fest. Er wollte die Familientradition fortsetzen und die Landbäckerei in siebter Generation fortführen. Dies tat er bislang voller Elan – und immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen. Doch nach 226 Jahren Backtradition geht der Ofen am Ende des Monats aus: die Landbäckerei Walter schließt ihre Pforten. Lediglich die Filialen in Oberschefflenz und Katzental übernimmt die Bäckerei Englert. "Permanenter Fachkräftemangel, eine überbordende Bürokratie – und dann kam auch noch Corona mit 40 Prozent Umsatzrückgang", zählt Rainer Walter im Gespräch mit der RNZ die Gründe auf, die ihn im "jungen Alter" von 61 Jahren die schwierige Entscheidung treffen ließ.

Eine Rechnung an den Heiligenfonds aus dem Jahr 1794 ist der älteste Beleg für die Existenz der Bäckerei Walter in Katzental. "Heute würde man Kirchengemeinde sagen", erklärt Rainer Walter, der in seiner Freizeit Ahnenforschung betreibt. Da Franz Peter die Rechnung im Alter von 43 Jahren ausgestellt habe, war die Bäckerei wahrscheinlich älter, vermutet der Nachfahre. Drei verschiedene Standorte hatte die Bäckerei im Lauf der Jahrhunderte am Ort. Den letzten Neubau – direkt an der Hauptstraße gegenüber der Kirche gelegen – bezog man 1963.

"Ich wollte raus aus dem Dorf, in die Stadt", erinnert sich Walter an seine Lehrzeit in Heilbronn. Nach dem "Bund" zog es den Gesellen weiter in die Welt hinaus. Zwischen Norddeutschland und der Schweiz sammelte er einschlägige Erfahrungen und erwarb den Meistertitel. Im Frühjahr 1983 ging es von Davos nach Katzental zurück. Zusammen mit dem Vater betrieb Rainer Walter die Bäckerei fünf Jahre lang, dann wurde er sein eigener Chef. "Das war quasi ein Ein-Mann-Betrieb: die Mutter stand im Laden, mein Vater in der Backstube, meine Oma hat noch mitgeholfen", erinnert sich Rainer Walter.

Weitere fünf Jahre später, 1993, erwarb Walter die Mittelschefflenzer Bäckerei, die aus Altersgründen einen Nachfolger suchte. "Die Räumlichkeiten waren besser, wir verlegten die Produktion am ersten Tag dorthin", so Walter über den Umzug der Backstube nach rund 200 Jahren in Katzental. In den nächsten Jahren baute er ein Netz von Filialen aus, investierte kräftig in moderne Technik und Café-Ausstattungen.

Den Auftakt machte Oberschefflenz; diese Filiale gehört bereits seit 1. Dezember zur Bäckerei Englert. Bereits geschlossen sind die Walter-Außenstellen in Mosbach und Mittelschefflenz. In Sulzbach, Osterburken und Oberdielbach werde der Betrieb bis Ende des Monats laufen. "Dann ist Schluss." Im Katzentaler "Stammhaus" soll der Verkauf ab Januar ebenfalls unter der Ägide der Bäckerei Englert weitergehen.

"Der Bäckerberuf ist schön, aber auch ein harter Job: nachts und am Wochenende arbeiten, wenn die anderen frei haben", erklärt Walter, weshalb es immer schwieriger werde, gute Mitarbeiter zu finden, besonders für die Backstube. Hier waren zuletzt sechs Bäcker und ein Lehrling tätig, in den Verkaufsstellen 50 Mitarbeiter. Auch der Sohn, der ursprünglich den Betrieb übernehmen wollte, sprang angesichts der großen Herausforderungen nach drei Jahren ab. Neue Arbeitsstellen hätten die meisten Mitarbeiter bereits gefunden, zeigt sich Rainer Walter erleichtert. Zudem gingen einige in den Ruhestand. "Ich habe keine Wehmut", erklärt der Bäcker beim Abschied. Immerhin gewinnt er der Situation etwas Positives ab: "Ich kann auch weiterhin meine Frühstücksbrötchen bekommen, ohne aus dem Haus gehen zu müssen." Und bis Rainer Walter gar nichts mehr zu tun hat, dauert es eh noch eine Weile. Zuvor müsse alles abgewickelt werden, alle Geräte und Maschinen – bis hin zur Immobilie – will er verkaufen.

Für Billigheims Bürgermeister Martin Diblik ist es ein "bedauerlicher Einschnitt, dass die Bäckerei mit ihrer langen Tradition nun ein Ende findet". Sehr erfreulich sei es aber, dass für die Katzentaler Filiale ein nahtloser Übergang gefunden werden konnte.

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