Wenn der Borkenkäfer die Rammelkammer einrichtet ...
... ist die Fichte schon dem Tod geweiht - Sturm, Hitze und Trockenheit sind Verbündete - Verjüngung mit neuen Baumarten

Hardheim. (rüb) "Die Situation ist katastrophal", sagt Forstbetriebsleiter Jörg Puchta. Erst hätten die Fichten unter der langen Trockenheit und der Hitze gelitten, jetzt gebe ihnen der Borkenkäfer den Rest. "Beim Blick auf die kommenden Jahre macht uns das große Sorgen", ergänzt Revierleiter Florian Pogorzelski, und sein Kollege Klaus Hanke erklärt: "Die extremen Witterungsbedingungen der zurückliegenden Monate stellen den perfekten Nährboden für eine Massenvermehrung des Borkenkäfers dar."
Da es sich dabei um kein regionales, sondern um ein europaweites Problem handelt, hat der Schädling in kürzester Zeit dafür gesorgt, dass sich der Preis für Fichtenholz halbiert hat. Doch in dieser Krise liegt auch eine Chance, wie im Gespräch mit den Forstexperten deutlich wird: Bei der Verjüngung geht der Trend weg von Monokulturen und hin zu ökologisch wertvolleren und widerstandsfähigeren Mischbeständen.
Seit Wochen laufen die Schutzmaßnahmen in den Fichtenwäldern der Region auf Hochtouren. Befallene Stämme sollen schnellstmöglich gefällt und aus dem Wald gebracht werden, um ein weitere Ausbreitung des Borkenkäfers möglichst zu unterbinden. Doch die Förster wissen: "Wir werden nicht alle kriegen!"
Was das bedeuten kann, zeigt Jörg Puchta anhand eines Rechenbeispiels auf: Aus einer im Mai mit 20.000 Käfern befallenen Fichte entwickeln sich innerhalb von nur vier Monaten (das entspricht drei Käfergenerationen) 160 Millionen (!) Buchdrucker. Bei diesen Zahlen überrascht es plötzlich nicht mehr, dass Experten die aktuell bundesweit zu erwartenden Waldschäden schon mit denen des Jahrhundertsturms Kyrill (2007) vergleichen.
Deshalb sind die Förster permanent auf der Suche nach befallenen Bäumen. "Anfangs ist es noch sehr schwer, sie zu erkennen", erklärt Florian Pogorzelski, denn die Baumkronen sind zunächst noch grün. Braunes Bohrmehl, das sich in den Rindenschuppen oder in Spinnweben am Fuß des Stammes sammelt, ist ein erstes Indiz auf den Schädling.
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Hintergrund
Die Borkenkäfer sind eine Unterfamilie der Rüsselkäfer. In Europa sind 154 Arten bekannt. Weltweit gibt es rund 4000 bis 5000 Arten. Eine davon ist der Buchdrucker.
Die Fichten in Deutschland leiden aktuell vor allem unter dem
Die Borkenkäfer sind eine Unterfamilie der Rüsselkäfer. In Europa sind 154 Arten bekannt. Weltweit gibt es rund 4000 bis 5000 Arten. Eine davon ist der Buchdrucker.
Die Fichten in Deutschland leiden aktuell vor allem unter dem Buchdrucker. Da er seine Brutsysteme in der Rinde der Wirtsbäume anlegt, wird er den Rindenbrütern zugerechnet. Die deutsche Bezeichnung stammt von den Larvengängen des Käfers, die geschnittenen Lettern ähneln.
Ab 16 Grad Celsius schwärmt der nur einen halben Zentimeter große Buchdrucker aus. Der männliche Käfer befällt zunächst Schadholz und baut seine Rammelkammer (die heißt wirklich so). Dann lockt er die Weibchen an, die Muttergänge bauen. Dorthin legen sie nach der Paarung etwa 40 bis 50 Eier ab. Die Larve schlüpft und baut die namensgebenden Larvengänge. Dann verpuppt sich die Larve, und nach drei Wochen schlüpft die nächste Generation. Die nimmt dann kein Schadholz, sondern Bäum ins Visier.
Ob es zu einer Epidemie kommt, hängt entscheidend von der Temperatur im Frühjahr ab - bei warmen Temperaturen läuft die Vermehrung schneller ab - und von der Frage, wie widerstandsfähig die Fichten sind. In besonders trockenen Jahren haben die Bäume dem Schädling nämlich nur wenig entgegenzusetzen. (rüb)
Dann hat der Buchdrucker seine Rammelkammer schon eingerichtet. "Und dann sind die Bäume schon nicht mehr zu retten und dem Tode geweiht", weiß der Förster. Später fallen dann erste Rindenstücke ab, der Baum vertrocknet, und die Krone wird rot. Sechs bis sieben Wochen nach dem Befall ist der Baum tot.
Doch weshalb ist der Buchdrucker in diesem Jahr so erfolgreich? Die Sturmtiefs Burglind und Friedericke haben im Januar bereits Schäden in den Fichtenwäldern angerichtet. Die dabei gefallenen Bäume dienten der ersten Generation als ideale Brutplätze. Dann kommt die Trockenheit ins Spiel: "Normalerweise kämpft die Fichte mit Harzfluss gegen den unerwünschten Eindringling", erklärt Förster Klaus Hanke, "doch in diesem Jahr haben die Bäume wegen der Dürre keine oder nicht mehr genügend Kraft." Und so hat der Schädling leichtes Spiel ...
Mit den sinkenden Temperaturen wird der Borkenkäfer schon bald seine Aktivitäten einstellen. Er gräbt sich in den Waldboden ein und überwintert, um dann im Frühjahr einen noch größeren Vernichtungsfeldzug zu starten. "Nur ein kaltes und feuchtes Frühjahr würde uns retten", erklärt Jörg Puchta.
Kampflos geben die Förster aber nicht auf, denn je mehr Käfer sie jetzt aus dem Wald entfernen, desto weniger können im Frühjahr Schaden anrichten. "Wir sind ständig am Untersuchen und schauen nach Spuren von Bohrmehl und Harz", berichtete Pogorzelski, "aber auch grüne Nadeln am Boden sind ein eindeutiges Zeichen." Das Rezept gegen eine Epidemie des Schädlings heißt "saubere Waldwirtschaft", erklärt Hanke: "Wir versuchen, so viel bruttaugliches Material und befallene Bäume so schnell wie möglich aus dem Wald zu bringen."

Forstbetriebsleiter Jörg Puchta und die Revierförster Klaus Hanke und Florian Pogorzelski (v.r.) auf einem Polter mit vom Buchdrucker befallenen Fichtenstämmen. Foto: Rüdiger Busch
In der Praxis ist dies aber gar nicht so einfach: Da viele Rücke᠆firmen keine Kapazitäten mehr frei haben, da sie noch damit beschäftigt sind, die schweren Sturmschäden in Norddeutschland zu beseitigen, ist es schwierig, das Holz so schnell wie gewünscht aus dem Wald zu bekommen. "Gut, dass wir unsere eigenen Forstarbeiter und unsere Hausunternehmer haben, somit kommen wir wenigstens einigermaßen über die Runden", sagt Klaus Hanke. In Ausnahmefällen werden Polter, die nicht abgefahren werden können, auch gespritzt - aber nur als letztes Mittel, betont Florian Pogorzelski.
Wie stark befallen die Bäume sind, zeigt der Förster an einem Polter, der auf seine Abholung wartet: Vorsichtig entfernt er mit der Axt ein Stück Rinde, und schon werden die markanten Larvengänge sichtbar - bevölkert von Buchdruckern in den verschiedenen Entwicklungsstadien, Larven, kleine und ausgewachsene Käfer.
Hardheim ist in der Region mit am stärksten betroffen. Weitere Schwerpunkte seien das Bauland und der Raum Mudau. 1700 Festmeter wurden heuer allein im Hardheimer Gemeindewald wegen Insektenschäden bereits außerplanmäßig geschlagen. Und dabei wird es nicht bleiben: Die letzte Borkenkäferepidemie begann vor 15 Jahren mit einem ähnlich trockenen Jahr. Drei Jahre in Folge fielen damals mehr als 3000 Festmeter Käferholz an. Eine Horrorvorstellung für die Förster.

Die markanten Larvengänge des Buchdruckers haben dieser Borkenkäferart ihren Namen gegeben. Die lange Dürre macht die Fichten heuer besonders angreifbar. Foto: Rüdiger Busch
Aber auch für die Gemeinde? Trotz der in den Keller gesackten Preise für das vor allem bei der Bauwirtschaft so beliebte Fichtenholz sorgt der zusätzliche Einschlag erst einmal dafür, dass die Kasse klingelt. Langfristig wird der Borkenkäfer ihr aber teuer zu stehen kommen.
"Aber es steckt auch eine Chance drin", zeigt Klaus Hanke auf. Nämlich die, Monobestände durch ökologisch wertvollere, abwechslungsreichere und widerstandsfähigere Mischbestände zu ersetzen. Denn auch die Forstwirtschaft muss sich auf die Folgen des Klimawandels einstellen: Es wird wärmer, es wird trockener, und Extremereignisse werden sich häufen.
Für Klaus Hanke ist klar: "Die Fichte wird hier bei uns nicht überleben." Bei der Verjüngung setzen die Förster deshalb schon jetzt auch auf Baumarten, die mit der Trockenheit besser zurechtkommen. Jörg Puchta nennt zum Beispiel die Douglasie, aber auch Esskastanie, Lärche oder mediterrane Arten: "Breit aufstellen lautet die Lösung!"
Mit dem Wissen von heute hätte man früher wohl keine Fichtenwälder an ungünstigen, trockenen Standorten gepflanzt. "Das soll aber kein Vorwurf an unsere Vorgänger sein", unterstreicht Florian Pogorzelski, "sie haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt." Sein Kollege Klaus Hanke ergänzt: "Wir wissen ja auch nicht, ob sich das, was wir jetzt tun, später als die richtige Entscheidung herausstellt. Vielleicht sagen unsere Nachfolger eines Tages: ,Warum haben die bloß keine Palmen gepflanzt?’"



