Hardheim

"Die Bundeswehr ist ein Siebener im Lotto"

Bürgermeister Volker Rohm über die Herausforderungen in Hardheim und die Bundeswehr-Rückkehr

11.08.2020 UPDATE: 12.08.2020 06:00 Uhr 4 Minuten, 22 Sekunden
Für den Fototermin mit der RNZ suchte sich Bürgermeister Volker Rohm das besondere Ambiente vor dem Hardheimer Schloss aus. Foto: dore

Von Dominik Rechner

Hardheim. Die Premiere gebührte der alten Kreisstadt, als nächstes macht die RNZ-Reihe "Rathausrunde" im Erftal Station. Wir haben Hardheims Bürgermeister Volker Rohm an seinem Arbeitsplatz in den historischen Mauern des Schlosses besucht. Seit 2014 lenkt er die Geschicke seiner Heimatgemeinde und hat in diesen sechs Jahren viel Außergewöhnliches erlebt: Angefangen von der Rückkehr der Bundeswehr über kränkelnde Wälder bis zur Coronakrise – darüber und über kommende Projekte sowie Herausforderungen haben wir mit ihm gesprochen.

Hardheim hat viele spannende Themen zu bieten: Neben dem Erhalt des Krankenhauses liegt ein Schwerpunkt in den nächsten Jahren auf der Erweiterung der Verbandskläranlage. Foto: dore

Wie hat der Mensch Volker Rohm die Monate des coronabedingten Ausnahmezustandes erlebt?

Es war eine Entschleunigung auf ganzer Ebene spürbar, da praktisch keine Abendtermine und Veranstaltungen stattfanden. Wäre nicht die Sorge um die Pandemieentwicklung und die Verantwortung für die Umsetzung der Vorgaben gewesen, man hätte die Zeit fast als entspannend empfunden.

... und wie ist es dem Bürgermeister Volker Rohm ergangen?

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Natürlich galt unsere größte Sorge, als Gemeinde mit drei Altenpflegeheimen und unserem Krankenhaus nicht zum Hotspot zu werden. Auch die Probleme und Anfragen unserer Gewerbetreibenden und Firmen, der Gastronomie und des Handels haben uns beschäftigt. Unser Krisenstab mit Hauptamtsleiterin Mareike Brawek an der Spitze hat hier tolle Arbeit geleistet. Wir haben mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter Einhaltung der Verordnungsvorschriften normal gearbeitet. Es gab keine Ausfälle, keine Infektionen, aber einen enormen Schub in der Identifikation zur Gemeinde als Arbeitgeber und in der Kameradschaft untereinander.

Hintergrund

Die Indiskreten 13

1 Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag als Bürgermeister?

Ja, ich kann mich sehr gut an meinen Dienstantritt fast auf den Tag genau vor sechs Jahren erinnern. Besonders habe ich noch das Bild

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Die Indiskreten 13

1 Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag als Bürgermeister?

Ja, ich kann mich sehr gut an meinen Dienstantritt fast auf den Tag genau vor sechs Jahren erinnern. Besonders habe ich noch das Bild vor Augen, als mich alle meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem Spalier und Sonnenblumen in den Händen empfangen haben.

2 Welchen Beruf außer Bürgermeister könnten Sie sich noch vorstellen?

Den größten Teil meines Lebens war ich Revierförster, ein Beruf, dem ich zeitlebens verbunden sein werde. Außerdem war nach der Schule Lehrer ein Traumberuf von mir.

3 Beschreiben Sie Hardheim mit drei Schlagworten ...

Das (Ost-)Tor zum Neckar-Odenwald-Kreis, lebens- und liebenswert, ein zuverlässiger Partner.

4 Und sich selbst mit drei Eigenschaften …

geradlinig, bodenständig, offen.

5 Bleiben wir bei drei: Ihre drei Lieblingssongs?

"Sailing" von Rod Steward, " My Way" von Frank Sinatra und "Let It Grow" von Eric Clapton.

6 Worüber können Sie lachen?

Über gute Witze, Asterix-Comics (die alten) und auch über mich selbst.

7 Und was finden sie zum Weinen?

Die Ignoranz der Umweltzerstörung, Wichtigtuer, chronische Bedenkenträger und Neinsager.

8 Wovor haben Sie Angst?

Keine Angst, aber Sorge davor, dass Technisierung, künstliche Intelligenz und Digitalisierung sich nicht als Hilfe und Erleichterung, sondern als Geißel der Menschheit erweisen.

9 Ihre größte Leidenschaft?

Meine Familie, der Wald, die Jagd.

10 Und Ihre größte Schwäche?

Ein Glas guter Rotwein.

11 Mit wem würden Sie gern mal einen Kaffee/ein Bier trinken?

Mit unserem Ministerpräsidenten Kretschmann als Fortsetzung eines Vier-Augen-Gesprächs im Jahr 2016.

12 Was bedeutet für Sie Glück?

Glück ist Zufriedenheit mit sich selbst, dem Hier und Jetzt, Gesundheit und ehrliche Freunde.

13 Gibt es so etwas wie ein Lebensmotto für Sie?

Ja, ich halte mich an den Spruch "Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden".

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Wie steht es um die finanziellen Folgen für Hardheim?

Kurzfristig haben die Rettungsschirme bei uns wie bei den meisten Gemeinden einen Zusammenbruch der Finanzen verhindert, aber mittelfristig werden wir auf allen Ebenen spüren, dass dieses Geld wieder eingespart und verdient sein will.

Weg von den Finanzen zu den gesellschaftlichen Folgen: Der Josefsmarkt im März ist bereits ausgefallen, der Wendelinusmarkt findet auch nicht statt, vielleicht gibt es auch keinen Weihnachtsmarkt und auch keine Fastnacht – wie stark verändert Corona das Leben in Hardheim?

Die genannten Ausfälle, dazu die geschlossenen Gastronomien, kein Vereinsleben, kein Handball, keine Gottesdienste, ausgefallene Familienfeiern, Beerdigungen im kleinsten Kreis, verschobene Hochzeiten und Jubiläen – das alles hat das öffentliche Leben in Hardheim wie überall nahezu lahmgelegt, fast ausgeschaltet. Wir alle hoffen, dass keine zweite Welle die inzwischen wieder möglichen Aktivitäten nochmals verbietet. Wir haben, so meine Beobachtung, eine enorme Selbst-Disziplin und ein Verantwortungsgefühl entwickelt und ich bin stolz darauf, Bürgermeister dieser verantwortungsbewussten Gemeinde zu sein.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass der Ortskern durch die geplanten Investitionen von Schoofs belebt werden kann?

Überall wird beklagt, dass die Ortsmitten aussterben und die Märkte an die Ränder ausweichen. Wir sind froh, dass die Investoren- und Projektentwicklung Schoofs bereit ist, mit uns einen nachhaltig besseren Weg zu gehen, und dass mit den Märkten Leben und Attraktivität ins Zentrum zurückgeführt werden. Von diesem Konzept bin ich überzeugt und deshalb auch bereit, alles für die Realisierung zu tun.

Wie sehen die Planungen für das Areal oberhalb der Schrebergärten am "Gartenwegle" aus?

Obwohl es weder ein Recht noch Anspruch auf die Nutzung des Schnitzwegs gibt, sind wir daran interessiert, hier durch eine Umlegung des Pfades um wenige Meter zur Befriedung beizutragen. Inzwischen haben sich viele Unterstützer von der Unterschriftenliste distanziert, und wir hoffen, dass auch bei den wenigen Verbliebenen die Vernunft obsiegt.

Der Hardheimer Erfapark soll in den nächsten Jahren erweitert werde. Foto: dore

Die Nachfrage nach Bauplätzen in den letzten Jahren ist hoch. Wie sieht es künftig in Hardheim aus? Im Gemeinderat war zuletzt die Rede davon, dass momentan nicht mehr viele Möglichkeiten da sind.

Im Kernort selbst konnten alle Wohnbauplätze innerhalb weniger Wochen verkauft werden, im Augenblick gehen wir die Realisierung des zweiten Bauabschnitts an. In den Ortsteilen Schweinberg, Bretzingen und Gerichtstetten suchen wir nach Lösungen, um zeitnah auch dort bezahlbare Bauplätze für Interessierte anbieten zu können. Dabei verfolgen wir vor allem das Ziel, die Möglichkeiten einer Innenentwicklung durch Nutzen von Brachflächen und unbebauten Grundstücken im bereits erschlossenen Umfeld zu generieren. Hierzu zählt auch die Entwicklung der "Hofackergärten" zum attraktiven Wohngebiet in zentraler Lage, aber auch die Entwicklung des Glashaus-Areals oder das Sanierungsgebiet "Ried".

Der Bundeswehrstandort Hardheim wird durch die Aufstellung des Panzerbataillons 363 endgültig gefestigt. Wie groß ist die Bedeutung der Bundeswehr für die Gemeinde Hardheim?

Der oft zitierte Siebener im Lotto drückt aus, was die Wiederbelebung von Kaserne und Materialdepot und die weitere Nutzung durch die Bundeswehr bedeutet. Wir wollen uns als würdig und dankbar erweisen für diese bisher einmalige Entscheidung, die Hardheim ein enormes Entwicklungspotenzial beschert. Vereine, Schule, Einzelhandel, Gastronomie, Wohnungsmarkt – auf allen Ebenen erwarten wir frischen Wind und Belebung. Zum Verständnis und Vergleich: Welcher Industriebetrieb hätte ohne gemeindliche Unterstützung circa 700 Arbeitsplätze und ein Investment von rund 100 Millionen Euro (in beide Liegenschaften) aufbringen können? Hätte die Liegenschaft und infrastrukturelle Aufgaben wie selbstverständlich übernommen? Könnte auch im zivilen Bereich attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten? Die Antwort kann sich jeder selbst geben.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für Hardheim in den kommenden Jahren?

Neben dem Erhalt des Krankenhauses liegt der Schwerpunkt auf der Erweiterung unserer in die Jahre gekommenen Verbandskläranlage, der Umsiedlung unserer Hauptfeuerwehr an einen neuen Standort, der Stärkung des Schulstandorts, der Zusammenarbeit mit unserer Nachbargemeinde Höpfingen, der Unterstützung unserer Firmen und Arbeitgeber, der Weiterentwicklung unserer Gemeinde durch Glasfaseranschlussmöglichkeit bis in jedes Haus, der Schaffung von attraktiven und bezahlbaren Wohn- und Baugebieten, der Erneuerung unseres Wasserversorgungsnetzes, der Instandsetzung von Straßenbelägen und Gehwegen, der Pflege unserer Friedhöfe und Anlagen ... Die Liste ist beliebig fortsetzbar.

Bauplätze sind nach wie vor sehr gefragt: Im Kernort konnten schon alle Wohnbauplätze verkauft werden (Unser Foto zeigt das Baugebiet „Trieb II“). Foto: dore

Wie steht es um neue Projekte wie die Zukunft des Glashaus-Areals?

Im Objekt Glashaus steckt enorme Entwicklungsmöglichkeit – allerdings nur nach einem Abriss und völliger Neuausrichtung hin zu attraktiver Wohnnutzung – z. B. durch Soldaten. Dieses haben alle Beteiligten erkannt, der Gemeinderat hat bewusst das Glashaus ins Sanierungsgebiet aufgenommen. Der Ball liegt beim Eigentümer im Feld, wir hoffen, dass er ihn endlich aufnimmt.

Ein Dauerthema sind die Trockenheit und Probleme für die Wälder. Vor ihrer Amtszeit waren Sie Förster. Was sagt der Förster Volker Rohm zur Zukunft des Hardheimer Walds?

Die Herausforderungen der klimatischen Veränderungen sind enorm, niemand zweifelt mehr daran, dass der Wald der Zukunft ein anderes Gesicht haben wird als das gewohnte. Neben der Nutzfunktion – sprich Gelderlösen aus der Holzproduktion – kommen zunehmend der Schutz- und Erholungsfunktion sowie dem Wald als Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten Bedeutung zu. Mit unseren Revierleitern und der Forstbetriebsleitung in Walldürn sind wir bestens aufgestellt, um uns diesen Herausforderungen zu stellen. Auch die Jäger sind wichtiger Partner bei der Umsetzung neuer Strategien und der Erziehung künftiger Wälder. Das kostet Zeit, viel Geld und ist Aufgabe mindestens einer ganzen Generation von Waldbesitzern. Dennoch blutet mir natürlich das Herz beim Anblick der ausgezehrten Bestände und der Unmengen an nicht kostendeckend zu verkaufenden Holzmengen.

2022 endet ihre erste Amtszeit. Werden Sie wieder zur Wahl antreten?

Ich wäre schlecht beraten, bereits heute meine Entscheidung, egal in welche Richtung sie fällt, bekannt zu geben. In unserer schnelllebigen Zeit kann viel passieren, sowohl die Gesundheit als auch die Familie werden mitentscheiden – warten wir also ab.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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