Absagen wegen Corona

"Eine klare Anweisung hätte uns geholfen"

Coronavirus: Beim Umgang mit Events fehlt eine eindeutige Linie noch immer - Amtsleiter verteidigt Mathaisemarkt-Fortsetzung

09.03.2020 UPDATE: 10.03.2020 06:00 Uhr 3 Minuten
Der öffentliche Druck habe sich geändert, nicht aber die Risikobewertung, sagt Schriesheims Ordnungsamtsleiter Achim Weitz. Die Stadt hält zumindest bis heute am Mathaisemarkt fest. Dort blieben gestern beim Seniorenfrühschoppen etliche Bierbänke leer. Foto: Dorn

Von Carsten Blaue

Heidelberg. Immer mehr Veranstaltungen und Versammlungen in der Region werden aufgrund des Infektionsrisikos mit dem neuartigen Coronavirus vorsorglich abgesagt. Doch selbst vor dem Hintergrund der jüngsten Empfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums, denen sich das Landessozialministerium angeschlossen hat, geht der Mathaisemarkt in Schriesheim weiter – jedenfalls noch am Dienstag.

Der Rat aus Berlin und Stuttgart, Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern abzusagen, habe vielleicht den öffentlichen Druck erhöht. "Aber an der aktuellen Lage hat sich nichts geändert, und laut Gesundheitsamt gibt es keine neuen Weisungen. Der Montag ist sowieso nicht mehr zu stoppen. Das Programm läuft", sagt am Montagnachmittag der Schriesheimer Ordnungsamtsleiter Achim Weitz im Telefonat mit der RNZ. Der Stab des Gesundheitsamts solle laut Weitz am Abend nochmals tagen. Vor Dienstagfrüh gebe es also keine Entscheidung, wie es mit dem Volksfest weitergeht.

Weitz betont, dass sich die Verwaltung auch vergangene Woche nicht bedenkenlos dazu entschlossen habe, das Volksfest zu starten. "Das war eine schwierige Entscheidung, die das Gesundheitsamt nach Abwägung aller Risikofaktoren aber mitgetragen hat." So sei beispielsweise der Festplatz "unproblematisch", das Festzelt gut belüftet. Weitz sagt, dass eine Empfehlung immer Interpretationsspielraum lässt: "Daher hätte uns eine klare Anweisung von oben schon geholfen." Im Vorfeld oder auch jetzt. So trage die Stadt aber auch Verantwortung für das Geschäft der Schausteller, der Krammarktbetreiber und der Festwirtin. Und nicht zuletzt hätten sich die Vereine lange auf den Festzug vom vergangenen Sonntag vorbereitet: "Das alles darf nicht den Ausschlag bei unseren Entscheidungen geben. Aber es muss in die gesamte Risikobewertung einfließen." Ganz ähnlich klingt übrigens Hardheims Bürgermeister Volker Rohm, der den frühlingshaften Josefsmarkt nicht absagen will, weil es schade um die Vorbereitungen aller Beteiligten wie Vereine, Schulen und Kindergärten wäre, wie er sagt.

Der Schriesheimer Mathaisemarkt soll bis Sonntag dauern, mit zwei Ruhetagen am Mittwoch und Donnerstag. In diese Pause scheint sich die Stadt erst mal retten zu wollen: "Ich bin froh, wenn wir den ersten Block durch haben", gesteht Weitz. Am heutigen Dienstag ist jedenfalls noch viel Programm geplant. Im Festzelt ist um 15 Uhr die Modenschau und abends die "Maximum Sunshine Party". Und die RNZ will um 17 Uhr an ihrem Stand im Gewerbezelt Welthandballer Henning Fritz begrüßen, der sich den Fragen von RNZ-Sportchef Joachim Klaehn stellt. Gleich morgens sind Behördenvertreter aus der Region zum Volksfestbummel eingeladen.

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Unterdessen betont die Eberbacher Stadtverwaltung, dass sie gerade in Zusammenhang mit den Empfehlungen übergeordneter Stellen die für das Wochenende vom 20. bis 22. März geplante "Osteraktion" absagt. Betroffen sind der "Ostermarkt" des Lions Clubs, die "Streetfood-Days" der Stadt und der Verkaufsoffene Sonntag der Eberbacher Werbegemeinschaft. Auch die Stadt Mosbach hat reagiert. So wird die für 19. März geplante Sportlerehrung ebenso nicht stattfinden wie der Sommertagszug am 22. März.

Soweit ist man in Weinheim an der Bergstraße noch nicht. Hier ist der Sommertagszug am gleichen Tag geplant, dem Sonntag "Laetare". Wenn die Kinder durch die Innenstadt auf den Marktplatz ziehen, ist stets mit einer fünfstelligen Zahl an Teilnehmern und Zuschauern zu rechnen. Für Donnerstag sei eine Besprechung mit den Stadtspitzen, dem Kulturamt, dem Veranstaltungsmanagement und dem Bildungsamt angesetzt: "Es ist davon auszugehen, dass dann eine Entscheidung fällt", so Stadtsprecher Roland Kern. Verschoben wird dagegen die Messe "Faszination Modellbahn", die vom 13. bis 15. März in der Mannheimer Maimarkthalle terminiert war. Kritik am Krisenmanagement kommt vonseiten des Veranstalters, der Messe Sinsheim GmbH: "Die zögerliche Entscheidungsfindung der zuständigen Behörden hat uns nach Rücksprache mit Ausstellern zu dieser Handlungsweise bewogen, um noch größeren Schaden von allen Beteiligten abzuwenden", so Prokurist Andreas Wittur. Auch der Mittelaltermarkt an diesem Wochenende im Herzogenriedpark wurde abgesagt. "Wir sind Tochter der Stadt Mannheim. Als solche müssen wir die Empfehlungen der Regierung ernst nehmen und einheitlich handeln", so Joachim Költzsch, Geschäftsführer der Stadtpark Mannheim GmbH.

Hintergrund

Eine Übersicht der Absagen von Veranstaltungen in der Region finden sie hier: www.rnz.de/corona-absage

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Anders geht die Mannheimer SAP-Arena mit der Situation um. Hier finden große Konzerte sowie die Heimspiele der Adler Mannheim im Eishockey und der Rhein-Neckar-Löwen im Handball statt: "Nach derzeitigem Stand werden unsere Events bis auf Weiteres wie geplant durchgeführt", so eine Pressesprecherin auf Anfrage. Daniel Hopp, Geschäftsführer SAP-Arena, wird mit folgender Stellungnahme zitiert: "Zweifelsohne steht auch für uns die Gesundheit der Bevölkerung an erster Stelle. Festzuhalten ist allerdings, dass es sich erst einmal um eine Empfehlung handelt. Die endgültige Entscheidung liegt bei den lokalen Behörden, mit denen wir in ständigem und engem Austausch stehen. Nach derzeitigem Stand werden wir daher proaktiv keine Events absagen."

Auch in der Pfalz gibt es unterschiedliche Reaktionen auf die Virusgefahr. Wurde das für Ende März avisierte Mandelblütenfest in Neustadt-Gimmeldingen bereits abgesagt, zögern die Veranstalter des zwölften "Marathon Deutsche Weinstraße" in Bockenheim am 5. April noch. Für die drei Varianten haben sich genau 3748 Sportler angemeldet. Zwar steht das ausgebuchte Laufevent wegen des Coronavirus zumindest "auf der Kippe", wie es hieß. Doch abgesagt wurde noch nichts.

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