Warum das viele Wasser nicht mehr das ganze Jahr reicht
Jürgen Heinrich ist einer der größten Produzenten von Gemüse in der Region - Grundwasserspiegel deutlich gesunken

Von Stephanie Kern
Obrigheim. Jürgen Heinrich ist ein ruhiger Mensch. Einer, der nicht gleich in Panik gerät. Auch nicht, wenn die Sonne um 9 Uhr schon vom Himmel brutzelt, dass es nur so staubt. Ein Kollege sagte ihm vor einiger Zeit, dass man in unseren Breitengraden bald Zustände wie in Norditalien erwarten könne. "Aber es ist jetzt schon schlimmer als in Norditalien", meint Heinrich, Bio-Landwirt und Eigentümer des Heinrichhofs in Obrigheim. Sein Steckenpferd ist der Gemüseanbau. Und der wird wegen der immer längeren trockenen Perioden immer schwieriger.
Das Problem sei die Verteilung der Niederschläge: Obwohl es im Frühjahr viel geregnet hat, reicht das Wasser nicht über das ganze Jahr. Der Grundwasserspiegel sank in den vergangenen beiden Jahren ab – und das, was bis jetzt runterkam, reichte nicht, um ihn wieder aufzufüllen. "Früher war auch der August ein regenreicher Monat. In den vergangenen drei Jahren hat es im August immer nur minimal geregnet." Und auch wenn es in den vergangenen Tagen geregnet hat, das Regensammelbecken des Hofs ist leer. 1000 Kubikmeter Wasser fasst das Becken. "Ab jetzt müssen wir Trinkwasser verregnen."
Jürgen Heinrich hat auch eine Zahl parat, die verdeutlicht, wie sehr man Wasser braucht, um Nahrungsmittel zu produzieren. Acht ist diese Zahl. Acht Liter Wasser verdunsten auf offener Feldfläche pro Quadratmeter bei Sonneneinstrahlung. Acht Liter Wasser gehen pro Quadratmeter verloren. Auf dreieinhalb Hektar Fläche baut Jürgen Heinrich Gemüse an. Das sind 35.000 Quadratmeter. Das heißt: 280.000 Liter Wasser verdunsten einfach.
"Trockene Sommer gab es immer, aber nicht in der dichten Abfolge", sagt Heinrich. Er ist mit der Landwirtschaft aufgewachsen. Sein Vater baute Gurken für die Konservenfabrik Diedesheim an. "Für mich gab es eigentlich nur zwei Berufsvorstellungen: Tierarzt oder Landwirt. Die Landwirtschaft fand ich dann doch interessanter", erzählt er. Umso schwerer wiegt sein nächster Satz: "Letzte Woche dachte ich: ,Jetzt höre ich auf.’" Unzählige Salatpflanzen haben er und seine Mitarbeiter ins Freiland gepflanzt und danach beregnet. Nur: "Innerhalb von zwei Stunden war ein Großteil kaputt." Das Wasser versickerte oder verdunstete, die Sonne war zu viel für die zarten Salatpflanzen.
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Es gäbe schon noch Möglichkeiten, die Beregnung zu intensivieren. Aber das würde die Produkte verteuern, denn die Beregnung läuft nicht einfach. Sie erfordert (Hand-) Arbeit. Denn wo mehr Wasser ist, wachsen auch mehr Beikräuter. Das müsste der Landwirt dann manuell entfernen. Oder jedes Mal die Beregnungsanlage abbauen, um die Beikräuter maschinell zu entfernen. "Das Personal ist hierfür in Deutschland ganz einfach zu teuer." Hitze und Wassermangel bedingen weitere Faktoren, die den Landwirten das Arbeiten erschweren. "Wenn es so heiß ist, ist es immer auch ein Wettlauf gegen die Schädlinge und Krankheiten." Die Pflanzen sind ohnehin geschwächt, Kartoffelkäfer, Erdflöhe und Pilzkrankheiten haben leichtes Spiel. "Die Quote dessen, was verkaufsfähig ist, wird geringer." Auch das treibt die Preise nach oben. Jürgen Heinrich muss aber glücklicherweise keine Nahrungsmittel wegwerfen, er kann seine Kühe, Schweine und Schafe damit füttern.
Hilfreich wäre, wenn der Grundwasserspiegel wieder steigt. Wenn es mehr regnen würde. Aber auch Wassersparen im Privathaushalt hilft, meint Heinrich. Denn je weniger gefördert werden muss, desto weniger sinkt der Grundwasserspiegel weiter. Für Jürgen Heinrich und seine Mitarbeiter bedeutet das, jeden Tag aufs Neue zu entscheiden, wo man welche Pflanze hinsetzt. Die Gewächshäuser sind voll mit Jungpflanzen. "Wir könnten raus pflanzen, aber das Wasser fehlt."
Über kurz oder lang, da ist sich Jürgen Heinrich sicher, müsse es ein Umdenken in der Landwirtschaft und auch bei den Verbrauchern geben. Es gibt viele Pflanzen, die mit Trockenheit besser zurecht kommen. Hirse etwa, auch der Mais wächst gut bei trockenen Bedingungen. "Es ändert sich schon etwas", ist der Landwirt überzeugt. Er ist auch davon überzeugt, dass "die Natur sich nicht selbst aufgibt". Auch die Natur gerät wohl nicht in Panik. Auch wenn nach zwei Tagen Landregen wieder die Sonne vom Himmel brennt. Und es nur so staubt ...