In "Wiegman's Fliegerstübchen" gibt's amerikanische Hausmannskost
Mit Ribs und Schlegeln durch den Lockdown - Adam und Antje bieten Authentisches an

Walldürn. (jam) Die Vereinigten Staaten gelten als die rastloseste Nation der Welt. Keine andere Gesellschaft weist eine höhere Mobilitätsrate auf. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist es also gar nicht so verwunderlich, dass der Amerikaner Adam Wiegman den Sprung vom Rettungssanitäter und Höhlenretter in die Küche großer Restaurants und schließlich sogar über den großen Teich nach Deutschland gewagt hat. Gemeinsam mit seiner Frau Antje bietet Adam seit April in "Wiegman’s Fliegerstübchen" schnörkellose amerikanische Küche mit Spare Ribs und Burgern an – und hat mit diesem "einfachen, ehrlichen und guten Essen" offensichtlich eine Marktlücke gefüllt.
"Wir haben uns in der kurzen Zeit bereits als Marke etabliert", freut sich Antje Wiegman über viele "Wiederholungstäter", die regelmäßig den Abholservice nutzen und per Mundpropaganda dafür sorgen, dass immer wieder auch neue Gäste den Trip zum etwas außerhalb liegenden Verkehrslandeplatz mit seinem noch jungen Lokal auf sich nehmen.
Das Konzept der beiden ist schnell erklärt: nichts Extravagantes, kein Schnickschnack, dafür authentisch. "Wir müssen keine Kunst auf den Teller packen", sagt Adam Wiegman. Wichtig sei vor allem eins: "die Gerichte mit Liebe zu kreieren". Unerwähnt lässt der bescheidene Amerikaner aus dem Corn Belt an dieser Stelle seine mehr als 20-jährige Arbeitserfahrung in der Gastronomiebranche, die ebenfalls unweigerlich bei jedem seiner Handgriffe in der Küche oder am Grill einfließt. Vom Pizzabäcker über den Sous-Chef bis zum Kitchenmanager in einem sehr erfolgreichen Steakhouse hat ihn sein Werdegang geführt.
Zuvor hatte Adam als Rettungssanitäter gearbeitet und bei der Höhlenrettung "schlimme Unfälle gesehen", die ihn noch heute in seinen Albträumen plagen. Da lag es nahe, den Beruf gegen die Berufung einzutauschen und seiner Leidenschaft für das Essen nachzugehen. Aufgewachsen in einem Land, das Barbecue als einen Nationalsport zelebriert, verlegte er sich darauf, Fleisch in all seinen Varianten zu braten, zu grillen und zu schmoren. "Dass mit Adam bei uns ein Ami die Ribs oder den Burger zubereitet, macht schon einen großen Unterschied", beteuert Antje.
Da sie selbst schon viele Jahre in der Gastronomie gearbeitet hatte, stand dem gemeinsamen Traum von einem Grillrestaurant zu diesem Zeitpunkt eigentlich nichts mehr im Weg. Sie kümmerten sich um eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für Adam, investierten in einen Holzkohlegrill, ließen Flyer drucken und fieberten der geplanten Eröffnung am 1. April entgegen.
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"Und als wir gerade bereit waren loszulegen, kam der große Schock", erinnert sich Antje an die schwere Anfangszeit. Ohne einen Ruf, ohne Stammkunden und ohne die Möglichkeit, mit Gästen zu interagieren, legten die beiden los. Eine andere Wahl hatten sie nicht: Adam hatte seinen sicheren Job gekündigt – Antje, die bei Ausstellungen handgemachte Kosmetik, Seifen, Kräutertee und Geschenkartikel anbietet, hatte coronabedingt keine Einnahmen.
Zunächst startete "Wiegman’s" klein: Auf der Karte standen nur Ribs und Hähnchenschlegel – und natürlich gab es hausgemachte Saucen dazu. Mit allzu verderblichem Gemüse – so begründen Adam und Antje die kleine Auswahl – wären während des Lockdowns und mit unbekannter Auslastung des Abholservices zu viele Lebensmittel im Abfall gelandet. Doch der riskante Schritt der beiden geht auf: "Die zwei Gerichte haben uns durch den ersten Lockdown gebracht", sagt Adam. Als das "Wiegman’s" im Mai zum ersten Mal öffnen darf, steht die schwarze Null. "Wir haben kein Geld verdient, aber wir haben auch nichts verloren. Das war großartig", freut sich Antje im Nachhinein über den guten Start unter schlechten Umständen.
"Wir hatten ja noch nie die Gelegenheit, Geld beiseitezulegen", sagt die Mutter dreier Kinder. Deshalb ist sie umso dankbarer, dass der Verpächter des Fliegerstübchens den Wiegmans zunächst die Pacht erlassen hat. Voll des Lobes ist sie außerdem für die Stadtverwaltung in Walldürn. "Man gibt uns das Gefühl, dass wir nicht allein sind", so Antje. Sogar der Bürgermeister habe mehrmals vorbeigeschaut. Kurz gesagt: "Man kümmert sich hier um uns."
Trotzdem hinterlässt die harte Zeit ihre Spuren. "Alle zwei Wochen sitzen wir in der Ecke und heulen", berichtet Antje. Doch Adam und sie lassen sich von der Verzweiflung nicht überkommen – selbst wenn es die beiden zuweilen an den Rand ihrer Energie treibt, das Restaurant, die Schule der Kinder und den Fahrtweg ins heimische Boxberg zu jonglieren. Aber sie wollen sich ihre positive Einstellung bewahren und einen Schritt vor den anderen setzen.
Einen kurzen Ausblick darauf, wie erfüllend die Arbeit im eigenen Grillrestaurant sein kann, erhielten die Wiegmans im Sommer, als Familien ebenso wie Biker den Flugplatz ansteuerten, um Pulled Pork vom Smoker oder Spare Ribs vom Grill zu genießen. "Wir hatten Live-Musik mit regionalen Bands im voll besetzten Biergarten", erinnert sich Antje, die beim Gedanken daran sofort wieder die Sehnsucht nach ihren Gästen packt: "Wir freuen uns schon auf eine Zeit, in der die Hürden nicht mehr ganz so hoch sind."
> Kontakt: Restaurant "Wiegman’s Fliegerstübchen", Am Flugplatz an der L577, Walldürn, Tel. 06282/929095.
> Bestellungen: donnerstags bis montags von 16 bis 21 Uhr.
> Speisekarte: Das Speisenangebot mit Köstlichkeiten der amerikanischen Küche findet man unter www.wiegmans-restaurant.de sowie auf Facebook.
> Die Renner: Die Rib-and-Chicken-Combo, alle Burger, aber auch Vegetarisches wie Spieße mit Halloumi-Käse und Gemüse oder Veggieburger mit Süßkartoffel, Kichererbsen, Kidneybohnen und Mango-Relish.



