Wieder drei Kinderärzte in der Stadt
Versorgungslage hat sich momentan wieder entspannt - Keine dauerhafte Lösung

Kinderarzt Dr. Clemens Kwossak (l.) wird für ein Jahr zusammen mit Dr. Harald Nuding praktizieren. Foto: Murr-Brück
Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach. Seit einem Monat hat Eberbach wieder drei Kinderärzte: Fast ein halbes Jahr musste Dr. Harald Nuding nach dem unerwarteten Tod von Dr. Ulrich Spiegelberg die Doppelpraxis alleine führen, seit Dezember hat Dr. Clemens Kwossek den vakanten Praxis-Teil übernommen. "Ein Weihnachtsgeschenk für Eberbach", sagt Fach-Kollege Marc Hirdes, seit Sommer Nachfolger von Dr. Hans Keller in der "Villa Mausespeck".
In den vergangenen Monaten war bei ihm der Andrang so groß, dass er mitunter keine Möglichkeit mehr hatte, neue Patienten anzunehmen: "Auch, wenn mir das schwer gefallen ist." Dass er zudem der einzige Facharzt für Kinderkardiologie zwischen Heidelberg, Sinsheim, Heilbronn und Aschaffenburg ist, verschärft das Problem. Die meisten dieser Patienten werden von anderen Ärzten überwiesen, oft mit dem Befund "Herzgeräusche unklarer Herkunft".

Kinderarzt Marc Hirdes folgt auf Hans Keller. Foto: emb
Marc Hirdes sieht sie zum ersten Mal und muss sich in ihre Krankengeschichte einarbeiten, eine vollständige körperliche Untersuchung vornehmen, entsprechend der Situation kommen noch Lungenfunktionstest und Herz-Ultraschall dazu. Vielleicht handelt es sich um ein winziges Loch zwischen den Herzkammern, vielleicht aber auch um eine schwere Herzerkrankung. In jedem Fall aber muss er sich noch einmal viel Zeit nehmen, wenn er den Eltern den Befund erklärt, die wissen wollen: Wie schwer ist die Erkrankung, wie gefährlich ist sie, kann man sie heilen und wie, muss operiert werden, welche Risiken bringt das mit sich? Was darf das Kind und was nicht? "Diesen zeitlichen Aufwand neben dem Andrang der allgemeinpädiatrischen Patienten zu organisieren ist eine Herausforderung und erfordert oft Extra-Geduld der Eltern wie der Kinder im Wartezimmer, sei es mit Termin oder ohne", sagt Marc Hirdes. Auch er sucht fachärztliche Unterstützung in seiner Praxis, um der großen Nachfrage gerecht zu werden.
Naturgemäß war die Situation auch in der Praxis von Dr. Nuding "ziemlich angespannt", jetzt sieht er Eberbach mit wieder drei Kinderärzten vergleichsweise gut versorgt. Entspannt hat sich die Lage aber nur vorerst, Dr. Kwossek hat die Stelle nur für ein Jahr übernommen, um die Versorgung sicherzustellen. Noch immer aber sucht Nuding für die Gemeinschaftspraxis Kollegen auf Dauer, "gerne auch zwei mit dem Arbeitsmodell Job-Sharing."
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Tatsache ist: es gibt zu wenig Kinderärzte, bundesweit und vor allem im ländlichen Raum. Am Ende seines Berufslebens hatte Dr. Keller offen über die Ursachen gesprochen. Schon vor etwa 15 Jahren habe sich diese Entwicklung abgezeichnet: "Die Politik hat aber nicht mit der nötigen Weitsicht darauf reagiert." Viele Kinderärzte seien bereits älter als 60, zu wenige rückten nach, auch, weil es an den Kliniken nicht genügend Ausbildungsplätze gebe.
Die Tage in einer Kinderarztpraxis sind lang, es gibt kaum die Möglichkeit, Termine zeitlich hinauszuschieben, sagt Dr. Keller: "Ein krankes Kind muss behandelt werden, in aller Regel sind mehrere Nachuntersuchungen nötig. Egal wie viele es sind und wie lange sie dauern". Abrechnen kann der Arzt aber nur eine Untersuchung im Quartal.
Auch wenn das nicht das Kernproblem ist: Diese so genannte "Fall-Pauschale", 2004 eingeführt, repräsentiere nicht den Arbeitsaufwand des Arztes wie früher, als nach Leistung und Zeit abgerechnet wurde. Dazu komme noch ein wachsender bürokratischer Aufwand. Keller befürchtet, dass sich die prekäre Versorgungs-Situation noch weiter zuspitzen könnte, weil immer mehr junge Ärzte ins europäische Ausland abwandern werden, wenn sich an den Grund-Voraussetzungen nichts ändert: eine andere Regelung für den Zugang zum Medizin-Studium, mehr Plätze für die Facharzt-Ausbildung, mehr Kassen-Zulassungen. Weil der Frauen-Anteil in der Kinderheilkunde bei etwa 70 Prozent liegt, könnte eine Förderung von Gemeinschafts-Praxen vielen die Verbindung von Beruf und Familie ermöglichen.