Flüchtlinge in Eberbach: Schmeißer-Stift steht nicht zur Verfügung
Trägervereinsvorstand lehnt Flüchtlingsunterkunft in dem Eberbacher Altenheim wegen seines Satzungsauftrags ab und und verwirft die Abgeordnetenidee

"Durchfahrt verboten" signalisiert das Verkehrsschild rechts, und auch der Vereinsvorstand lehnt es ab, überhaupt Gespräche zu führen, ob man im seit 2010 leer stehenden Dr.-Schmeißer-Stift übergangsweise Flüchtlinge unterbringen könne. Eine Anfrage der Abgeordneten Charlotte Schneidewind-Hartnagel wurde abgelehnt. Foto: Rainer Hofmeyer
Von Felix Hüll
Eberbach. Das seit fünf Jahren leer stehende Gebäude des Dr.-Schmeißer-Stifts steht nicht für ein Unterbringen von "Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive" zur Verfügung. Gescheitert ist Anfang Oktober der Versuch, Regierungspräsidium, Kreisbehörden, Spitzen der Eberbacher Kommunalpolitik sowie Vertreter des Stiftungsvereins dazu an einen Tisch zu bringen. Dort hätte die Überlegung besprochen werden sollen.
Die grüne Landtagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel hatte zu einem Gespräch eingeladen, um "Möglichkeiten auszuloten". Gedacht war, Regierungspräsidentin Nicolette Kressl, Landrat Stefan Dallinger, Bürgermeister Peter Reichert, Gemeinderäte und Vorstandsmitglieder des Vereins Stiftung Altenheim Eberbach zu versammeln. Reichert forderte sie auf, ihr Gesprächsanliegen umgehend zurück zu ziehen.
Das Gebäude an der Ecke Luisen-/Friedrich-Ebert-Straße gehört nicht der Stadt Eberbach, sondern dem Verein. Bürgermeister Reichert ist lediglich als Privatperson, nicht durch sein Amt Vereinsvorsitzender. Schneidewind-Hartnagel hat vor ihrer Anfrage nicht mit dem Stiftungsvereinsvorstand gesprochen uns sagt jetzt, es habe sich nicht um eine Einladung (wie im Text formuliert), sondern nur um eine Voranfrage dazu gehandelt.
Ihr ging es darum, zu klären, ob "im Sinne wohlverstandener gesellschaftlicher Verantwortung" eine Vermietung des Gebäudes an den Kreis möglich sei. Während der händeringend nach Unterkunftsmöglichkeiten für stetig steigende Zugewiesenenzahlen suchende Landkreis mit dem Stiftsgebäude eine Unterkunft bekäme, könnte der Stiftungsverein für eine auszuhandelnde Zeitspanne Mieteinnahmen zu erzielen.
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Anhänger der Idee verweisen darauf, dass mit Bundes- und Landesmitteln das derzeit so gar nicht bewohnbare Gebäude so weit hergerichtet würde, dass Wasserversorgung, Sanitäreinrichtung und Heizung zweckentsprechend funktionieren. Das biete Vorteile für beide Seiten. Gegner fürchten hingegen eine längere Belegung als etwa nur jetzt für den Winter und Schwierigkeiten, den gewünschten Umbau auftragsgemäß voranzubringen.
Bürgermeister Peter Reichert bestätigt auf Anfrage, dass der Stiftungsvereinsvorstand einstimmig die Teilnahme an einer Besprechung abgelehnt habe. Satzung und Beschlusslage des Vereins ließen keine Zustimmung zu einer anderen Verwendung des Gebäudes zu, so dass ein solches Gespräch von vorn herein nicht weiter führe. Reichert sagt, es sei noch offen, in welcher Form der Vorstand die Mitglieder bei der für 17. November geplanten nächsten Versammlung diesen Vorgang darlege: einfache Information oder Vorlage zur Beschlussfassung über die Anfrage der Abgeordneten. Reichert erinnert daran, dass der Trägervorstand allein über die Frage keine Entscheidung fällen könne, aber er verweist auch darauf, dass die Mitglieder dem Vorstand einen klaren Auftrag erteilt haben, dem man gemeinsam mit Architekt Christoph Weidner nachgehe.
Auch der Vorsitzende der Eberbacher CDU-Gemeinderatsfraktion, Karl Braun, lehnte eine Teilnahme am Gespräch ab und wies explizit darauf hin, dass der Gemeinderat ohnehin kein Mitspracherecht in Sachen Dr.-Schmeißer-Stift habe: Verein, Stadtverwaltung und Gemeinderat seien entflochten. Außerdem befürchtet Braun einen Planungs- und Finanzschaden, wenn die Zweckbindung des Schmeißer-Stifts geändert würde.
Dass aber der Rhein-Neckar-Kreis das Stift gern nutzen würde, bestätigt Kreissprecherin Silke Hartmann: "Unser Ordnungsamtsleiter Stefan Becker hat bei Herrn Reichert in seiner Funktion als Vorsitzender des Vorstandes des Dr.-Schmeißer-Stifts angefragt, ob der Rhein-Neckar-Kreis das Stift zur Unterbringung von Flüchtlingen anmieten könne."
Reichert habe dies mit Hinweis auf Satzung und die Mitgliederbeschlüsse auch dem Kreis gegenüber abgelehnt. Bei einem Treffen von Landrat und Bürgermeistern des Rhein-Neckar-Kreises dieser Tage hatte Landrat Dallinger noch einmal an die 54 Städte und Gemeinden appelliert, freie Unterbringungsmöglichkeiten zu melden. Ein besonderer Aufruf an Eberbach sei dabei allerdings nicht ergangen.
Bürgermeister Reichert zeigt sich zwar in der Flüchtlingsfrage grundsätzlich kooperativ, weist gleichzeitig aber stets auf die bereits hohe Belastung Eberbachs hin.
Reichert ist auch Mitglieder der Freien-Wähler-Kreistagsfraktion. Er kritisiert zum wiederholten Mal, dass viele Kreiskommunen noch keinen oder nur wenige Asylbewerber aufgenommen haben. In Eberbach dagegen sind zahlreiche Asylbewerberfamilien untergebracht. Die Gesamtzahl beläuft sich derzeit auf rund 500 (347 Flüchtlinge in der vom Landratsamt betreuten Erstaufnahme, 67 auf dem freien Wohnungsmarkt, 80 Personen als Geduldete).
Zehn Vorbereitungsklassen mit rund 130 Plätzen ausschließlich für Asylbewerberkinder und -jugendliche bestehen derzeit an den Eberbacher Schulen. Auch Reichert weiß, dass niemand sagen kann "was morgen ist". Landratsamtssprecherin Hartmann erinnert daran, dass im Rhein-Neckar-Kreis allein im Oktober 1138 Menschen unterzubringen waren.
Eine Beschlagnahme des Dr Schmeisser-Stifts mit Zwangsbelegung wie in einigen anderen Bundesländern gibt die Gesetzeslage in Baden-Württemberg nicht her. Der Landkreis hab aber beispielsweise im (anders gelagerten) Fall Schwetzingens mit Hilfe des Polizeirechts gegen anfängliche örtliche Ablehnung die Möglichkeit geschaffen, dass dort Flüchtlinge im Hotel Atlanta allerdings mit Einverständnis des Eigentümers untergebracht werden konnten.



