Eberbach: "79 Prozent der Befragten lehnen Windkraft im Wald ab"

"Aktion Bürger für Bürger" erinnert an Auftragsstudie der Deutschen Wildtierstiftung bei Umfrageinstitut TNS Emnid

07.10.2015 UPDATE: 08.10.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 49 Sekunden

In der 58,79-Prozent-Befragungsmehrheit für Windkraft am Hebert sehen die Befürworter einen klaren Auftrag, die Planung jetzt zügig voranzubringen. Foto: pa

Eberbach. (fhs) Für die "Aktion Bürger für Bürger" hat Christina Kunze nach der Ratssitzung eine "aktuellen Pressemitteilung" zur Windkraft-Bürgerbefragung herausgegeben.Die Aktion verweist darin auf eine im vergangenen Juli als repräsentativ veröffentlichte Emnid-Umfrage: "79 Prozent der Befragten lehnen Windkraft im Wald ab".

Hintergrund

Nur Befragungsmitwirkende zählen - Erklärung zu Naturschutz

Wie ist die Beteiligung an der Bürgerbefragung zur Windkraft am Hebert zu bewerten? Wie soll man mit dem Tier- und Artenschutz umgehen? Diese Aspekte spielten neben der Bekanntgabe des reinen

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Nur Befragungsmitwirkende zählen - Erklärung zu Naturschutz

Wie ist die Beteiligung an der Bürgerbefragung zur Windkraft am Hebert zu bewerten? Wie soll man mit dem Tier- und Artenschutz umgehen? Diese Aspekte spielten neben der Bekanntgabe des reinen Befragungsergebnisses (wir berichteten) in der jüngsten Gemeinderatssitzung ebenfalls eine Rolle.

Von 11 558 wahlberechtigten Bürgern hatten 4 022 die Fragebogen zurück geschickt; 4014 davon konnten gewertet werden. Die Beteiligung an der Befragung lag damit bei 34,8 Prozent. Warum sich damit eine 65,2 Prozent-Mehrheit der Wahlberechtigten gar nicht äußert, lasse sich nun mal nicht erschließen, vor allem auch nicht, welcher Meinung diese Eberbacher Bürger sind. Dies merkte Bürgermeister Peter Reichert an. Je nach Betrachtungsweise werteten Windkraftbefürworter die 58,79-Prozent-Mehrheitsaussage für den Windkraftstandort Hebert als klaren Auftrag in der Stadt, während Skeptiker darauf verwiesen, diese Aussage träfen eben nur 20,4 Prozent der eigentlich Wahlberechtigten. Legt man statt deren Anzahl 11 588 sogar die Gesamteinwohnerzahl (einschließlich aller Minderjähriger) Eberbachs mit 14 667 zugrunde, ergibt sich eine noch geringere Quote von 16,1 Prozent. Auch Kinder und Jugendliche wären ja von der Veränderung ihrer Umgebung betroffen. Da der Gemeinderat die Ergebnispräsentation ohne Debatte zur Kenntnis nahm, blieb AGL-Fraktionsvorsitzender Peter Stumpf der einzige Stadtrat, der dazu eine umfassende Erklärung abgab. Er betonte, die AGL werde nun darauf achten, dass weitere Gutachten insbesondere zur Naturverträglichkeit eingeholt, dass Naturschutzbelange bei der Realisierung berücksichtigt werden und dass es den Eberbacher Bürgern ermöglicht wird, sich an Windrädern zu beteiligen.

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Die Lobby-Organisation "Deutsche Wildtierstiftung" gab damals die Umfrage beim Umfrageunternehmen TNS (Taylor Nelson Sofres) Emnid in Auftrag. Bei ihrer Veröffentlichung im Sommer gab es - ähnlich wie bei der städtischen Befragung in Eberbach - Kritik am Vorgehen. So beeinflusse etwa die Formulierung der Fragen die Antworten, und es seien bei den Antwortvorgaben wichtige Begriffe in ihrer Bedeutung nicht aufgeschlüsselt worden.

Auf die als Emnid-Frage: "Für den Ausbau der Windenergie sollten generell keine Waldgebiete verschwinden oder zerschnitten werden", antworteten 79 Prozent der Befragten: "Dem stimme ich zu!" Lediglich elf Prozent akzeptieren, dass für "zusätzliche Windkraftanlagen auch Waldgebiete verschwinden oder zerschnitten werden."

Auf die Frage: "Würden Sie sich durch Windenergieanlagen im Wald gestört fühlen?", antworteten 43 Prozent mit "Ja". Laut Emnid ist das Interesse am Thema Windenergie im Wald sehr groß. Nur acht Prozent der Befragten sagen: "Das Thema interessiert mich nicht." Für die Deutsche Wildtierstiftung beweisen die Emnid-Ergebnisse, dass ein großer Teil der Bevölkerung Windkraftanlagen im Wald ablehne.

"Windkraft um jeden Preis kann nicht das Ergebnis der Energiewende sein", betonte im Juli der ehemalige Hamburger Umweltsenator und späteres Vorstandsmitglied von Shell und bei RWE-Unternehmen, Professor Fritz Vahrenholt, heute Alleinvorstand der Stiftung. 65 Prozent der Befragten sagten, dass "im Zweifelsfall der Schutz von Vögeln und anderen Tieren Vorrang vor dem Bau von Windkraftanlagen haben soll". Die Öffnung des Waldes als Standort für Windenergieanlagen führe zur Gefährdung seltener Arten", kritisierte Vahrenholt.

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In Deutschland fielen Jahr für Jahr bis zu 240.000 Fledermäuse Windkraftanlagen zum Opfer. Die meisten heimischen Fledermausarten stünden auf der Roten Liste. Besonders sensibel reagierten Vogelarten wie Schreiadler, Rotmilan und Schwarzstorch. So habe sich beispielsweise der Brutbestand des seltenen Schwarzstorchs am hessischen Vogelsberg nach dem Bau von 125 Windkraftanlagen dort in einem Zeitraum von nur sechs Jahren halbiert. Viele Greifvögel sterben durch Kollisionen mit den Rotorblättern.

"Nur Sachsen-Anhalt hat bisher beschlossen, mit der Windkraft nicht in den Wald zu gehen", sagt Vahrenholt. "In waldreichen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Brandenburg liegen schon Erlasse vor, die den Bau von Windparks im Wald trotz regionaler Widerstände erlauben."

Zur Kritik an der Emnid-Umfrage (etwa von Nicole Weinhold im Magazin Erneuerbare Energien oder von Diethard Rolink aus der Redaktion top agrar) gehört der Vorwurf, sie unterscheide nicht deutlich zwischen schützenswertem (etwa naturbelassenem) Wald und Wirtschaftswald, wie es ihn seit Jahrhunderten hier zu Lande gibt. Letzterer ist schon jetzt von Wirtschaftswegen erschlossen/zerschnitten.

Es verleite zudem zu gewünschten Antworten, wenn der Befragte sich in die Ecke "Waldvernichter und Tiermörder" gedrängt sieht. In dieser allgemeinen Ausschließlichkeit wolle dies natürlich niemand, und so erlöse ein Kreuz an der "richtigen" Stelle von dieser Sorge.

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