Eberbach

Dr.-Schmeißer-Stift braucht die Stadt für die Genossenschaftsidee

Der Altersheim-Verein will Hilfe vom Genossenschaftsverband. Der Gemeinderat muss die Idee befürworten, Geld kostet es später.

19.02.2021 UPDATE: 20.02.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 18 Sekunden
Der Betrieb des Schmeißer-Stifts als Haus für Betreutes Wohnen soll über eine neu zu gründende Genossenschaft erfolgen. Foto: Rainer Hofmeyer

Von Rainer Hofmeyer

Eberbach. Ein neuer Abschnitt im Kampf um den Bestand des Dr.-Schmeißer-Stifts. Wenn es erhalten bleiben soll, braucht es eine Genossenschaft. Nur so kann das notwendige Geld generiert werden. Nach einem entsprechenden Mehrheitsvotum der Vereinsmitglieder hat der Vorstand um Hans Wipfler die nächste Runde eingeläutet. Zum einen geht es um die Genossenschaftsgründung selbst. Der Fortgang braucht aber auch die Unterstützung der Stadt und fürs Erste ein eiliges Votum des Gemeinderats - schon bei der öffentlichen Sitzung am nächsten Donnerstag.

Denn zufällig läuft derzeit ein Wettbewerb des Landesministeriums für Soziales, für den am 12. März Meldeschluss ist. Es ist das Förderprojekt "Genossenschaftlich getragene Quartiersentwicklung". Die Ausschreibung sieht in einer Genossenschaft die beste Rechtsform für die Entwicklung eines Stadtquartiers. Und ein solches Viertel soll nach der Vorstellung des Altersheim-Vereins das Gelände des Schmeißer-Stifts werden. Es grenzt unmittelbar an das neue städtische Sanierungsgebiet, das ausgerechnet das Altersheim ausschließt.

Gesundheits-, Pflege- und Präventionsangebote, Angebote für Betreuung, für Menschen mit Behinderung: Fast schon maßgeschneidert passt die Offerte des Ministeriums auf das Vorhaben des Vereins. Die Preisträger werden durch Experten des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes intensiv begleitet und unterstützt, von der Gründung bis zur Eintragung ins Genossenschaftsregister.

Die Sache hat jedoch eine Voraussetzung. Und deshalb ist der Gemeinderat gefragt. Es ist die "Beteiligung der Kommune" notwendig. Dieses Interesse kostet die Stadtkasse nichts. Es genügt, wenn das Vorhaben gutgeheißen wird, am besten durch einen Beschluss des Ratsgremiums. In einem Schreiben an Bürgermeister Peter Reichert und die Gemeinderäte hat der Vereinsvorstand dieser Tage um Beistand gebeten.

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Die Führung des Altersheim-Vereins mahnt stets mehr Hilfe der Stadt an. 1971 hatte man eine ureigene Aufgabe der Kommune übernommen, die Daseinsvorsorge für die Alten der Stadt. Jahrzehnte später steht der Verein allein da. Am 13. August jährt sich der Spatenstich für das Gebäude zum 50. Mal. Es hat das ehemalige städtische Altersheim in der Fahrgasse abgelöst und wurde zu einem Musterhaus landesweit. Initiator war der damalige Eberbacher Bürgermeister Dr. Hermann Schmeißer.

Das jeweilige Stadtoberhaupt hatte per Satzung den Vorsitz des Stiftungs-Vereins. Und die Stadt bürgte für dessen Darlehen. Zu Zeiten der Vereinsgründung hatte der Gemeinderat einen entsprechenden Beschluss gefasst, bis hin zur Übernahme von Defiziten. Das war in der Sitzung vom 2. Dezember 1969. Inzwischen ist die "Stiftung" völlig sich selbst überlassen. Mit mehreren Gemeinderatsentscheidungen hat sich die Stadt komplett zurückgezogen. Das führte am Ende zu unbezahlbaren Krediten und dem Stopp aller Planungen.

Seit einer Satzungsänderung 2013 gibt es kein Junktim mehr zwischen Vorsitz und Bürgermeisterposten. Die Bürgermeister Horst Schlesinger und Bernhard Martin waren zuvor noch automatisch Vereinsführer. Nach der Änderung lenkte der nächste Bürgermeister Peter Reichert den Verein noch fünf Jahre als Privatmann. Er legte den Vorsitz im November 2018 nieder. Wohl auch aus dem taktischen Kalkül, als nicht befangenes Gemeinderatsmitglied dem Verein besser helfen zu können. Dies kann Reichert in der nächsten Ratssitzung beweisen. Danach muss der Verein wissen, dass die Stadt hinter ihm steht. Dieser Beschluss ist eine kostenlose Solidaritätserklärung. Wenn es später an die Gründung der Genossenschaft geht, wird die Stadt um finanzielle Beteiligung gebeten.

Der Vorstand hat die Struktur der geplanten Genossenschaft entwickelt und die Finanzierung durchgerechnet. Der Bedarf beträgt 8,8 Millionen Euro: Baukosten 8,3 Millionen, eine halbe Million für Nebenkosten. 34 betreute Wohnungen sind geplant. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau wird für jede ein Darlehen in Höhe von 120.000 Euro gewähren, insgesamt 4,08 Millionen - mit Minuszins, weil aus dem Schmeißer-Stift ein Effizienz-Haus werden soll.

Auf 4,7 Millionen Euro summieren sich ergänzend die Genossenschaftsanteile. Mehr als 64 Genossen sind nicht vorgesehen – um die Entscheidungsstrukturen nicht zu überdehnen. Daraus errechnen sich je Anteil 80.000 Euro. Die 34 Wohnungsnutzer könnten sich mit je einem Anteil einkaufen. Die reine Monatsmiete wird 8,50 bis 12,50 Euro betragen, plus Betreuungskosten.

23 Anteile bringt der Verein Altersheim selbst ein, davon mit 1,44 Millionen über Barvermögen und über den Gebäudewert mit 400.000 Euro. Zwei Genossenschaftsanteile sollen über Spenden und die Nutzer des gewerblich ausgerichteten Erdgeschosses besorgt werden. Als langfristige Rendite werden 1,9 Prozent prognostiziert – pro Anteil 1500 Euro im Jahr. Insofern wären die Anteilscheine auch für Investoren attraktiv.

Nicht nur symbolisch will der Verein die Stadt in die Genossenschaft mitnehmen. In der Planung stehen fünf Anteile, die später aus dem Stadtsäckel zu finanzieren wären – insgesamt also 400.000 Euro. Nach der Gemeindeordnung kann eine Kommune Mitglied einer Genossenschaft sein. Der Vorstand des Altersheim-Vereins erwartet endlich wieder konkreten Beistand der Stadt für die Alten.

Im Januar 2012 wurde im Gemeinderat der Beschluss von 1969 aufgehoben, eventuelle Defizite aus dem Betrieb des Schmeißer-Stifts zu übernehmen. Mit gleicher Entscheidung hat der Rat jedoch angedeutet, dass er sich eine weitere Unterstützung des Vereins vorstellen kann. Wenn es nämlich um "Betreutes Wohnen" geht, Bürgermeisterposten und Vereinsvorsitz entflechtet sind und sich der Verein Altersheim in eine andere Rechtsform umgewandelt hat.

Alle Voraussetzungen werden mit der Gründung der "Genossenschaft Schmeißer-Stift" erfüllt sein. Doch nicht nur Vorstand und Vereinsmitglieder erwarten positive Entscheidungen des Gemeinderats.

Die Bevölkerung steht immer noch zum Dr.-Schmeißer-Stift und vor allem zu seinem Standort. Der Platz des Pflegeheimes "Lebensrad" mit seiner eingezwängten Außenposition jenseits der Bahnlinie und hinter Gewerbe kann beileibe nicht die Nähe der alten Eberbacher zum Neckar und zu den Neckaranlagen ersetzen.

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