Ist eine Genossenschaft die Rettung für das Dr.-Schmeißer-Stift?
Vorstand des Trägervereins schlägt in Mitgliederschreiben eine "erfolgversprechende" Lösung vor und fragt das Beteiligungsinteresse ab

Von Rainer Hofmeyer
Eberbach. Nach einer monatelangen Hängepartie um das Dr.-Schmeißer-Stift (DSS) bringt der Vorstand des Vereins Stiftung Altersheim um Hans Wipfler jetzt eine Genossenschaftsslösung ins Gespräch. In einer Umfrage sollen die 347 Mitglieder sich bis 24. Juli zu Details dieses Vorschlags äußern, um dann in einer einzuberufenden Versammlung diesen Weg einschlagen zu können. Der Vorstand bezeichnet den neuen "Lösungsansatz" als "erfolgversprechend".
Die Besitzverhältnisse wären danach rechtlich gesehen andere als vorher: Das Haus an der Luisenstraße würde künftig nicht mehr vom Verein selbst geführt werden, sondern in den Geschäftsbetrieb einer neu zu gründenden Genossenschaft eingebracht werden. Wie der vom Vorstand angedachte "Lösungsansatz" in Einzelheiten aussehen soll, erwähnt er in seinem Brief allerdings nicht. Das neue Konstrukt wird grob als Genossenschaftsmodell beschrieben.
Der Vereinsvorstand will eine Ausgliederung des Schmeißer-Stifts aus dem Verein. In diesem bliebe nur noch das "Lebensrad". Aus der Mitte der Mitglieder will der Vorstand eine eingetragene Genossenschaft gründen, deren Zweck der Betrieb des Schmeißer-Stiftes wäre.
Welche Variante nach dem einschlägigen Genossenschaftsgesetz der Betriebszweck werden soll, ist fast schon beliebig zu wählen: Mit dem Haus in genossenschaftlicher Hand kann man den "Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb" gleichermaßen fördern.
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Fast jede gesetzliche Variante wäre erfüllt. Wer das Schmeißer-Stift als reine Kapitalanlage sehen würde, bekäme die "marktübliche" Verzinsung der Einlage. Es gibt Wohnungsgenossenschaften, die schütten bis zu 2,5 Prozent aus.
Inzwischen sieht man im Verein einen Umbaupreis von mindestens acht Millionen Euro als realistisch an. Der Vorstand schreibt nicht, wie die für die Sanierung notwendigen Finanzen im Einzelnen gestemmt werden sollen.
Hintergrund
Das Dr.-Schmeißer-Stift ist im Dezember 1972 eingeweiht worden. Das Haus ist im Eigentum des Vereins Stiftung Altersheim. Seit fast einer Dekade verfällt es. Zur Zeit des Vereinsvorsitzenden Bürgermeister Bernhard Martin (1997 bis 2012) wurde es mehr oder weniger lahmgelegt.
Das Dr.-Schmeißer-Stift ist im Dezember 1972 eingeweiht worden. Das Haus ist im Eigentum des Vereins Stiftung Altersheim. Seit fast einer Dekade verfällt es. Zur Zeit des Vereinsvorsitzenden Bürgermeister Bernhard Martin (1997 bis 2012) wurde es mehr oder weniger lahmgelegt. Lediglich die Küche ist noch in Betrieb – für das damals neue Pflegeheim "Lebensrad", das auch dem Verein gehört. Selbst diese Kochgelegenheit wird demnächst abgeschaltet: Die Baugenehmigung für den Küchenanbau am Lebensrad ist beantragt, kann jeden Tag eintreffen.
Kreditwürdigkeit und Rückendeckung in finanziellen Angelegenheiten gab die jahrzehntelange Anbindung des Schmeißer-Stifts an die Stadt. Ende 2018 hat der Gemeinderat jedoch die Stadt-Garantien für das Schmeißer-Stift zurückgenommen und eine teilweise Ausfallbürgschaft verweigert. Mit diesem Entscheid kappte das Ratsgremium nicht nur die ideelle Unterstützung. Dies spielte in der Folge negativ herein in die Verhandlungsposition des Vereins mit Kreditgebern.
Entkoppelt wurde die seit der Vereinsgründung 1962 festgeschriebene funktionale Bindung zwischen dem Vorsitzenden und dem jeweils aktiven Rathauschef. Dazu war 2013 die Vereinssatzung geändert worden. Waren die Bürgermeister Horst Schlesinger und Bernhard Martin zuvor noch automatisch Vorsitzende, zog sich nach der Änderung im November 2018 der jetzige Bürgermeister Peter Reichert vom Vorstandsposten zurück, nachdem er rund fünf Jahre als Privatmann den Verein führte. Inzwischen hat Vorsitzender Hans Wipfler mit seinem fünf Personen zählenden Vorstandsgremium eine Bürde, die von Monat zu Monat immer schwerer wird.
Teilweise Unmöglicheserwartet die interessierte Bevölkerung: Anstrengungen, das Schmeißer-Stift in seinem Bauvolumen zu erhalten, zu sanieren und Betreutes Wohnen anzubieten – das alles ist bislang mangels günstiger Kredite gescheitert. Andererseits hat der in die Planungen einbezogene Generalunternehmer den Preis des Angebotes erhöht. Zusagen von Stiftungen wurden zurückgezogen. Der Überlegung, das Gebäude zu verkaufen, sperrt man sich im Verein. Ein Neubau an gleicher Stelle dürfte in der außergewöhnlichen Höhe des jetzigen Hauses ohnehin nicht mehr genehmigt werden. Die Immobilie würde also an Wert verlieren. (rho)
Geplant sind 34 Wohnungen. Für jede soll die Kreditanstalt für Wiederaufblau (KfW) 120.000 Euro zu einem Minuszins bereitstellen. Die KfW könnte somit über vier Millionen Euro Kredit gewähren. Die Differenz müssten die künftigen Mitglieder generieren. Im Verein rechnet man aber auch damit, dass dabei Geldgeber mit größeren Einlagen einsteigen.
Die ursprünglich zur Vermietung vorgesehenen Gewerbeflächen könnten als weitere Wohnungen einbezogen werden. Das Schmeißer-Stift war ein Altersheim mit 90 Betten. Ein Mitglied in der neuen Genossenschaft wäre der Verein selbst. Üblicherweise hat jedes Mitglied nur eine Stimme. Dem Verein könnte man mehrere Stimmen zuschreiben. Er würde sein Erspartes einlegen können.
Nur die tatsächlich geleisteten Einlagen der Mitglieder stellen das Vermögen der Genossenschaft dar. Bis zu dieser Höhe haftet sie für Verbindlichkeiten. Mitglieder können unter Umständen zu Nachschüssen verpflichtet sein. Eine Genossenschaft muss von Gesetzeswegen einen drei Personen zählenden Vorstand haben – und einen Aufsichtsrat, wenn mehr als 20 Mitglieder sind.
In seinem Mitgliederbrief fragt Vorstandsvorsitzender Wipfler, ob der Lösungsansatz von "Experten" weiter ausgearbeitet, weiterverfolgt und auf der nächsten Mitgliederversammlung präsentiert werden soll. Die Angeschriebenen sollen sich gezielt äußern, ob sie sich an der Genossenschaft beteiligen oder "generell eine Wohnung im neuen DSS mieten" wollen. Ob die Genossenschaft "gemeinnützig" sein soll, ist aus dem Brief nicht herauszulesen. Auch die mögliche Variante einer Wohnungsgenossenschaft wird nicht abgefragt.
Eine solche zielt darauf ab, den Mitgliedern preiswerten Wohnraum bereitzustellen. Bewohner von Genossenschaftswohnungen müssen in die Genossenschaft eintreten und eine bestimmte Zahl Genossenschaftsanteile kaufen. Sie genießen dann ein lebenslanges Mietrecht - wenn man genügend Geld hat.



