Einst sammelte die ganze Stadt
In zehn Jahren kam fast eine Million Mark zusammen – Jetzt geht’s um 250.000 Euro

Für den Erstbau des späteren Dr.-Schmeißer-Stifts (hier das Modell zum Rumstadt-Entwurf) hatten die Bürger 970 000 D-Mark Spenden und Beiträge beigesteuert. Foto: Rainer Hofmeyer
Von Rainer Hofmeyer
Eberbach. Es waren noch Zeiten des Aufbruchs. Die Neckarstadt hatte Geld. In den 1960er-Jahren blühten Handel und Gewerbe. Das Geschäftsleben war bewegt. Alle Läden verkauften, Leerstände gab es nicht. Zwei große Projekte standen damals an, von der Bevölkerung im Grunde mehr oder weniger selbst in die Hand genommen: Ein Altersheim und ein Hallenbad. Und jetzt: Das Schmeißer-Stift steht jetzt seit Jahren leer, das Hallenbad braucht eine Entscheidung, wie es weitergeht. Die Zeiten haben sich gewandelt.
Für den aktuell nächsten Schritt bei der Sanierung des Dr.-Schmeißer-Stifts fehlen 250.000 Euro. Wenn der "Verein Stiftung Altersheim Eberbach" jetzt zu Spenden aus der Bevölkerung aufruft, so wiederholt sich das, was dereinst in Eberbach mit viel Engagement zum Erfolg geführt hat. Die Sammlungen für den Neubau des Altersheims wurden von allen Generationen der Einwohner getragen.
Ein Förderverein sollte das neue Heim für die alten Eberbacher Wirklichkeit werden lassen. Spenden und Beiträge der Bürger, Unterstützung durch Schulen, Vereine und Verbände waren Zeichen einer einzigartigen großen bürgerschaftlichen Initiative. Zuvor beherbergte das verfallene Gasthaus "Anker" in der Fahrgasse sieben alte Bewohner - vier Fürsorgeempfänger, drei Selbstzahler. Träger des Heimes war die Stadt.
Die treibende Kraft hinter dem ganzen Vorhaben war der seinerzeitige Bürgermeister Dr. Hermann Schmeißer. Der Verein Altersheim wurde am 11. Dezember 1962 in der "Krone-Post" gegründet. Weitere Mitglieder des Vorstandes sind heute noch bei den Älteren in Erinnerung: Bootsbauer Willi Empacher, Allgemeinarzt Dr. Günther Herminghaus sen. und Lina Bussemer, die beliebte Stadträtin.
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So manches großzügige Opfer floss in die Sammlung. In allen Gaststätten und Geschäften standen Geldbüchsen.
Überall waren Sammelbüchsen
Unzählige Einwohner, vom Schüler bis zum Rentner, viele Vereine und Firmen gaben gerne. Erlöse aus Theateraufführungen, Konzerten, Altpapiersammlungen gingen in den Spendentopf. Selbst das Eberbacher Paten-U-Boot "Wilhelm Bauer" gab sein Scherflein dazu.
Stadträte, städtische Bedienstete und ihre Frauen übernahmen zwei Jahre hintereinander den großen Festzeltbetrieb und ein Weinzelt beim Kuckucksmarkt, erzielten damit einen beachtlichen Gewinn. Die Funk- und Fernsehillustrierte "Hörzu" berichtete von der Eberbacher Bürger-Initiative.
Was heute bei vielen in Vergessenheit geraten ist: In der Neckarstadt gab es vor dem Bau des Schmeißer-Stifts anhaltende Diskussionen um den Standort eines neuen Heimes. Die Vorschläge für einen Bauplatz waren überaus zahlreich.
Im März 1968 gab es 18 Grundstücksangebote, die dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt wurden. Für einen Bau des neuen Heimes am Hochwasserleitdamm bei der Neckarbrücke lag sogar schon eine Baugenehmigung vor, die sofort hätte vollzogen werden können. Da gab es Einsprüche aus der Nachbarschaft. Der Druck für einen Standort im Stadtzentrum wurde übergroß.
Da brachte der evangelische Pfarrer Lic. Günter Moldaenke die Lösung. Das von ihm bewohnte Pfarrhaus Süd in der Luisenstraße, hohe Decken, kalte Zimmer im Winter - die alte Villa Knecht-Leutz - brachte er ins Gespräch. Nach längeren Diskussionen stimmte der evangelische Gemeinderat dem Verkauf zu. Die Stadt erstand das Filetstück für 290.000 Mark.
Am 1. Dezember 1969 gab es den ersten Spatenstich für das neue Altersheim. Der Eberbacher Architekt Dipl.-Ing. Gustav Rumstadt zeichnete die Entwürfe. Rumstadts Konzept wurde sogar zum landesweiten Muster für gleichartige Projekte. Anfangs sollte die Villa Knecht-Leutz noch erhalten und nur um einen mehrgeschossigen Bettentrakt ergänzt werden. Doch der sandige Baugrund, das Gelände beim Nägelsee, schaukelte quasi unter der Last des mehrgeschossigen Bettenbaus. Es gab Schäden am alten Herrensitz. Die Villa musste abgerissen, der flache Trakt neu gebaut werden.
Die Gesamtkosten für das neue Altersheim beliefen sich letztlich auf 7,35 Millionen Deutsche Mark. Spenden und Beiträge vom Verein: 970.000 Mark. Dies ist die Summe, mit der man die jetzt aufgerufenen Spenden vergleichen muss.
Zuschüsse kamen vom damaligen Landkreis Heidelberg mit 1,15 Mio. Mark, vom Land Baden-Württemberg mit 945.000 Mark, von der Bundesrepublik mit 500.000 Mark, und die Deutsche Altenhilfe schoss auch 500.000 Mark zu. Die Stadt brachte das Grundstück ein. Es musste ein Darlehen in Höhe von drei Millionen D-Mark aufgenommen werden, fast die Hälfte der Gesamtkosten.
Am 13. August 1971 feierte Eberbach Richtfest. Am 11. Dezember 1972, auf den Tag genau zehn Jahre nach Gründung des Vereins, war es dann soweit: Das neue "Dr.-Schmeißer-Stift" wurde eingeweiht. Die alten Eberbacher konnten einziehen.
Hermann Schmeißer und sein Verein hatten ihr Ziel erreicht. Am Ende jenes Dezembers 1972 wurde der Namensgeber als zufriedener Eberbacher Bürgermeister verabschiedet.



