Busverkehr im Neckar-Odenwald-Kreis

"Kinder werden im Nirwana rausgelassen"

Unter den Kreisräten herrscht Einigkeit: Nach wie vor untragbar - Mobilfunkversorgung wurde getestet

08.10.2019 UPDATE: 09.10.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden

Der öffentliche Busverkehr läuft seit April nicht mehr rund im Neckar-Odenwald-Kreis. Die Busverkehr Rhein-Neckar (BRN) musste deshalb harte Kritik bei der Sitzung des Kreistagsausschusses für Wirtschaft, Umwelt und Verkehr einstecken. Foto: Martin Bernhard

Buchen. (mb) Mit den "katastrophalen Zuständen" beim Busverkehr und der Mobilfunkabdeckung im Kreisgebiet haben sich die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft, Umwelt und Verkehr des Kreistages am Montag in der Stadthalle Buchen beschäftigt. Dazu waren auch die Bürgermeister aus dem Landkreis eingeladen.

"Seit dem 1. April ist die Welt in Limbach eine andere", stellte Limbachs Bürgermeister Thorsten Weber fest. Der Busverkehr sei nach wie vor eine Katastrophe. "Kinder werden im Nirwana rausgelassen. Das fällt auf den Schulstandort Limbach zurück."

Weber forderte dringende Abhilfe und drohte mit Regressansprüchen. Auch Bürgermeister Dr. Norbert Rippberger aus Mudau klagte über Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit im Busverkehr. "Fahrer kannten die Wege nicht", sagte er. "Das, was in den vergangenen Monaten passiert ist, kann ich nicht akzeptieren!"

Auch Landrat Dr. Achim Brötel wies auf die "katastrophale" Situation und auf eine lange Liste an Beschwerden hin. Eine Online-Petition wegen des mangelhaften Busverkehrs hätten über 300 Personen unterzeichnet. "Wir werden künftig nicht mehr alles bezahlen, sondern Geld einbehalten", kündigte der Landrat an.

"Die Botschaft ist angekommen", versicherte Christian Hertel, Geschäftsführer der Busverkehr Rhein-Neckar (BRN), die für den Busverkehr im Neckar-Odenwald-Kreis verantwortlich zeichnet. "Wir sind selbst mit unserer Leistung nicht zufrieden." Er wies darauf hin, dass bei 1000 Fahrten am Tag nur vier bis sechs ausfallen würden.

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Das Auftragsvolumen sei mit rund 4,1 Millionen Fahrkilometern im Neckar-Odenwald-Kreis "eine der größten Inbetriebnahmen im Busbereich."

Er erklärte die Probleme damit, dass es schwierig sei, Busfahrer einzustellen: "Der deutsche Arbeitsmarkt gibt so gut wie keine Fahrer mehr her." Deswegen rekrutiere man Fahrer aus Südosteuropa, überwiegend aus Griechenland. Das führe zu Verständigungsproblemen. Kulturelle Unterschiede zeigten sich unter anderem darin, dass die Auffassung von Pünktlichkeit sich bei Fahrgästen und Fahrern unterscheide.

"Unsere Personalabteilung ist rund um die Uhr tätig", versicherte Hertel. Er bedauerte, dass die Situation "am Fahrgast holpert" und bat um mehr Zeit, Fahrer zu schulen und neue einzustellen. "Es lastet ein ziemlicher Druck auf uns", stellte er fest. "Wir brauchen mehr Zeit."

Amelie Pfeiffer von den Grünen schlug vor, Busbegleiter in Schulbussen einzusetzen. "Warum sind lokale Busunternehmen rausgeflogen?", fragte sie. "Das ist nicht nachvollziehbar." Hertel erklärte dies mit der Einführung von Niederflurbussen, die vielen Busunternehmen nicht zur Verfügung stünden. Man habe nur 15 Prozent des Auftragsvolumens an Subunternehmen vergeben können statt bisher 40 Prozent. "Das war nicht unser Plan", stellte er fest.

Ralf Barwig von der AfD schlug vor, den Berufsverkehr zeitlich zu entzerren und zum Beispiel durch unterschiedliche Schulbeginnzeiten den Nahverkehr zu entlasten. Anton Fleischmann von den Grünen kritisierte, dass die BRN nicht "proaktiv" auf den Landkreis zugegangen sei, als die massiven Probleme auftraten.

Die BRN ist schon seit vielen Jahren Auftragnehmer des Landkreises für den öffentlichen Busverkehr. Sie erhielt im Jahr 2018 den Zuschlag für ein Grundangebot von rund 4,1 Millionen Fahrkilometern. Das sind 760.000 Fahrkilometer mehr als bisher. Eigentlich sollte der neue Fahrplan im Januar dieses Jahres starten. Die BRN bat jedoch um Verschiebung auf den 1. April wegen einer zu dünnen Personaldecke.


Andreas Groß-Weege vom Unternehmen "P3 Group" präsentierte dann den Ausschussmitgliedern die Messergebnisse zur Mobilfunkversorgung im Neckar-Odenwald-Kreis. Zwischen dem 18. Und 26. Juni waren an sieben Tagen zwei Ingenieure mit Autos in 27 Gemeinden unterwegs, um die Qualität von Mobilfunkgesprächen und von Datenverbindungen zu überprüfen. Dabei verwendeten sie ein Samsung Galaxy S9 als Testgerät.

In dem Test schnitt der Netzbetreiber Telekom in allen Bereichen besser ab als die Mitbewerber Vodafone und Telefonica. Groß-Weege sieht jedoch bei allen drei Anbietern Nachholbedarf. Telekom verfüge als einziger Anbieter über eine "gute LTE-Abdeckung im Landkreis." Bei den Sprachmessungen zeigten sich bei allen drei Anbietern Probleme bei der Anruf-Zuverlässigkeit. "Fehler im Rufaufbau ist der dominierende Fehler", sagte der Ingenieur. Den Netzbetreibern Telekom und Vodafone attestierte er gute Werte bei der Rufaufbauzeit und der Sprachqualität.

Ort des Geschehens

"Wir haben jetzt belegbare Argumente, die wir den Netzbetreibern entgegenhalten können", stellte Landrat Dr. Achim Brötel fest. Im nächsten Schritt werde der Landkreis prüfen, ob der mit dem Unternehmen "American Tower Corporation" (ATC) mit einem Pilotprojekt zusammenarbeiten werde. Dieses Unternehmen errichtet Türme, auf denen mehrere Netzbetreiber sich gegen Gebühr einmieten können. Nach Angaben des Landratsamts hat ATC auf der Grundlage der P3-Daten bereits sechs neue Mobilfunkstandorte im Neckar-Odenwald-Kreis projektiert.

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