Buchen/Walldürn

Diese Bücher empfehlen die Händler

Kurz vor dem Fest stellen Buchhändler ihre Lieblingsbücher vor.

17.12.2021 UPDATE: 19.12.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 39 Sekunden
Johannes Volk empfiehlt ein bemerkenswertes Kochbuch. Foto: Rüdiger Busch/privat

Buchen/Walldürn. (rüb) Bücher gehören zur Adventszeit einfach dazu: Kindern wird in der besinnlichen Zeit mehr vorgelesen als unterm Jahr, auch die Erwachsenen nehmen sich häufiger Zeit zum Lesen, aber vor allem gehören Bücher zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken. Wer also noch eine Anregung für ein Last-Minute-Geschenk oder eine Lektüre-Empfehlung benötigt, für den haben wir die passenden Tipps: Wir haben die Buchhändler Martha Stauch ("Bücherglück", Rinschheim), Achim Ullrich (Bücherladen am Alten Rathaus, Walldürn) und Johannes Volk (Buchhandlung Volk, Buchen) nach ihren Lieblingsbüchern des zu Ende gehenden Jahres gefragt. Was dabei auffällt: Mit "Stay away from Gretchen" von Susanne Abel wurde ein Titel von den Experten gleich zweimal genannt – ein besonderes Qualitätsmerkmal. Ergänzt werden diese Favoriten der Buchhändler durch kurze Empfehlungen der RNZ-Redaktion.

> Johannes Volk: Mein persönliches Lieblingsbuch, das ich oft empfohlen und verkauft habe, war in diesem Jahr ein Kochbuch. "Flavour" von Yotam Ottolenghi, erschienen im Dorling Kindersley Verlag [29,95 ]. Oberflächlich mag man meinen, es geht nur um die vegetarische Küche des Mittelmeerraumes mit orientalischen Einflüssen, garniert mit ein paar kulinarischen Extravaganzen. Allerdings habe ich dann bei der fast schon exzessiven Nutzung des Kochbuchs, vor allem während der Sommermonate, gemerkt, dass es eigentlich um etwas anderes geht: nämlich Sehnsucht und Fernweh, Erinnerungen an Reisen und ferne Welten, Neugierde auf Unentdecktes. Unabhängig davon, dass die allermeisten Rezepte in dem Buch – etwa die gefüllten Auberginenröllchen auf Seite 152 – ein echter "Knaller" sind, stimmt genau das, was die Redaktion von "Titel, Thesen, Temperamente" über die Küche Yotam Ottolenghis schreibt: "Es geht nicht um Essen. Es geht um die Essenz der Dinge, unsere Verbindung zum Guten, Wahren und Schönen der Welt." Ich könnte es nicht besser auf den Punkt bringen.

Ein weiteres wunderbares Buch in diesem Winter ist für mich "Ascona" von Edgar Rai, erschienen im Piper Verlag [22 ]. Der Leser durchlebt zusammen mit Erich Maria Remarque seine Exilzeit in der Schweiz. Kurz nach der Flucht des Schriftstellers aus Berlin brennen auch seine Bücher auf den Scheiterhaufen der Nazis, die deutsche Exilgemeinde in Ascona wird von Tag zu Tag größer, ebenso wie Ohnmacht, Verzweiflung und Sprachlosigkeit vor dem Hintergrund der Ereignisse in seiner Heimat. Ein Buch, das eher ein Zeitpanorama der frühen 1930er Jahre ist, leider mit so mancher Parallele zur heutigen Zeit, aber deswegen vielleicht so wichtig. Auf jeden Fall ist "Ascona" mehr als nur ein anspruchsvoller historischer Tatsachenroman, vielmehr wird die Frage aufgeworfen, wie man als vernunftbegabter Mensch mit Hetze und stumpfem Hass fertig werden kann, ohne zu zerbrechen.

Martha Stauch. Foto: Rüdiger Busch/privat

> Martha Stauch: Mein Lesefavorit dieses Jahr ist eindeutig der Roman "Stay away from Gretchen" von Susanne Abel [dtv, 20 ]. Zum Inhalt: Greta, die Mutter des bekannten Nachrichtenmoderators Tom Monderath, ist an Demenz erkrankt. Zunächst sehr betroffen und überfordert von der Diagnose, entpuppt sich die Krankheit auch als Geschenk für Tom: Erstmals im Leben erzählt Greta von sich – von ihrer Kindheit in Preußisch Eylau, der Flucht vor den russischen Soldaten im eisigen Winter und ihrer Begegnung mit dem GI Robert Cooper in Heidelberg. Doch wer ist dieses kleine Mädchen auf dem Foto, das Toms Mutter wie einen Schatz hütet? Tom stößt auf ein tragisches Geheimnis, das mit ihm und seinem Lebensglück eng verknüpft ist ... So ein wundervolles Buch! Der Leser erfährt vieles aus der Zeit der Besatzung durch die Amerikaner, vor allem aber, dass Ausgrenzung und Rassismus auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aufhörten, sondern sich nur verlagert hatten. Und schließlich liefert es einem viele Gründe darüber nachzudenken, wie wir heute miteinander umgehen möchten.

Das Buch "Die Nachtigall" von Kristin Hannah [Aufbau Verlag, 12 ] verließ dieses Jahr am häufigsten die Regale meiner Buchhandlung. Es ist zwar schon etwas älter, aber viele Leser kennen es noch nicht. Es ist die Zeit des Zweiten Weltkrieges, die Deutschen marschieren in Frankreich ein. Zwei Schwestern versuchen, jede auf ihre Weise, mit den schrecklichen Umständen zurechtzukommen. Viannes Mann wird eingezogen. Nun muss sie versuchen, sich und ihre Tochter zu schützen, besonders, als ein deutscher Offizier ihr Haus belagert. Isabelle, die jüngere, schließt sich indes der Resistance an und kämpft im Untergrund gegen die Besetzer. Auf dem Pfad der Nachtigall, einem geheimen Fluchtweg über die Pyrenäen, bringt sie abgeschossene Soldaten der Alliierten über die Grenze nach Spanien. Doch wie lange wird das gut gehen? Und wie weit darf man gehen, um zu überleben? Ein toller Schmöker, emotional und packend. Historisch interessant, lenkt es den Blick auf das Schicksal der Frauen im besetzten Frankreich. Einmal angefangen, kann man das Buch kaum aus der Hand legen!

Achim Ullrich hat unter ihren Favoriten erstaunlicherweise den gleichen Titel wie Martha Stauch. Foto: Rüdiger Busch/privat

> Achim Ullrich: Das Buch, das mich in dieser Zeit inhaltlich am intensivsten beschäftigten konnte, war Daniel Masons "Der Wintersoldat", das seit Kurzem auch als Taschenbuch verfügbar ist [dtv, 13 ]: Ein Medizinstudent ohne praktische Erfahrung wird unversehens verantwortlicher Arzt eines abgelegenen Lazaretts des Ersten Weltkriegs. Die dort notwendigen Fertigkeiten erlernt er durch die Ratschläge einer Krankenschwester. Neben die körperlichen Zerstörungen des Krieges treten auch psychische, die er vor allem an einem Patienten zu studieren beginnt. Ein Verhaltensfehler des Arztes hat katastrophale Folgen, denen er sich zu stellen versucht. Lebensthemen wie Orientierungslosigkeit, Verantwortung, wissenschaftliche Neugier und Liebe werden in einer gewalttätigen Umgebung glaubwürdig miteinander verbunden.

Mit großer Einmütigkeit ist die aktuell häufigste Leseempfehlung aller Mitarbeiter im Bücherladen "Stay away from Gretchen" [dtv, 20 ]. Auf zwei Zeitebenen erzählt Susanne Abel die Lebensgeschichte der Mutter eines Fernsehmoderators, der in seinen mittleren Jahren erfährt, dass er eine Halbschwester hat. Über seine Recherchen kann er sich dem Wesen seiner Mutter nähern, die Familie erweitern und Einblicke nehmen in gesellschaftliche Strukturen beidseits des Atlantiks, die sich für Lebende bisweilen zu langsam verändern. Im Mittelpunkt des Romans, dessen Schauplätze unter anderem Heidelberg und Mannheim sind, steht das Schicksal von Kindern amerikanischer GIs und deutscher Frauen in der Nachkriegszeit.

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