Kirche will in der Fläche präsent bleiben
Erzbischof Stephan Burger diskutierte mit Pfarrgemeinderäten über die Reform "Pastoral 2030" - Entscheidung soll Ende 2020 fallen

Die katholische Kirche im Umbruch: Erzbischof Stephan Burger (3. v. r.) tauschte sich am vergangenen Samstag in der Alten Mälzerei in Mosbach mit Pfarrgemeinderäten über das Reformprojekt "Pastoral 2030" des Erzbistums Freiburg aus. Foto: Alexander Rechner
Von Alexander Rechner
Mosbach. Sie sind rar, die Momente, in denen man auf offener Veranstaltungsbühne bemerken kann, es bahnt sich etwas Richtungsweisendes an. Vielleicht sogar etwas Revolutionäres, gemessen an den Standards dieser Jahrtausende alten Institution jedenfalls. Am vergangenen Samstag in der Alten Mälzerei war einer jener Augenblicke. Denn der Freiburger Erzbischof Stephan Burger will mit einer grundlegenden Reform seine Erzdiözese zukunftssicher aufstellen - "für die kommenden 30 bis 40 Jahre". Und ihm ist es ernst damit. Über das dahinter stehende Projekt "Pastoral 2030" diskutierte er daher in Mosbach mit katholischen Pfarrgemeinderäten einen Tag lang. Nicht über das Ob, sondern über das Wie tauschte man sich intensiv aus.
Die Pläne des Erzbistums sind einschneidend. Denn auch die Herausforderungen, mit denen die katholische Kirche zwischen Tauberbischofsheim und Konstanz konfrontiert wird, sind enorm. Ihr wird es im Jahr 2030 voraussichtlich an vielem fehlen: Schätzungen zufolge wird die Zahl der Katholiken weiter sinken, bei den Einnahmen verhält es sich ähnlich. Ferner nimmt die Zahl der Priester deutlich ab, und nur ein Teil davon ist überhaupt geeignet, eine große Gemeinde zu leiten. Diese für die Katholiken nicht gerade erfreuliche Perspektive legte Ordinariatsrat Wolfgang Müller dar und argumentierte damit, weshalb die Erzdiözese Freiburg mit dem Reformprojekt "Pastoral 2030" überhaupt Antworten sucht.
Antworten wollten auch die Gläubigen von ihrem Erzbischof. Schließlich hat sie die tiefgreifende Veränderung, vor der die katholische Kirche steht, nicht kalt gelassen. In der Podiumsdiskussion stand er aber nicht nur Rede und Antwort, sondern hörte genau zu. Interessiert daran, zu erfahren, wie aus Sicht der Gläubigen der bevorstehende Wandel gestaltet werden kann. Parallel dazu war er bestrebt, den Pfarrgemeinderäten ihre vorgetragenen Sorgen zu nehmen.
"Wir wollen Freiraum für die pastorale Arbeit vor Ort schaffen", betonte Erzbischof Burger. Um dies zu erreichen, will das Erzbistum die aktuell 224 Seelsorgeeinheiten zu nur noch rund 40 großen Pfarreien zusammenfassen. Die Leitung wird in die Hand eines Pfarrers gelegt. Dieser soll Unterstützung von einer hauptberuflichen Geschäftsführung erfahren, die sich um Verwaltungsaufgaben kümmert. Ziel: Priester und andere kirchliche Mitarbeiter sollen sich dann stärker der Seelsorge widmen können. "Der Glaube soll vor Ort gelebt werden können", unterstrich Erzbischof Burger denn auch, um zu ergänzen: "Wir wollen keinen Kahlschlag." Allerdings müssten sich die Katholiken auf Veränderungen einstellen, die längere Wege erforderlich machten. Und dennoch will die katholische Kirche weiterhin in der Fläche präsent sein. "Gemeinde spielt sich vor Ort ab," betonte der Erzbischof.
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Wie die neuen Pfarreien in Zukunft aussehen könnten, muss noch definiert werden: In den Monaten Mai und Juni seien in mehreren Konferenzen mit Vertretern der Dekanate Entwürfe für die Raumplanung erstellt worden. "Noch ist aber nichts in Stein gemeißelt", sagte Ordinariatsrat Wolfgang Müller der RNZ dazu. Auch die Anzahl der neuen Pfarreien sei nicht festgesetzt. "Es können etwa 40 sein", schilderte der Ordinariatsrat und wollte es eher als Spannbreite definieren.
Zudem erläuterte Wolfgang Müller den weiteren Zeitplan: Die Entwürfe sollen bis Ende des Jahres u. a. in den Kirchengemeinden und Dekanaten diskutiert werden. Weitere Vorschläge könnten bis Ende des Jahres an das Erzbischöfliche Ordinariat gesendet werden. Nach einer weiteren Diskussion in den Gemeinden soll die Entscheidung dann gegen Ende 2020 fallen. Mit der Umsetzung der Raumplanung will man laut Müller frühestens 2025 beginnen.
Im Großen und Ganzen könnte die neue Pfarrei sich an den Grenzen des Dekanats Mosbach-Buchen orientieren, es gibt aber durchaus unterschiedliche Optionen: Bei einer Variante würde das gesamte Dekanat eine Pfarrei darstellen, bei einer weiteren Variante würden die Region Mosbach und die Region Buchen jeweils eine Pfarrei bilden. Bei der letzten Variante würden die Region Buchen eine, die Regionen Bauland, Elztal und Billigheim eine andere und die Region Mosbach eine dritte Pfarrei formen. Der Wallfahrtsort Walldürn wird dem Ordinariatsrat zufolge künftig ein pastoraler Schwerpunkt in der neuen Pfarrei sein.
Nach dem Dialog mit Erzbischof Burger zogen Teilnehmer aus dem Landkreis ein positives Resümee: "Ich erlebe den Begegnungstag als positiv, denn der Erzbischof hört zu, zeigt Lösungen auf und bezieht die Basis ein", sagte Manfred Bopp, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats der Kirchengemeinde Mosbach-Elz-Neckar ("Mose") zufrieden und ergänzte: "Die Befürchtungen, die ich eingangs hatte, sind verflogen, denn die Stärkung der Gemeindeteams wurde heute mehrfach betont."
Auch Dekanatsratsvorsitzende Elisabeth Hell aus Buchen sah zuversichtlich der Zukunft entgegen und verwies auf die gesellschaftlichen Veränderungen, weshalb Strukturen geändert werden müssten. Ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt, sprach sie auch an: die Gleichberechtigung der Frauen in allen kirchlichen Ämtern. "Dafür kämpfe ich." Und sie war an diesem Tag nicht allein mit diesem Anliegen. Denn starker Beifall brandete auf, als eine Frau den Wunsch des Ämterzugangs für Frauen geäußert hatte. Dieses Thema allerdings habe nicht Freiburg, sondern Rom zu entscheiden ...