Telekom kündigt Kunden bei Gerichtstetten ISDN-Verträge
Kein Internet und nur ein analoger Anschluss: Kunden fühlen sich von der Telekom abgehängt - Hier geht’s zurück in die Steinzeit

Von Rüdiger Busch
Gerichtstetten. Harald Schmieg ist der Zukunft zugewandt. Als Landwirt und Unternehmer ist er für Innovationen immer offen. Seine Firma EKS Solartechnik hat bereits mehr als 1500 Solaranlagen in der Region und darüber hinaus installiert. Er ist Ideengeber und Motor des Bürgerwindparks Gerichtstetten, der im Jahr so viel grünen Strom erzeugt, wie rund rund 9000 Haushalte verbrauchen. Doch in Sachen Kommunikationstechnik ist der 52-Jährige gerade auf dem Weg zurück in die Steinzeit der Telefonie. Die Telekom hat ihm – und ihren übrigen Kunden in den drei Weilern südlich von Gerichtstetten – den ISDN-Vertrag gekündigt. Da die moderne IP-Telefonie dort nicht funktioniert, steht ihnen ab 1. Oktober nur noch ein analoger Anschluss zur Verfügung.
2015 hatte die Telekom damit begonnen, ihre Kunden von ISDN auf IP (Internet-Protokoll) umzustellen, da sie die veraltete ISDN-Technik nicht weiter betreiben möchte. Für Kunden im ländlichen Raum kann das fatale Konsequenzen haben, da die neue Technik eine Mindestgeschwindigkeit bei der Datenübertragung über das Internet benötigt. Im Hohenstädter Grund ist die von der Telekom zur Verfügung gestellte Internetverbindung so langsam und unzuverlässig, dass selbst einfaches Surfen kaum möglich ist – von bewegten Bildern oder Telefongesprächen übers Internet wagt man hier nicht einmal zu träumen.

Das Mobilfunknetz stellt auch keine Alternative dar: Der rund fünf Kilometer von Gerichtstetten entfernte Weiler ist ein einziges Funkloch: "Ab und zu hat man etwas Empfang, aber meistens geht gar nichts", weiß Schmieg. Ähnlich sei die Situation beim Buchwaldhof und beim Helmstheimer Hof, die ebenfalls Teil des ehemaligen Hofguts Helmstheim sind. Das Problem Internet hat Harald Schmieg für sich und seine Firma mithilfe einer Zusatzantenne für LTE gelöst. Dadurch ist er beispielsweise in der Lage, E-Mails seiner Kunden zu bearbeiten.
"Mein Hauptproblem ist aber das Festnetz", sagt der Unternehmer. Die Leitung sei in einem derart schlechten Zustand, dass es seit Jahren immer wieder zu Ausfällen kommt. Im Dezember 2019 hat ihm die Telekom dann den ISDN-Vertrag endgültig gekündigt. Ende September wird der Abschluss abgeschaltet. Eine weitere Fristverlängerung, wie sie den Kunden der drei Weiler in der Vergangenheit schon gewährt wurde, sei nun nicht mehr möglich, heißt es von der Telekom.
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Auf Nachfrage der RNZ, teilte die Pressestelle der Telekom mit, dass der Kunde "persönlich von unserem Kundenservice zu Alternativlösungen über das Mobilfunknetz und zur Anbindung via Satellit beraten" worden sei. Doch ohne zufriedenstellendes Ergebnis: "Mobilfunk scheidet völlig aus, da wir nur unzureichend Netz haben. Die Lösung via Satellit ist als Geschäftskunde für mich keine zufriedenstellende Alternative."
Das Problem der langen Leitungslänge bestehe auch bei anderen, weit abgelegenen Höfen, schreibt die Telekom. Und weiter: "Unser Kundenservice berät betroffene Kunden gerne zu den genannten Alternativen." Das kann Harald Schmieg so nicht stehenlassen: "Auf diese Alternative warten wir nun seit zwei Jahren. Das Problem ist einfach, dass ich hier nicht nur ein einfacher Haushalt bin, sondern wir an diesem Standort mehrere Firmen betreiben. Was wir benötigen, ist eine zukunftsfähige Lösung und eine Anbindung an das Breitbandnetz, welches heute den Stand der Technik darstellt."
Denn aktuell droht ihm ein Rückschritt in die 70er oder 80er Jahre: Wenn die Telekom nicht doch noch eine praktikable Alternative anbietet, bleibt Schmieg ab 1. Oktober nur noch ein analoger Anschluss: "Konkret bedeutet dies, dass ich nur noch eine Leitung pro Anschluss zur Verfügung habe und dadurch in meinem Büro ständig besetzt ist und auch keine Gespräche weitergeleitet bzw. weiterverbunden werden können." Für Harald Schmieg ist klar: "Mit einer solchen Technik kann ich meine Firma nicht betreiben."
Deshalb hat sich Schmieg auch an das Landratsamt und die Gemeinde gewandt. Die dortige Unterstützung führte bislang aber auch nicht zum Ziel. Gleiches gilt für das Glasfaserprojekt der BBV, die bekanntlich den ganzen Landkreis ans schnelle Netz anschließen möchte und dabei auch Lösungen für abgelegene Weiler und Aussiedlerhöfe in Aussicht stellt. Selbst wen sich das Großprojekt schnell verwirklichen lassen würde, wäre Gerichtstetten aufgrund seiner Lage an der Kreisgrenze wohl einer der Orte, die ganz am Ende drankämen: "So lange können wir nicht warten, wir brauchen jetzt eine Lösung."
Früher, vor 60, 70 oder 80 Jahren, seien Weiler und ähnliche Siedlungen wie selbstverständlich an die Strom- und Wassernetze angeschlossen werden. Dass es heute nicht möglich sein soll, die nötige Infrastruktur dorthin zu führen, will Harald Schmieg nicht einleuchten: "Internet und ein funktionierendes Telefon gehören heute doch zur Grundversorgung!" Auch für die rund 20 Bewohner der drei Weiler.
Wie soll es seiner Meinung nach jetzt weitergehen? "Meine Forderung ist, die Möglichkeiten eines Breitbandausbaus für den Hohenstädter Grund, den Helmstheimer Hof und den Buchwaldhof aufzuzeigen und die Kosten hierfür darzulegen. Eine Anfrage hierfür ist bereits gestellt. Bis darüber entschieden ist, muss der jetzige ISDN-Anschluss bestehen bleiben!" Ob sein Anliegen gehört wird?