Keine Antworten bei der Bebauungsfrage an Windkraftanlagen
Das Schreiben von Umweltminister Untersteller an die Kommunen zum Thema Windkraft lässt mehr Fragen offen, als es beantwortet

Wie nah dürfen Windräder an die Wohnbebauung heranrücken? In dieser Frage herrscht in der grün-schwarzen Koalition in Stuttgart keine Einigkeit. Foto: Rüdiger Busch
Neckar-Odenwald-Kreis. (rüb) Das Thema Windkraft besitzt ein enormes Konfliktpotenzial - und zwar nicht nur auf kommunaler Ebene, sondern bis hinein in die Machtzentralen des Landes. Dies zeigte sich jüngst an der Reaktion des grünen Umweltministeriums auf Aussagen, die Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) in der RNZ getätigt hatte. Inzwischen hat Umweltminister Franz Untersteller wie angekündigt den Kommunen einen schriftlichen Rat gegeben, wie sie mit der Frage des Abstands zwischen Windkraftanlagen und der Wohnbebauung umgehen sollen. Die Kernbotschaft: Die Kommunen könnten durchaus einen höheren Abstand als die gesetzlich vorgegebenen 700 Meter festlegen - er muss aber begründet sein.
Zur Vorgeschichte: Minister Hauk hatte den Kommunen im RNZ-Interview empfohlen, in ihrer Planung einen Abstand von 1000 Metern vorzusehen. Für den Staatswald werde er den gleichen Abstand festlegen. Daraufhin hatte das Umweltministerium gekontert und davor gewarnt, generell 1000 Meter Abstand festzuschreiben.
Doch was gilt denn nun? Aufklärung könnte da das von Umweltminister Untersteller als "Hilfestellung" für die Kommunen bezeichnete Schreiben liefern. Das tut es aber nur bedingt, denn wer den Inhalt des sechsseitigen Schreiben des grünen Ministers voll und ganz verstehen möchte, der sollte in Sachen Planungsrecht zumindest im Fortgeschrittenenkurs angelangt sein.
Nach wie vor habe die rechtliche Vorgabe Bestand, nach der der Windkraft in der Flächennutzungsplanung "substanziell Raum" zu verschaffen sei. Konkreter wird Untersteller aber nicht: "Ob der Windkraft im jeweiligen Planungsraum substanziell Raum verschafft ist", lasse sich "nicht abstrakt bestimmen." Aha.
Weiter geht es mit dem umstrittenen Thema "Abstand zur Wohnbebauung": Durch das Festlegen so genannter "weicher Tabuzonen" könnten die kommunalen Planungsträger den als Immissionsschutzabstand empfohlenen Wert von 700 Metern überschreiten, um benachbarte Wohngebiete zu schützen. Dies sei auch höchstrichterlich bestätigt.
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Welcher Vorsorgeabstand von welchen Wohngebieten im konkreten Fall aber angemessen sei - 800, 900 oder 1000 Meter - würde jedoch von den örtlichen Gegebenheiten abhängen. "So kann ein Abstand von 1000 Metern vor allem bei einem reinen Wohngebiet in Betracht kommen, sofern die örtlichen Gegebenheiten und Besonderheiten sowie die gebotene Abwägung aller Belange dieses Maß rechtfertigen und ausreichend große Konzentrationsflächen für die Windenergienutzung im Planungsraum verbleiben." Und weiter: "Je großzügiger die Abstände bemessen werden und je kleiner die verbleibenden Flächen der vorgesehenen Konzentrationszonen im Planungsraum insgesamt sind, desto höhere Anforderungen bestehen mit Blick auf die städtebauliche Begründung und Rechtfertigung des Vorsorgeabstands durch den Planungsträger."
Wer es schafft, die sechs Seiten bis zum Ende durchzulesen, für den bleiben am Ende viele Fragen offen. Die Wichtigste: Weshalb schafft es die Landesregierung nicht, einen klaren Abstandswert festzulegen, wie es etwa das benachbarte Bayern gemacht hat. Über den dort geltenden Abstand - Gesamthöhe mal zehn - lässt sich sicher streiten: Aber er liefert den Kommunen zumindest ein genaues Planungsinstrument.