RNZ-Serie zur Windkraft: Gefährden Windräder die Werte angrenzender Immobilien?
Dr. Axel Tausendpfund von der Eigentümergemeinschaft Haus & Grund befürchtet genau dies und warnt im RNZ-Interview vor Wertverfall - Gerade im ländlichen Bereich sei dieser drastisch

Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe können sich negativ auf den Wert eines Wohnhauses auswirken. Darauf weist der Eigentümerverband Haus & Grund hin. Foto: R. Busch
Von Rüdiger Busch
Neckar-Odenwald-Kreis. Verliert unser Haus an Wert, oder wird es gar unverkäuflich? Diese Sorge treibt viele Eigenheimbesitzer um, wenn in der Nähe zu Wohngebieten Windkraftanlagen errichtet werden sollen. Doch sind diese Ängste überhaupt berechtigt? Wir haben bei Dr. Axel Tausendpfund nachgefragt. Er ist hauptamtlicher Vorstand des Landesverbands Baden der Eigentümer-Schutzgemeinschaft Haus & Grund.
Sind die Sorgen vieler Eigenheimbesitzer berechtigt, dass ihre Immobilie durch den Bau eines Windparks in unmittelbarer Nachbarschaft deutlich an Wert verlieren könnte?
Die Sorgen sind aus unser Sicht absolut berechtigt. Der Bau von Windenergieanlagen hat nach unserer Einschätzung sowohl auf die Kaufpreise wie auch auf die Mieten der im Einflussbereich solcher Anlagen liegenden Immobilien erhebliche Auswirkungen. Die Beeinträchtigungen - insbesondere Geräuschemissionen, Lichtreflexion, Schatten- und Eiswurf, Eingriff in das Landschaftsbild, Infraschall, Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen und Beklemmungsgefühl - führen nach unserer Einschätzung zu Preisabschlägen von 20 bis 30 Prozent, im Ausnahmefall sogar bis hin zu praktischer Unverkäuflichkeit oder Unvermietbarkeit.
Müssen sich alle Hausbesitzer Sorgen machen, deren Immobilie in der Nähe von Windkraftanlagen stehen, oder sind negative Folgen nur bei direkter Nachbarschaft zu befürchten?
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Dem Abstand zwischen Immobilie und Windkraftanlage kommt natürlich eine große Bedeutung zu. Dabei gilt: Je geringer der Abstand ist, desto höher ist der Abschlag. Deswegen fordern wir von Haus & Grund einen Abstand zur Wohnbebauung des zehnfachen der Höhe der Windkraftanlage, mindestens aber 1500 Meter.
Gibt es für die betroffenen Bürger die Möglichkeit, einen derartigen Wertverlust ersetzt zu bekommen, oder müssen sie die möglichen Folgen wirklich alleine tragen?
Die einzige mir bekannte Möglichkeit ist eine Entschädigung für den sogenannten enteignungsleichen Eingriff. Allerdings sind die Hürden hier sehr hoch, dies vor Gericht zu beweisen und durchzusetzen. Außerdem muss der Bau der Windkraftanlage dann rechtswidrig gewesen sein. Deswegen fordern wir von Haus & Grund einen Anspruch auf angemessenen Ausgleich für die betroffenen Immobilieneigentümer unabhängig von der Frage der Rechtswidrigkeit. Dieser kann zum Beispiel in einer Reduzierung oder einem Erlass der Grundsteuer bestehen. Außerdem ist es unserer Ansicht nach notwendig, einen speziellen gesetzlichen Anspruch auf Ausgleichszahlung gegen den Windkraftanlagenbetreiber zu schaffen. Die Betreiber verdienen mit den Anlagen gutes Geld, deswegen ist es mehr als angemessen, dass die betroffenen anliegenden Eigentümer dann auch entsprechend entschädigt werden. Dieser Anspruch muss dann unbürokratisch durchsetzbar sein.
Gibt es Erfahrungswerte bei Mietobjekten? Sind hier auch negative Entwicklungen zu erkennen?
Statistisch belastbare Zahlen liegen uns nicht vor. Klar ist aber: Die Wertminderung betrifft natürlich nicht nur den Verkehrswert einer Immobilie, sondern auch unmittelbar die Mieten. Auch hier erscheint die Annahme von Abschlägen von 20 bis 30 Prozent bis hin zu Unvermietbarkeit in Ausnahmefällen realistisch.
Haben sich bei Ihnen schon Mitglieder gemeldet, deren Immobilie durch den Bau eines Windparks schwer oder sogar unverkäuflich geworden ist?
Nach meinem Kenntnisstand gilt das jedenfalls für den Bereich der Wertminderung. Der Wert einer Immobilie wird natürlich von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinfluss wie Lage, Baualtersklasse, Größe, Zustand etc. Die Nähe zu einer Windkraftanlage ist aber sicherlich ein wertmindernder Faktor. Außerdem wird dadurch der potentielle Käuferkreis verengt, denn es gibt nicht wenige, die aus Prinzip nicht in der Nähe von Windkraft kaufen. Und dann gilt natürlich: Je geringer der Kreis der Interessenten, desto geringer der Kaufpreis.
Windparks werden in Baden-Württemberg vor allem im ländlichen Raum errichtet. Verschärft dies die mitunter schon schwierige Situation der Immobilienpreise auf dem Land?
Genau dies ist aus den vorgenannten Gründen zu erwarten und zu befürchten.
Was raten Sie Eigenheimbesitzern, die ihre Immobilie als Alterssicherung eingeplant haben und diese nun gefährdet sehen?
In der Tat ist es so, dass für viele Menschen die Immobilie den Schwerpunkt ihrer Altersvorsorge bzw. ihre einzige Altersvorsorge darstellt. Die Sorgen der Betroffenen sind daher absolut nachvollziehbar und ernst zu nehmen. Betroffene sollten im eigenen Interesse am besten bereits vor dem Bau einer Windkraftanlage alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Beeinträchtigung so gering wie möglich zu halten. Das geht über Anhörungen im Planungsstadium, die Gründung von Bürgerinitiativen, die Einbeziehung der Bundes- und Landtagsabgeordneten des Wahlkreises bis hin zur gerichtlichen Untersagung des Baus. Wenn die Anlage mal steht, ist es in der Regel zu spät.