Diese Messe ging unter die Haut
Die "Tattoo Convention" feierte nach vierjähriger Pause an einem neuen Standort ihr Comeback. Zu Gast waren auch internationale Körperkunstkünstler.

Von Manfred Ofer
Mannheim. Manche Geschichten gehen unter die Haut. Bei der Mannheimer "Tattoo Convention" am Wochenende gab es viele davon. Zum ersten Mal fand die Messe rund um die Kunst des Tätowierens in der Manufaktur statt. Nach einer vierjährigen Unterbrechung aufgrund von Corona war das Interesse an der überregional bekannten Veranstaltung groß. An drei Tagen konnte man hier Künstlern aus aller Welt bei der Arbeit über die Schulter schauen und sich bei Fachhändlern über die aktuelle Produktpalette informieren.
"Heute ist am meisten los", stellte Moderator Thomas Neumann (55) am Samstag fest. Zuvor hatte er auf der "Tattoo Convention" die Rock-Band The Flames angekündigt. Die Lokalmatadore trugen ihren Teil zum Sound in der Manufaktur am sonnigen Neckarufer bei. "Da haben wir Glück gehabt", bemerkte der renommierte Mannheimer DJ lächelnd.

Zum bratigen Sound der Gitarren gesellte sich das summende Geräusch der Maschinen, mit denen Tattoo-Artists die Tinte unter die Haut ihrer Kunden brachten. Unter anderem zeigten Gäste aus Argentinien, Thailand und Bali ihr Können. Die Vielfalt der Kreativität, die dem Besucher bei einem Rundgang geboten wurde, war beachtlich. "Die Vorbereitungen auf eine Veranstaltung von dieser Größe nehmen eine Menge Zeit und Mittel in Anspruch", sagte Neumann. Zumal man auch im Vorfeld keine Gewissheit haben konnte, ob die neue Location vom Publikum überhaupt angenommen wird. Letzteres sollte aber schon nach dem gelungenen Auftakt am vergangenen Freitag geklärt sein.
Neben den Künstlern waren viele Fachhändler am Start, die ihre Produkte, etwa Tätowier-Maschinen, Nadeln, Farben, Handschuhe und Mode-Artikel, präsentierten. Die Kunst der Tätowierung ist fast so alt wie die Menschheit. Die Gründe, weshalb sich Menschen Symbole und Schriftzüge auf die Haut stechen lassen, sind so verschieden wie Geschmäcker, Weltbilder und Religionen. Einst als gesellschaftlich anrüchig angesehen, hat sich mittlerweile viel getan. Bei der letzten Fußball-WM stand wohl kaum ein Weltstar auf dem Rasen, der nicht zumindest ein Tattoo an sich hatte. Tattoos sind im Mainstream angekommen. Die globale Industrie boomt.
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Vom Teenager, der sich mit dem Segen der Eltern das erste Tattoo seines Lebens machen lassen wollte, bis hin zum einst leitenden Angestellten eines großen Automobilherstellers, der sich seine gestochene Premiere für die Zeit nach der Rente vorgenommen hatte, traf man ganz unterschiedliche Charaktere an. Auch bei Stammkunden, die man an der großzügigen Dekoration ihrer Haut erkennen konnte, waren die Gründe, sich unter die Nadel zu legen, unterschiedlicher Couleur. Ein Trend, der weltweit zu beobachten ist, sind fotorealistische Darstellungen, wie man sie auch in der Street-Art gerade beobachten kann. Einer, der sich bestens damit auskennt, war eigens für sein neues Tattoo aus Nürnberg angereist, das er sich von einem alten Freund stechen ließ.
Pablo Fontagnier (42) aka "Hombre SUK", ein international bekannter Graffiti-Künstler, der aus Mannheim stammt, hatte sich für ein klassisches "Lettering" entschieden. Künftig wird er den Schriftzug "Working Class" als Hommage an seine Herkunft auf dem Rücken tragen. Nicht das einzige, das seinen Körper schmückt. "Die meisten Tattoos habe ich mir von Freunden stechen lassen", erzählte Fontagnier. Seine Tätowierungen seien für ihn wie ein Poesie-Album, in dem jeder etwas hineinschreiben könne. "Das sind Zeitzeugen, die mich an Begegnungen und Ereignisse in meinem Leben erinnern", sagte er, während sein Kumpel "Botak Gila" (38) an seinem neuen Körperschmuck arbeitete.
Der argentinische Künstler Diego Apu (38), der aus Buenos Aires nach Mannheim gekommen war, ist für seine filigranen Tier-Motive bekannt, die den Charakter eines Postkartenstichs aus dem Fin de Siècle aufweisen. Dieser Stil, den er als einer der allerersten Künstler in seiner Heimat etabliert hat, vermischt Einflüsse aus vielen Kulturen miteinander. Apu sorgte damit für einen weiteren Tupfer Farbe in einem bunten "Tattoo-Circus".