Auch Mannheim wird "Sicherer Hafen"
Stadt erklärt sich bereit, aus Mittelmeer gerettete Geflüchtete freiwillig aufzunehmen - Gemeinderat gab grünes Licht

"Heidelberg - sicherer Hafen, Mannheim - sicherer Hafen jetzt", riefen die etwa 50 Demonstranten der Menschenrechtsorganisation "Seebrücke" vor dem Mannheimer Ratssaal. Dieser Forderung stimmte die Mehrheit der Stadträte bei der späteren Abstimmung zu. Foto: Kaiser
Von Alexander Albrecht und Olivia Kaiser
Mannheim. Bewegungslos liegen sie auf dem Fließenboden vor dem Mannheimer Ratssaal. Mit dieser drastischen Aktion wollen die Aktivisten der Menschenrechtsorganisation "Seebrücke" auf die Menschen aufmerksam machen, die vor Krieg und Hunger aus ihren Heimatländern geflohen sind und bei der gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer den Tod fanden. Dazu werden 69 Namen von Kommunen verlesen.
Es sind die Städte, die sich bereit erklärt haben, aus dem Mittelmeer gerettete Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Auch Heidelberg ist dabei, der dortige Gemeinderat hat bereits im Oktober vergangenen Jahres einen Grundsatzbeschluss dazu gefasst und Oberbürgermeister Eckart Würzner beauftragt, einen Appell an die Bundesregierung zu richten.
Mannheim solle folgen, fordern die mehr als 50 Demonstranten. Die schließlich applaudieren, als das Kommunalparlament mit den Stimmen der SPD, Grünen, Linken, FDP und einer CDU-Stadträtin ihren Wunsch erfüllt.
Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD), der sich eine breitere Mehrheit gewünscht hatte, schickt nun im Namen der Stadt einen Brief an die Bundesregierung, der Teil der Verwaltungsvorlage ist. Darin wird die Aufnahme der Schiffbrüchigen - eine wenn überhaupt eher überschaubare Zahl - als Reaktion auf eine "unerträgliche, inhumane" Situation gesehen.
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Damit befürworte man aber keine ungeregelte Migration und auch keine Fokussierung auf die Seenotrettung. "Denn es kann kein Ziel sein, dass Menschen für sich und ihre Familien Gefahren für Leib und Leben eingehen, um einwandern zu können", heißt es in dem Schreiben weiter.
Die Stadt kritisiert eine fehlende, grundlegende Konzeption für eine Migrationspolitik. Das Beharren auf eigenen nationalen Interessen habe zu einem Vertrauensverlust in die Lösungskompetenzen Europas geführt. Eine europäische Strategie und sichere Fluchtwege - das hatte auch Würzner verlangt.
Vor wenigen Tagen schloss sich der Heidelberger OB einem weiteren Appell des Bündnisses "Städte Sicherer Häfen" an, das Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem offenen Brief dazu aufforderte, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anzuweisen, für die von dem Schiff "Sea-Watch 3" geretteten Menschen eine Aufnahmezusage zu erteilen. Entscheiden muss also der Bund. Die Menschen würden in diesem Fall nach einem Verteilungsschlüssel den Ländern zugewiesen.
Generell ist Heidelberg davon befreit, Geflüchtete dauerhaft aufzunehmen, weil im Patrick Henry Village (PHV) das zentrale Registrierungszentrum für Baden-Württemberg betrieben wird. Auch Mannheim beruft sich auf dieses "Privileg" mit Blick auf die Landeserstaufnahmestelle in der Industriestraße. Dort sind nach Angaben der Stadt aktuell 240 Asylbewerber untergebracht, weitere 367 leben in einer bedarfsorientierten Einrichtung auf dem früheren US-Militär-Gelände Spinelli.
Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/16 musste Mannheim recht kurzfristig bis zu 15.000 Menschen unterbringen. Dass die Stadt das Sonderrecht nicht verlieren will, liegt aber auch an den mehr als 10.000 Zuwandern aus Südosteuropa. Bei der Integration der Bulgaren und Rumänen sieht sich Mannheim am Anschlag, hinzu kommt ein stark angespannter Immobilienmarkt.
Darauf verweist bei der Mannheimer Gemeinderatsdebatte das Lager der Kritiker. Sie befürchten zudem, dass eine freiwillige Aufnahme in Deutschland den Druck hin zu einer europäischen Lösung verringern würde. Von einem Zeichen der Solidarität und einer menschenverachtenden Situation sprechen die Befürworter - die sich am Ende durchsetzen.



