Schwetzingen/Neulußheim

"Wir sind von Lärm umzingelt"

Bei einer Fahrradtour von Schwetzingen nach Neulußheim zu Problemstellen des Bahnverkehrs machten Bürger ihrem Ärger Luft

14.08.2018 UPDATE: 15.08.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 1 Sekunde

Mit dem Fahrrad ging es bei der Bahnlärm-Tour von Schwetzingen nach Neulußheim. Fotos: Widdrat

Von Volker Widdrat

Schwetzingen/Neulußheim. Das Thema Bahnlärm bewegt die Bevölkerung. Etwa 30 Teilnehmer waren bei einer Radtour dabei, die entlang der Bahngleise von Schwetzingen nach Neulußheim führte. Eingeladen dazu hatte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz und der Grünen-Landtagsabgeordneter Manfred Kern. Sie hatten auch den bahnpolitischen Sprecher der Grünen, Matthias Gastel, mitgebracht. Der 47-jährige Bundestagsabgeordnete ist Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur und ein ausgewiesener Bahnexperte. Er erläuterte an den einzelnen Stationen die neuesten Entwicklungen zum Thema Bahn und Lärmschutz.

Erste Station: Bevor die Gruppe in die Pedale trat, ging es kurz zu Fuß in die Scheffelstraße. Dort fordern die Anwohner seit langem eine Verringerung des Schienenlärms. Mit dem Ausbau des Bahnknotens Mannheim wird sich der Bahnlärm in Schwetzingen weiter erhöhen und zu einer Dauerbelastung auf hohem Niveau führen, so die Befürchtung. Gastel verwies auf zwei Studien vom Bundesverkehrsministerium und von der Bahn, die mit Spannung für Ende September erwartet werden: "Wir sind aber trotzdem noch in einem frühen Stadium und wissen noch nicht, wie sich alles auswirken wird." Seine Partei stünde für ein "Wegkommen von monströsen Straßenprojekten hin zum Ausbau der Bahn". Das Thema Lärmschutz müsse stets Beachtung finden: "Was sich in Mannheim tun wird, bleibt spannend."

Matthias Gastel (Mitte, rote Kappe) und Danyal Bayaz (rechts daneben) hören den Beschwerden von Bürgern und Kommunalpolitikern aufmerksam zu.

Bürgerinitiativen: "Wir sind vom Lärm umzingelt", beschrieb Kreisrat Adolf Härdle (Grüne) der Gruppe die Situation in Hockenheim und schilderte die jahrzehntelangen Bemühungen gegen Bahnlärm. Auch ein Lärmaktionsplan habe nicht die erhofften Ergebnisse erzielt: "Es ist ärgerlich, geradezu skandalös, dass das Unternehmen die Garantien nicht einhält." Lothar Gotthardt erzählte von der 2013 gegründeten Hockenheimer Bürgerinitiative Stille Schiene (BISS) und deren Kampf gegen die Auswirkungen des wachsenden Güterverkehrs auf der Rheintalstrecke. In Sachen Schutz vor Bahnlärm müsse sich endlich etwas bewegen, forderte Lothar Gotthardt: "Der Bund muss seine Hausaufgaben machen und das Planfeststellungsverfahren abschließen."

Die neu gegründete Schwetzinger Bürgerinitiative gegen Bahnlärm wird diese Woche ins Vereinsregister eingetragen, erfuhren die BISS-Kollegen vom Vorsitzenden Herbert Brenner. "Sie sind nicht allein. Über 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland fühlen sich durch Schienenlärm beeinträchtigt. Es gibt noch viele weitere Bürgerinitiativen mit Erfahrung", machte Bahnexperte Matthias Gastel den Lärmgeplagten Mut.

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Bahnhof Schetzingen: Dort wurden Maßnahmen gegen den Bahnlärm diskutiert. Eine Möglichkeit ist die Nachrüstung der Bestandsgüterwagen mit Verbundstoff-Bremssohlen. Diese technische Lösung kann den Pegel theoretisch um bis zu zehn Dezibel reduzieren. Mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, könne auch nur mit Akzeptanz der Bevölkerung gelingen, erläuterte Bayaz. Die Grünen wollten die Verkehrsanteile auf der Schiene deutlich erhöhen. Dazu bedürfe es aber einer leistungsfähigen Infrastruktur und besserer Betriebskonzepte, gab Gastel zu bedenken. Mehr Güterverkehr durchzusetzen, gleichzeitig den Lärmschutz zu beachten und dabei Regionalverkehr, Fernverkehr und Güterverkehr zu trennen, "ist eine komplizierte Kunst". Er sei gespannt, was die nächsten Planungsschritte bringen. Die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, den Schienenlärm bis zum Jahr 2020 zu halbieren. Davon ist man noch weit entfernt.

Bahnhof Neulußheim: Auch der barrierefreien Umbau der Bahnhöfe ist ein großes Thema in der Region. Dass da auch noch vieles im Argen liegt, bekam die Gruppe in Neulußheim zu sehen. Bürgermeister-Stellvertreter und CDU-Fraktionsvorsitzender Norbert Jakobi sprach am Bahnhof vom "größten Ärgernis der Gemeinde". Der über Jahre geplante barrierefreie Ausbau ist nämlich zum Stillstand gekommen: "Im April hätte alles fertig sein sollen. Jetzt stehen nur der Sockel des Fahrstuhls und die Treppe ohne Dach. Nun teilte uns die Bahn mit, dass es nicht klar ist , ob es dieses Jahr überhaupt noch weitergeht. Es sei kein Zeitfenster vorhanden, um bauen zu können. Das ist ein Skandal. Die Bahn hat nur Ausflüchte parat."

Die Bundestagsabgeordneten Bayaz und Gastel versprachen, in Berlin nachzufassen. "Wir wollen einen konkreten Termin, wann es weitergeht", forderte Jakobi. Kritik übten die Parlamentarier daran, dass in der Vergangenheit Bundesmittel zur Bekämpfung des Lärms nicht abgerufen worden seien. Die Deutsche Bahn müsse ihre Planungen beschleunigen und Genehmigungsverfahren vereinfachen.

Manfred Kern dankte den Teilnehmern der dreistündigen Radtour: "In Neulußheim ist das Land als Aufgabenträger für den Schienennahverkehr mit im Boot. Hier gibt es Planungsfehler der Bahn. Unsere Geduld wird überstrapaziert. Hoffentlich kommt der Aufzug bald. Die Güterzüge müssen leiser werden." Danyal Bayaz sieht "akuten Handlungsbedarf". Planungszyklen bei der Bahn seien manchmal besonders lang, aber der Geduldsfaden reiße langsam. "Die Mittel, die für den Lärmschutz erhöht werden, müssen auch wirklich abrufbar sein und den Menschen zu Gute kommen." Sein Fraktionskollege Matthias Gastel lobte die "sehr engagierte und gut informierte Bürgerschaft. Menschen dürfen nicht in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt, Lärmschutz muss konsequent berücksichtigt werden", versprach der Bahnexperte, bald wieder in die Region zu kommen.

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