Schafsriss in Südhessen

Rückkehr des Wolfs sorgt Odenwälder Schäfer

Züchter fürchten finanzielle Einbußen und kritisieren hohe Kosten für Schutzmaßnahmen - Land Hessen: Bejagung ist unangemessen

10.12.2017 UPDATE: 11.12.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden

Bernd Keller, Erster Vorsitzender des Odenwälder Schäfervereins, sagt, der Mehraufwand, um die Tiere vor dem Wolf zu schützen, sprenge den finanziellen Rahmen. Foto: Dedert

Von Stephen Wolf

Hesseneck. Der Wind pfeift an diesem kalten Dezembertag über den Sportplatz von Kailbach. Die Weide, auf der ein Wolf vor wenigen Tagen acht Schafe gerissen hat, liegt nur einen Steinwurf davon entfernt. Wohnhäuser stehen direkt am Rand der großen Wiese. 150 Jahre galt der Wolf im Odenwald, der sich über Teile von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern erstreckt, als ausgerottet. Dass ein solches Tier in dem kleinen Ortsteil der südhessischen Gemeinde Hesseneck Schafe gerissen hat, gibt einer Anwohnerin zu denken.

Zwar habe der "graue Jäger" seine Daseinsberechtigung, sagt die 53 Jahre alte Frau. Problematisch werde es aber, wenn ein solches Raubtier die Scheu vor dem Menschen verliert, gibt sie zu bedenken. "Ich habe ein mulmiges Gefühl, vor allem wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe", fügt die Frau fröstelnd hinzu. Seit wenigen Tagen ist es Gewissheit, dass mindestens ein Wolf durch die Wälder zwischen Hessen, Bayern und Baden-Württemberg streift. Nach dem Fund toter Schafe und einer verendeten Ziege an drei Stellen bestätigten genetische Untersuchungen des Senckenberg Instituts Ende November den Verdacht.

Unklar ist, ob an den Orten - wie in Kailbach wurden Nutztiere auch in Mossautal und im Erbacher Stadtteil Lauerbach getötet - ein einziger Wolf zugeschlagen hat oder ob es sogar mehrere der Beutegreifer waren. Unter den Schäfern macht sich nun Unruhe breit. Einige sagen, ein "Problemwolf" treibe sein Unwesen und müsse gejagt werden. Dazu gehört auch Dietrich Kübler aus Mossautal. Der 67 Jahre alte Landwirt und Jäger konnte vor wenigen Wochen gemeinsam mit seiner Frau beobachten, wie sich ein Wolf eine seiner Ziegen und ein Schaf geschnappt hat. Und das ganz in der Nähe des Ortsteils Hüttenthal.

"Dass ein Wolf sich so dicht an menschliche Behausungen wagt, spricht für ein problematisches Verhalten", gibt sich Kübler überzeugt. Das sei gefährlich und verunsichere die Menschen, sagt der Odenwälder, der unter anderem Ferienwohnungen und einen Zeltplatz betreibt. Das bedeute nicht, dass er das Existenzrecht des Wolfes in Deutschland grundsätzlich infrage stellen wolle, betont er. Das Raubtier dürfe sich nur nicht unkontrolliert vermehren.

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Das sähen viele Schäfer so, betont Bernd Keller. Der 59 Jahre alte Mann ist Erster Vorsitzender des Odenwälder Schäfervereins und kennt die Sorgen der 120 Mitglieder. "Viele Tierhalter fürchten finanzielle Einbußen", berichtet der Schäfermeister. Der nötige Mehraufwand, um Schafe vor dem Wolf zu schützen, sprenge den finanziellen Rahmen. Herdenschutzhunde seien teuer, Zäune lerne der Wolf mit der Zeit zu überwinden. Und für die aus seiner Sicht zu geringe finanzielle Förderung durch das Land sei im Moment ein unverhältnismäßig großer bürokratischer Aufwand nötig. Ähnlich argumentiert Bernd Walther, der Schafe züchtet. "Vor allem mit problematischen Tieren gibt es für uns Tierhalter kein gemütliches Nebeneinander", warnt er. Notfalls müssten "Problemwölfe" gejagt werden.

Aus Sicht des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie aber auch für die Umweltverbände Nabu und BUND gibt es aber überhaupt kein Anzeichen dafür, dass ein "Problemwolf" oder gar mehrere von ihnen im Odenwald unterwegs sind. So sei es für das schlaue Tier ganz normal, dort zuzuschlagen, wo es den geringsten Aufwand fürchten muss, sagt ein Sprecher des BUND.

Die hessische Wolfsbeauftragte und Diplom-Biologin Susanne Jokisch vom Hessischen Landesamt weist darauf hin, dass die Koppeln im Odenwald in zwei von drei Fällen nur an drei Seiten geschlossen gewesen seien. In einem weiteren Fall sei eine Weide nicht sachgerecht - also durch einen Elektrozaun - geschützt gewesen. Bei den Vorfällen könne man auch nicht von einer Distanzlosigkeit des Wolfs gegenüber den Menschen sprechen, heißt es aus dem Landesamt. Wäre es so, dass ein Tier sich wiederholt den Menschen auf kurze Distanz - also weniger als 30 Meter - nähere, müsse man prüfen, was zu tun ist.

Aktuelle Forderungen nach einer Bejagung seien aber "ungerechtfertigt und unangemessen". Die Experten erinnern daran, dass Wölfe streng geschützte Tiere sind, die unter das nationale und internationale Artenschutzrecht fallen. Die Diskussion um den Wolf im Odenwald wird noch weitergehen.

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