Die gesperrte Brücke trifft die Menschen hart
Mit dem Shuttlebus zur Schule - VRN arbeitet noch an Verkehrskonzept

Von Sebastian Blum
Hockenheim. "Was Sie heute vorstellen, kommt einfach zehn Jahre zu spät." Ein Mann Ende 40 hat sich aus seinem Stuhl erhoben. Seine Stimme ist fest, der Ton beinahe vorwurfsvoll. "Es geht schließlich um die Lebensader Salierbrücke, die können Sie nicht einfach kappen." Über 100 Bürger in der Hockenheimer Stadthalle applaudieren laut. Karin Mihatsch steht vorne auf der Bühne und kommt ganz schön ins Schwitzen.
Die Baureferentin vom Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe stellt sich wacker den Fragen und Sorgen der Besucher aus dem Horan-Gemeindeverbund. Die Bürger trifft es mitunter am härtesten, wenn die Salierbrücke (Bundesstraße B39) Anfang des nächsten Jahres dicht gemacht wird. Ihren Ärger darüber wollen nicht alle verbergen.
Kein Neubau: Mihatsch braucht einen langen Atem. Ist die Sanierung für das RP längst "alternativlos", fordern die Anwesenden eine neue Brücke. Doch etwaigen Wünschen und Hoffnungen schiebt die Baureferentin einen Riegel vor: Zu teuer, zehn Jahre Vorlaufplanung, spezielle Baubedingungen wegen der Nähe zum Rhein. Hockenheims Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg hatte zu Beginn noch versucht, dem Thema Neubau etwas Wind aus den Segeln zu nehmen. Er richtete das Wort an den Bundestagsabgeordneten Olav Gutting (CDU) und den Landtagsabgeordneten Daniel Born (SPD). "Tun Sie alles dafür, dass bereits jetzt ein vierspuriger Neubau in die Wege geleitet wird, denn die Sanierung hält ja nicht ewig." Viele applaudierten. "Ja", ruft ein Mann, "das liegt an den Lkw".

Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg erklärte eingangs die Notwendigkeit der Sanierung. Foto: Lenhardt
Nerviger Schwerlastverkehr: Das Thema Schwerlastverkehr belastet Brücke und Bürger. Die Schuld für deren maroden Zustand haben eben mitunter die Lkw. In den Beratungen des Baudezernats gab es laut Mihatsch Ingenieure, die die Brücke sofort sperren wollten. "Wieso hat man die Lkw nicht schon längst verboten?", fragt ein älterer Herr. Die in den vergangenen Jahren stark gestiegene Belastung durch Lkw hatte das RP bis vor zwei Jahren noch nicht auf dem Schirm. Für die Bürger bedeutet dieses Eingeständnis: Das hat das RP verschlafen. Mihatsch begründet: "Es gibt eine relativ neue Nachrechnungsrichtlinie vom Bund, deshalb ist das Ausmaß der Sanierungsarbeiten erst im vergangenen Sommer klar geworden."
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Hintergrund
Die wichtigsten Zahlen und Fakten zur Salierbrücke - von der Dauer der Sanierung bis zur Haltbarkeit - auf einen Blick:
Die Salierbrücke wurde im November 1956 eröffnet.
Der Zustand der Brücke ist kritisch. Die aktuellen Berechnungen weisen
Die wichtigsten Zahlen und Fakten zur Salierbrücke - von der Dauer der Sanierung bis zur Haltbarkeit - auf einen Blick:
Die Salierbrücke wurde im November 1956 eröffnet.
Der Zustand der Brücke ist kritisch. Die aktuellen Berechnungen weisen massive Mängel in der Statik auf. Das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe gibt Verschleiß und Witterungsschäden an. Wie Jürgen Skarke, Abteilungspräsident Straßenwesen und Verkehr beim RP, auf der Bürgerinformationsveranstaltung erklärte, wird die Statik der Brücke deshalb ein bis zwei Mal im Jahr geprüft.
Die Sanierung der Salierbrücke dauert voraussichtlich 26 Monate und beginnt im ersten Quartal 2019.
Die Kosten liegen bei insgesamt etwa sechs Millionen Euro.
Durchfahrtsmöglichkeiten bestehen für Rettungskräfte und den Öffentlichen Nahverkehr. Der VRN richtet einen Shuttleverkehr mit Kleinbussen ein.
Die Haltbarkeit der Sanierung liegt nach Angaben der RP-Vertreter bei etwa 20 bis 25 Jahren. Danach "müsse man wieder schauen". Zum Vergleich: Einem Neubau rechnet das Baudezernat etwa 60 stabile Jahre zu.
Fährverkehr über den Rhein wird nicht eingerichtet. Das RP ließ sich einen Kostenvoranschlag ausstellen. Demnach koste der Fährverkehr bei zwölfstündigem Betrieb etwa 1,9 Millionen Euro - Kosten, die der Bund nicht übernehmen würde.
Der Lußhof-Knotenpunkt wird ab 2020 um ein paar Meter verschoben, um breitere Fahrbahnen zu schaffen. (sbl)
Forderungen nach einer Sperrung der Brücke für Lkw nach der Sanierung weist Mihatsch dann auch entschieden zurück. Das liege an Industriegebieten und Logistikzentren in Hockenheim und Speyer. Dort sind Supermärkte, die beliefert werden, rund um die Uhr. Und nach der Sanierung sei die Brücke wieder tragfähig. Schwerlastverkehr wird den Rhein also auch nach der Baumaßnahme über die B 39 passieren.
Das vorläufige Verkehrskonzept: Doch während der Arbeiten ist die Brücke für Pkw und Lkw gesperrt. Ein Mann aus dem Publikum: "Man kann doch keine Aorta durchschneiden und hoffen, dass die anderen Adern die Arbeit machen." Leute applaudieren erneut. Bevor Mihatsch das Verkehrskonzept vorstellt, mahnt sie zur Geduld: "Die ersten beiden Wochen einer neuen Verkehrsführung bringen Staus mit sich. Das pendelt sich danach aber ein."
Die brennende Frage im Publikum lautet daraufhin: Wird die Autobahn A61 während der Sanierung wenigstens sechsspurig? Das RP hält sich diese Möglichkeit offen. Zunächst bleibt sie aber vierspurig. Zur Verkehrsregelung wird an der Anschlussstelle Hockenheim eine Ampel eingerichtet.
Etwas positiver aufgefasst haben die Besucher dann die Entscheidung des RP, Shuttlebussen und Rettungskräften während der Bauzeit Durchfahrtsrecht zu gewähren. Für Eltern im Publikum wenigstens etwas: Ihre Kinder kommen mit dem ÖPNV in die Schule. Doch viele befürchten lange Wartezeiten und Verspätungen. Christian Wühl, Vertreter des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar, hat nicht nur beruhigende Worte übrig: "Auf den Schülerverkehr hat die Sanierung massive Auswirkungen."
Trotzdem arbeitet der VRN an einem Verkehrskonzept für betroffene Busse der Linie 717. Je nach Stoßzeit sollen Shuttlebusse die Kinder vom Parkplatz Lußhof zum Domplatz Speyer fahren.
Doch die genauen Details sind noch nicht ausgearbeitet. Und nicht nur deshalb verlassen viele Bürger am Ende die Stadthalle mit zuckenden Schultern. Sinnbildlich bleibt die Frage einer jungen Frau, ob man mit besserer Vorplanung die Verkehrsprobleme nicht hätte einfacher lösen können, unbeantwortet.