Verkehrswende mit E-Rollern und Nextbike
E-Roller stießen beim Maimarkt-Publikum auf reges Interesse - Fahrrad und Ruftaxi als Ergänzung zu Bus und Bahn

Das Leihfahrrad wird vor allem für kurze Strecken genutzt. Ob der Drahtesel bald Konkurrenz von E-Scootern und -Rollern bekommt, werden die Gesetzgeber im Mai entscheiden. Foto: Gerold
Von Heike Warlich-Zink
Mannheim. Wenn die Verkehrswende im urbanen Raum nachhaltig gelingen soll, dann müssen nach Ansicht von Mannheims Erstem Bürgermeister Christian Specht (CDU) Nah- und Individualverkehr so miteinander verschmolzen werden, dass ein "individueller ÖPNV" entsteht. Wer aus Bus und Bahn aussteigt, muss auf kurzem Weg aufs vorher gebuchte Fahrrad, Pedelec oder Lastenrad umsteigen oder bedarfsgerecht ein Ruftaxi ordern können. Wie gefragt im Bereich der urbanen Mobilität diese Ergänzung zu Bus und Bahn ist, belegt die Entwicklung des Fahrradverleihsystems Nextbike im Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN). 80 Prozent der Nutzer leihen ihr Rad über die App aus, Tendenz weiter steigend.
"Daraus ist zu folgern, dass für eine funktionierende Nahmobilität die Digitalisierung weiter ausgebaut werden muss, damit Informationen zu Standorten und Verfügbarkeit ebenso abgerufen werden können wie E-Ladestationen, Fahrplanauskünfte und Anfahrtsrouten", betont Specht am VRN-Maimarktstand. Als eine von fünf bis Ende 2020 mit Bundesmitteln geförderte Modellstadt wolle Mannheim die Mobilitätswende auf den Weg bringen und die Luftbelastung durch Stickstoffdioxid reduzieren, so Specht. Vor allem aber sollen durch attraktive und verknüpfte Angebote neue Fahrgäste für den ÖPNV gewonnen werden.
In Mannheim aufs Leihfahrrad steigen, in Ludwigshafen an einer Station wieder abstellen und weiter zum Arbeitsplatz laufen. 17 Städte in der Metropolregion Rhein-Neckar sind aktuell Teil des Systems, das weiter ausgebaut werden soll. 1200 Räder rollen, 220 Stationen - die meisten nicht mehr als 500 Meter voneinander entfernt - sind eingerichtet. "Es boomt", lautet das Fazit von Projektmanager Onur Semerci in Anbetracht von 306.400 Ausleihen im Jahr 2018, was einer Steigerung von 41 Prozent entspreche. Die Räder würden in erster Linie für kurze Strecken genutzt. 81 Prozent der Fahrten dauern weniger als 15 Minuten.
Als wichtig für den Erfolg eines flächendeckenden Fahrradverbundsystems bezeichnet VRN-Geschäftsführer Volkhard Malik die Kooperation mit Unternehmen und Hochschulen. Den Individualverkehr will er "frühzeitig an Park + Ride-Plätzen abfangen", um Innenstädte und Ortskerne zu entlasten. "Idealerweise auf solchen, die Autofahrer nicht auf gut Glück ansteuern, sondern per App abrufen können, ob ein Platz frei ist." Noch in diesem Jahr werden dafür einige P+R-Parkplätze im Kreis Bergstraße entlang der Weschnitztalbahn mit entsprechenden Sensoren ausgerüstet. Ob künftig E-Roller und E-Scooter eine größere Rolle spielen werden, macht Christian Specht davon abhängig, welche Vorgaben der Gesetzgeber hinsichtlich ihrer öffentlichen Nutzung Mitte Mai beschließt.
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Die Anbieter auf dem Maimarkt jedenfalls berichten von einem regen Interesse an den Rollern mit Elektroantrieb. Einer von ihnen hat aktuell bereits die allgemeine Betriebserlaubnis und trägt ein Versicherungskennzeichen: der BMW X2City, eine Gemeinschaftsproduktion von BMW und Kettler.
Im Unterschied zu den vollautomatisch startenden und nur auf Privatgrund erlaubten E-Scootern wird dieses Gefährt per Muskelkraft - wie bei einem herkömmlichen Tretroller - auf circa 6 km/h beschleunigt. Mit Treten auf das Pedal wird Kontakt zum Motor hergestellt.
Der E-Roller hat vier Geschwindigkeitsstufen und fährt maximal 20 Kilometer pro Stunde. Das Gefährt ist einfach zu handhaben, wie der Selbstversuch zeigt, und mit 20 bis 30 Kilometern Reichweite eine gute Alternative, um in der Stadt schnell von A nach B zu kommen - mangels Gepäckträger jedoch höchstens fürs Minimalshopping geeignet.
Ist die Batterie leer, ist der Roller laut Händlerangabe nach 4,5 Stunden an der Steckdose wieder einsatzbereit.