Zeuge sagt, es gab weitere falsche Schnitte in Rohre
Prozess um BASF-Unglück: Obermonteur kann allerdings keine Details nennen - Leitungen inzwischen mit Banderolen gekennzeichnet

Bei der Explosion am 16. Oktober 2016 auf dem Gelände des Chemiekonzerns BASF starben fünf Menschen. Archiv-Foto: Einsatzreport Südhessen
Von Alexander Albrecht
Frankenthal. "Überkorrekt", zuverlässig und stets die Sicherheitsvorschriften penibel einhaltend, eben ein "Top-Mann" - so beschreibt der Obermonteur einer Rohrleitungsbaufirma seinen Kollegen, der im Frankenthaler Prozess um die schwere Explosion bei der BASF auf der Anklagebank sitzt. Der 64-jährige Schweißer soll durch einen Schnitt in eine mit leicht entzündlichem Gas gefüllte Pipeline das Unglück mit fünf Toten und 44 Verletzten verursacht haben.
Er will sich erst nach sämtlichen Zeugenaussagen zu den Vorwürfen äußern. Sein Vorgesetzter berichtet, der Leiharbeiter sei heute ein "Wrack", dessen Hände schon zitterten, wenn er nur einen leichten Gegenstand wie ein Glas halte. Dass der seit der Explosion arbeitsunfähige Mann am 17. Oktober 2016, dem Tag der Tragödie, tatsächlich einen Fehler gemacht hat, habe ihm bislang niemand beweisen können, sagt der erfahrene Rohrleitungsbauer.
Wenige Stunden vor dem Unglück habe er den Kollegen noch eingewiesen und die Schnittstellen auf der zu bearbeitenden Propylenleitung mit Kreide markiert. "Zur Sicherheit", sagt der 69-Jährige, vorgeschrieben gewesen sei das nicht. Auftrag des Arbeitstrupps war, einen Dehnungsbogen auszutauschen. Dass dieses Rohr leer war, hätten zuvor drei Probebohrungen ergeben. Dieses Verfahren sei Standard, erklärt der Vorarbeiter, "wir sind ja schließlich keine Glücksritter". Wie der Kollege das Stück herausflext, sei seine Sache gewesen. In dem Rohrleitungsgraben im Nordhafen der BASF verliefen damals knapp 40 Pipelines mit hochexplosiven Gasen und Chemikalien, äußerlich kaum voneinander zu unterscheiden. Dennoch kann sich der Monteur nicht vorstellen, dass der Angeklagte etwas verwechselt habe.
Für Erstaunen sorgt der 69-Jährige mit seiner Aussage, es habe vor und sogar nach der Explosion falsche Schnitte an Rohrleitungen auf dem BASF-Gelände gegeben. Das will das Gericht genauer wissen. Richter, Staatsanwalt und Anwälte haken nach. Doch der Zeuge möchte keine Namen nennen und niemanden belasten. Nachdem ihn die Richter auf seine Auskunftspflicht hingewiesen haben, nennt er zwei Vorfälle. In einem Fall soll eine Schrottfirma bei Abwrackarbeiten ein falsches Rohr angeschnitten haben und ein Produkt ausgetreten sein, sich jedoch nicht entzündet haben. All das sei ihm in "größerer Runde" zugetragen worden. Hörensagen.
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Nach der Tragödie hat die BASF ihre Sicherheitsvorschriften geändert: So werden nach Angaben einer Führungskraft die Rohre nicht mehr mit Filzstiften, sondern mit Banderolen markiert. Diese müssten nun immer von zwei Mitarbeitern unterschrieben werden. Der Brandsicherungsposten einer weiteren externen Firma hatte erklärt, dass bei dem Unglück Brandschutzdecken lediglich über einen Kabelschacht, nicht jedoch über die Rohre gelegt worden seien.