Streit um Verkehrsversuch bei Debatte bei IHK
Drei OB-Kandidaten debattierten. Die Schranke in der Fressgasse öffnet am Freitag.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Fortsetzen, anders machen, beenden? Kein anderes Thema wird in der Stadt so hitzig und emotional diskutiert wie der Verkehrsversuch in der City – beim "Wirtschaftscheck" der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar anlässlich der Oberbürgermeisterwahl am 18. Juni war das nicht anders. Rund 120 Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen und Verbänden fühlten den drei aussichtsreichsten Kandidaten auf den Zahn: Raymond Fojkar (Grüne), Thorsten Riehle (SPD) und Christian Specht (CDU).
IHK-Präsident Manfred Schnabel skizzierte gleich zu Beginn die entscheidende Herausforderung, die ein wenig an die Quadratur des Kreises erinnerte. Wie soll – was alle wollen – der Durchgangsverkehr rausgehalten, Kunden und Mitarbeiter der Geschäfte aber gleichzeitig ungehindert ihr Ziel erreichen und der Handel gestärkt werden? "Nein": Überraschend klar antwortete Specht auf die Frage, ob er für eine dauerhafte Fortsetzung des im März nach einem Jahr beendeten Versuchs mit Autosperren in der Kunststraße und der Fressgasse ist.
Der Erste Bürgermeister kritisierte, das "Experiment" sei in die Zeit des gesperrten Fahrlachtunnels gefallen und liefere keine verlässlichen Vergleichsergebnisse. Specht sah für die Stadt einen "fatalen Reputationsschaden" und gab die Erreichbarkeit der Quadrate als oberstes Ziel aus. Änderungen bei der Verkehrsführung kann sich Specht nur in Abstimmung mit den Innenstadtbetrieben vorstellen. So wie man das 1975 gemacht habe, als die Planken zur Fußgängerzone wurden.
Riehle sagte, eine Entscheidung, wie es weitergehe, solle der Gemeinderat nicht schon in den kommenden Wochen treffen, wenn die Stadt die Ergebnisse der Evaluation des Versuchs durch eine Fachfirma vorstellen will. Der SPD-Fraktionschef möchte sich dafür Zeit nehmen und wie Specht Händler und Gastronomen mit einbeziehen.
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Riehle mahnte die Einführung eines digitalen Parkleitsystems einschließlich intelligenter App an. Der Versuch sei "grottenschlecht kommuniziert" worden, watschte er das Dezernat seines Parteifreunds und Bürgermeisters Ralf Eisenhauer ab. Und vom Stadtmarketing hätte sich Riehle gewünscht, den gesperrten Abschnitt in der Fressgasse zu bespielen. "Wo waren denn die Streetfoodstände oder kleinere Konzerte?", fragte er sich.
Fojkar warf Specht vor, den Versuch am liebsten in der Schublade verschwinden zu lassen. Der Grünen-Stadtrat kann sich vorstellen, Abschnitte, wo früher Parkplätze waren, nicht nur Gastronomen, sondern auch den Händlern für Aktionen zur Verfügung zu stellen. Kritischen Selbstständigen sagte er, sie hätten nichts davon, wenn jemand zwei Stunden vor ihrem Geschäft parke und dann "irgendwo in der Stadt verschwindet". Generell hält der Kinder- und Jugendpsychiater das Projekt "für nicht schlecht", allerdings die Rahmenbedingungen.
Laut Andreas Hilgenstock, Geschäftsführender Gesellschafter beim Modehaus Engelhorn, hat der Zwölfmonatstest Kunden gekostet, sei ohne Kampagne, völlig intransparent und inmitten mehrerer Baustellen durchgeführt worden.
Noch ist die Versuchsanordnung nicht ganz verschwunden, versperrt eine Schranke in der Mitte der Fressgasse Pkw-Lenkern die Weiterfahrt. Warum das Öffnen so lange dauere, wollten die Unternehmer wissen. "Nach meinem Verständnis könnte die Schranke schon längst offen sein", sagte Riehle, "ich habe deshalb bereits zwei Mal bei der Stadtverwaltung nachgefragt und keine Antwort bekommen".
Das wollte Specht so nicht stehen lassen. Der Gemeinderat sei schließlich Teil der Verwaltung, und es bedürfe nur eines Anrufs Riehles bei Verkehrsbürgermeister Eisenhauer, um zu erfahren, wann sich die Schranke hebt. Fojkar betonte, vor dauerhaften Änderungen müssten schon rein kommunalrechtlich die Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden. Eisenhauers Ressort hat mittlerweile den Innenstadtbetrieben mitgeteilt, dass die Schranke an diesem Freitag geöffnet wird.
Einiger waren sich die Kandidaten darin, dass bei der ökologischen Transformation ehrgeizig gehandelt werden müsse – ohne dass die Wirtschaftskraft verloren geht. Und keiner von ihnen will die Gewerbesteuer erhöhen. Allerdings halten Riehle und Fojkar eine Neuverschuldung für denkbar, um damit Bildungsprojekte wie den Bau der neuen Stadtbibliothek zu finanzieren. Der Kämmerer Specht ist gegen weitere Kreditaufnahmen und will "Maß halten". Die Stadt sei schon hoch verschuldet.
Beim Thema Wohnraum machte Alexander Langendörfer, Chef des Bauunternehmens Diringer&Scheidel, darauf aufmerksam, dass Innenverdichtung teuer und schwierig sei. Für Riehle sind das Schließen von Baulücken, Dachausbauten und die Umwandlung brachliegender Gewerbegebiete Mittel der Wahl. Fojkar verwies auf Überkapazitäten in Hotels und Leerstände in Büros. Specht kann sich Arrondierungen für Wohnzwecke in manchen Stadtteilen vorstellen.




