Nach Angriff auf OB Gummer

Bürgermeister aus der Region fühlen sich sicher

"Ich will ein Bürger unter Bürgern sein" - Bürgermeister sehen aber Verrohung vor allem im Umgangston

17.07.2019 UPDATE: 18.07.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 2 Sekunden
Dieter Gummer. Foto: Dany Schleicher/Stadtverwaltung Hockenheim

Heidelberg. (RNZ) Nein, Angst verspüren die Verwaltungschefs nicht. Sie fühlen sich auch nach der Attacke auf den Hockenheimer Oberbürgermeister Dieter Gummer noch sicher in ihren Städten und Gemeinden. Das ergab eine stichprobenartige Umfrage der RNZ-Redaktionen in der Region. Aber die Tat hat die Bürgermeister geschockt und nachdenklich gemacht. Auch über den Umgangston in der Gesellschaft sorgen sie sich.

Er sei total entsetzt gewesen, sagt Wieslochs Oberbürgermeister Dirk Elkemann: "Wir kennen uns persönlich, da fühlt man ganz besonders mit." Noch kenne man die Motivation des Täters nicht. Die Tat, so Elkemann, scheine sich aber in ein Klima einzufügen, in dem "Entscheidungsträger schneller angegriffen" würden. Das hänge auch damit zusammen, dass populistische Äußerungen Hochkonjunktur haben. "Ich persönlich fühle mich sicher. Aber man macht sich schon Gedanken und fragt sich, ob das auch hier passieren könnte".

Auch für Walldorfs Bürgermeisterin Christiane Staab war die Nachricht "ein riesiger Schock". Sie wünsche Dieter Gummer, "dass er schnell wieder auf die Beine kommt." Für sie gehöre es zu den schlimmsten Vorstellungen, auf dem eigenen Grundstück angegriffen zu werden. Dennoch fühle sie sich genauso sicher wie vorher: "Wenn ich hier morgens mit Angst antreten würde, müsste ich zuhause bleiben." Staab sagt, sie wolle allen Bürgern weiterhin "unbefangen, freundlich und fröhlich entgegentreten". Unmut könne man an der Wahlurne äußern. Allerdings sieht sie mit Sorge, dass das Thema Gewalt zunehme - sei es im ruppigen Umgangston von Briefen oder in E-Mails an die Stadtverwaltung.

Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just äußert sich auf Anfrage auch dazu, dass die Adressen von Verwaltungschefs in der Regel öffentlich bekannt sind. Diese geheim zu halten, ist für ihn offenbar keine Lösung: "Ich will ja auch bewusst ein Bürger unter Bürgern sein, mit einer normalen Adresse, die man herausfinden kann. Es wäre doch schlimm, wenn Bürgermeister dadurch eine abgehobene Position einnehmen müssten. Deshalb muss die Adresse ja auch schon auf dem Stimmzettel vermerkt sein. Außerdem darf man sich wohl nichts vormachen: Wenn jemand mit krimineller Energie so etwas plant, dann findet er auch die Adresse heraus." Bedroht fühle er sich jetzt nicht, so Just: "Aber man hat im Zuge dieses Angriffs gelernt, dass man nie etwas ausschließen kann."

Ähnlich sieht es Osterburkens Bürgermeister Jürgen Galm: "Noch fühle ich mich sicher, aber offensichtlich kann man sich nie ganz sicher sein." Es sei erschreckend, wie eine Person, etwa ein Bürgermeister, als Ziel von Angriffen ausgemacht werde, bei denen auch persönliche Probleme dahinterstehen könnten. Galm sieht eine Verrohung des verbalen Umgangs. Außerdem fehle es an Respekt voreinander. Das manifestiere sich zum Beispiel auch bei Übergriffen auf Polizeibeamte: "Vor dem Hintergrund der Verrohung der Sitten ist das, was früher zu streng war, heute vielleicht zu locker."

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Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann räumt ein, dass ihm der Angriff auf Gummer nachgeht. Zwar habe er im Laufe seiner Amtszeit auch schon mal Drohungen bekommen. Auch vom ein oder anderen Kratzer im Auto oder darauf geklebten Kaugummis berichtet Mosbachs Stadtoberhaupt. Mit der Attacke auf seinen Hockenheimer Kollegen sei aber - ganz gleich aus welcher Motivation heraus - eine Dimension erreicht, die "den Rahmen sprengt". Auch er sieht die "Verrohung der Kommunikation", vor allem in sozialen Medien, als eine mögliche Erklärung für den Gewaltausbruch.

Der Schwetzinger Oberbürgermeister René Pöltl sagt, durch den "unfassbaren Übergriff" habe sich an seiner Lebens- und Arbeitssituation nichts geändert. Doch auch Pöltl hat schon bedrohliche Situationen erlebt, wie er erzählt. Sei es damals als Ordnungsamtsleiter in Heidelberg oder erst als Bürgermeister und später als OB in Schwetzingen. Zuletzt sei er vom Mieter einer städtischen Wohnung in einer Bürgersprechstunde massiv bedroht worden: "Es war sehr knapp vor einem körperlichen Übergriff", berichtet Pöltl. Dem Bürger hätten seine Antworten zu dessen Anliegen nicht gepasst: "Dann ist er ausgeflippt". Letztlich sei es bei massiven verbalen Beleidigungen geblieben. Der Mann erhielt ein mehrmonatiges Hausverbot für das Rathaus. Pöltl verzichtete auf eine Strafanzeige.

In Brühl vermittele die Gemeinde für Amtsträger aus Verwaltung oder Gemeinderat, die bedroht oder angegriffen wurden, Fortbildungsmöglichkeiten des "Studieninstituts Rhein-Neckar", wie Brühls Bürgermeister Ralf Göck auf Nachfrage sagt. Er selbst sei nach der Tat gegen Gummer gewarnt: "Nach dem Vorfall mache ich nicht mehr so schnell die Tür auf."

In der Hockenheimer Kommunalpolitik herrscht Entrüstung quer durch die Gemeinderatsfraktionen. Sowohl Grünen-Sprecher Adolf Härdle als auch SPD-Stadtrat Richard Zwick berichten von eigenen Bedrohungen. Von zerstochenen Reifen bis hin zu Beleidigungen habe er schon alles erlebt, so Härdle. Und Zwick erzählt, man habe ihm schon einmal mit dem Satz "Wir wissen, wo Du wohnst" Angst gemacht. Auch CDU-Stadtrat Markus Fuchs hat schon verbale Anfeindungen erlebt. Aber das sei natürlich kein Vergleich zu dem, was Dieter Gummer widerfahren sei.

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