Weinheim: Wenn Bürger unter Bahnlärm leiden

Ein Gutteil der Weinheimer Stadtbevölkerung gilt als lärmgestresst - Mit dem Thema Bahnkrach ist die Zweiburgenstadt nicht allein

11.07.2016 UPDATE: 12.07.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden

Ein Güterzug fährt an der Weinheimer Nordstadt vorbei. Immerhin gibt es hier eine vollständige Lärmschutzwand - was keineswegs selbstverständlich ist. Dennoch ist die Zweiburgenstadt laut Eisenbahnbundesamt lärmsaniert. Foto: Kreutzer

Von Günther Grosch und Philipp Weber

Rhein-Neckar. Eigentlich haben sie alles, die Weinheimer. Die tipptop sanierte Innenstadt, das malerische Gerberbachviertel, die zwei Burgen, den "italienischsten" Marktplatz nördlich der Alpen. Demnächst wird auch noch ein Fachmarktzentrum mit Bau- und Elektromärkten fertig. Aber ein Problem bleibt: In Sachen Straßen- und vor allem Bahnlärm zählt die Bergstraßenperle zu stärker betroffenen Kommunen in einer ohnehin schon verkehrsreichen Region.

Zurzeit führt das Weinheimer Amt für Stadtentwicklung die zweite Stufe des Lärmaktionsplans fort, der 2014 in Angriff genommenen wurde und im Herbst verabschiedet werden soll. Als "Auslösewerte" für einen vordringlichen Handlungsbedarf gelten tagsüber Lärmwerte von mehr als 70 und nachts von über 60 Dezibel. Im Ergebnis des Lärmaktionsplans haben sich mit Blick auf den Straßenlärm fünf "Hot-Spots" herauskristallisiert.

Für den Schienenverkehr weist die Analyse sogar acht Punkte aus, die voll auf die Ohren gehen. Gleich fünf davon befinden sich entlang der Bundesbahnstrecke Heidelberg-Darmstadt. Abgesehen von dem kurzen Teilstück zwischen Mannheim-Friedrichsfeld und Heidelberg ist diese Strecke Teil der Gütertransversale Rotterdam-Genua. Etwa alle fünf Minuten saust ein Güterzug durch Weinheim, was vielen Bewohnern schlaflose Nächte und Kopfschmerzen bereitet. Schlimmer noch: Lärm schädigt auf Dauer auch das Herz.

Drei weitere Stress-Punkte befinden sich entlang der RNV-Stadtbahnlinie Mannheim-Heidelberg. Vordringliches Problem aber bleibt die Bundesbahnlinie: "Das inzwischen fertiggestellte Lärmgutachten für die Stadt Weinheim zeigt, dass ein Viertel der Bevölkerung leidet", fasst die Weinheimer Bürgerinitiative "Schutz vor Bahnlärm" zusammen. Abhilfe scheint hier in ebenso weiter Ferne, wie in vielen anderen Kommunen in der Region. Was den Schienenverkehr und hier speziell die Forderung nach einem Fahrverbot für laute Güterwaggons betrifft, liegt die Baulastträgerschaft beim Bund, so die Auskunft der Stadt Weinheim: "Uns sind die Hände gebunden." Lärm mindernde Maßnahmen seien schwierig und nur sehr langwierig umzusetzen. Obwohl auch das Eisenbahnbundesamt selbst eine "starke Betroffenheit für Weinheim" eingeräumt hat. Allerdings habe die Lärmsanierung der Bahn hier bereits stattgefunden. Eine weitere sei nicht vorgesehen. Die Folgen sind beachtlich: Als die jüngste Fortschreibung der EU-rechtlich vorgeschriebenen Lärmaktionsplans anstand, waren den Weinheimer Ratsunterlagen Dutzende, zum Teil verzweifelte Bürgerschreiben beigefügt. Daraufhin machte sich Frust breit: Er halte das Vorgehen der Bahn für skandalös, so Wolfgang Wetzel, Arzt und FDP-Gemeinderat. Er zitiert Artikel zwei, Grundgesetz: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit."

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Diese Argumente bringen auch die Bürgerinitiativen an, die sich längst gegründet haben: "Wir sehen Bahnlärm als eines der kritischsten Umweltprobleme. Er macht krank, entwertet kommunale Infrastrukturen und vernichtet Vermögen", so eine Mitteilung der Interessengemeinschaft Bahnregion Rhein-Neckar 21 (IG BRN 21). Klar: Wer vor 30, 40 Jahren nahe der Bahnlinie gebaut hatte, konnte nicht ahnen, wie sehr sich der Güterverkehr verstärken würde. In der IG BRN 21 haben sich Initiativen aus Mannheim, Weinheim, Lampertheim und Hockenheim vereinigt. Ihr Vorbild ist ein ähnlicher Verbund in Südbaden. Nach Angaben der Aktiven ist es dort gelungen, die Bevölkerung in die Planungen der Bahn einzubeziehen.

Denn auch an Rhein und Neckar stehen Neuerungen an: Die Bahn will in eine Neubautrasse zwischen Mannheim und Frankfurt investieren. Von diesen Plänen sind laut IG BRN 21 auch die Zubringerstrecken massiv betroffen. In Weinheim klammert man sich an das Prinzip Hoffnung: "Durch den Einsatz von leiseren Güterwaggons sowie die geplante Neubaustrecke ist auf längere Sicht eine Entlastung aller Bewohner entlang des Schienenwegs zu erwarten", so die Stadt.

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