Gemeinsam Lärm machen, um für Ruhe zu sorgen

Bürgerinitiativen aus Mannheim, Weinheim und Lampertheim haben sich zusammengetan - Jetzt kämpfen sie für leisere Bahnstrecken

30.11.2015 UPDATE: 01.12.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden

Der Lärm durch Güterzüge ist zum Beispiel in Weinheim ein Problem. Foto: Kreutzer

Von Harald Berlinghof

Rhein-Neckar. Die Region Südbaden und die Interessengemeinschaft (IG) "Bohr" haben es vorgemacht: Die unter dem Motto "Bahnprotest an Ober- und Hochrhein" vereinten Bürger und die Politik haben den Bahntunnel unter Offenburg hindurch erzwungen. Kostenpunkt: rund 1,7 Milliarden Euro. In der Interessengemeinschaft sind ein Dutzend Bürgerinitiativen zusammengeschlossen, wie IG-Sprecher Roland Diehl gestern in Mannheim ausführte.

Auch in der Metropolregion Rhein-Neckar hat sich jetzt eine Interessengemeinschaft gegen Bahnlärm gebildet. Zur IG "BRN 21" (IG Bahnregion Rhein-Neckar 21) haben sich drei Bürgerinitiativen (BIs) mit zum Teil originellen Namen zusammengetan. Die Bürgerinitiative "Gesbim" steht für "Gesundheit statt Bahnlärm in Mannheim". Hinter der BI "Bila" versteckt sich die "Bürgerinitiative Lampertheim - Lebensraum vor ICE Trasse". Dritte im Bunde ist die Bürgerinitiative "Schutz vor Bahnlärm in Weinheim".

Gespräche über einen Beitritt zur IG finden derzeit mit der Hockenheimer "Biss" statt, der Bürgerinitiative "Stille Schiene". Rund 50 000 Menschen sollen in Mannheim vom nächtlichen Lärm der westlichen und östlichen Riedbahnstrecke geplagt sein. Etwa 10 000 "Bahnlärmopfer" gibt es in Weinheim. Und noch mal 10 000 in Hockenheim. Allein durch Weinheim donnern 75 Güterzüge pro Nach hindurch, alle sechs Minuten einer.

Die sogenannte Korridorstudie des Bundes hat noch einmal Öl ins Feuer gegossen, weil dort die sogenannte "Variante 1 c" favorisiert wird, die eine Trennung von schnellen und relativ leisen ICE-Zügen am Tag und lauten Güterzügen in der Nacht auf derselben Strecke zwischen Darmstadt und Karlsruhe vorsieht. Die jetzt gegründete Interessengemeinschaft strebt dagegen eine neue, reine Güterzugstrecke an, die bevorzugt durch siedlungsferne Gebiete verläuft, entlang der Autobahnen 67 und 6.

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Damit könnte auch Lampertheim leben, wo man die "Mack-Variante" quer durch das Waldgebiet südlich von Lampertheim als Zerschneidungsvariante und Super-GAU empfunden hat, wie Dekan Karl-Hans Geil von der "Bila" erklärte. Bürgermeister Gottfried Störmer betonte die einvernehmliche Zusammenarbeit zwischen Stadt und Bürgerinitiative.

Auch das Thema Lärmschutz steht auf der Forderungsliste der IG. Und wo es nicht anders geht, müssen eben Tunnel her. "Tunnel sind nur vermeintlich teuer", so der Offenburger IG-Sprecher Diehl: "Wir müssen wegkommen von der betriebswirtschaftlichen Denke der Bahn. Hin zu einer volkswirtschaftlichen Berechnung, in die alle externen Kosten einfließen", so Ex-Landrat Matthias Wilkes, der sich wie Diehl als Pate für die Gründung der IG zur Verfügung gestellt hat.

"Ein Bahntunnel kostet 60 Millionen Euro pro Kilometer, ein gedeckelter Trog etwa 30 Millionen Euro. Aber die externen Kosten sind höher, weil hier die Krankenkosten der Lärmgeplagten oder die Zerstörung von Immobilienwerten eingerechnet sind", so Gunther Mair ("Gesbim"). "Die Bahn muss unter die Erde. Das darf nicht am Geld scheitern", sagt der Mannheimer CDU-Stadtrat Konrad Schlichter, der 40 Jahre lang gegen Bahnlärm im Stadtteil Waldhof gekämpft hat.

Die Strecke zwischen Frankfurt und dem südbadischen Raum ist Teil der Achse Rotterdam-Genua, die mit der Fertigstellung des Gotthard-Basistunnels für Güterzüge in rund 15 Monaten noch einmal eine Verkehrsverdichtung erfahren wird. "Das Bundesverkehrsministerium rechnet bis 2030 noch einmal mit einer Zunahme des Güterverkehrs um 40 Prozent", so Wilkes. Seit Hartmut Mehdorn als Bahnchef den berüchtigten Satz aussprach, in dem er die Quadratestadt mit einer Milchkanne verglich, an der man mit den ICE-Zügen nicht extra Halt machen könne, steht die Region gemeinsam für den Erhalt des Bahnknotenpunkts.

Doch von der Beibehaltung des ICE-Bahnhofs Mannheim hat sich die Arbeit der Bürgerinitiativen immer stärker in Richtung Güterverkehr und Lärmreduzierung verlagert. Dieser inhaltlichen Ausrichtung will man jetzt mit Gründung der regionalen Interessengemeinschaft eine gemeinsame Stimme geben, die bei Bahn und Bund besser gehört wird.

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