Explosion bei BASF: Ludwigshafen fordert lückenlose Aufklärung

Stadt steht nach Unglück nicht mehr bedingungslos zur BASF - Staatsanwaltschaft stellt erste Untersuchungsergebnisse vor

21.10.2016 UPDATE: 22.10.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden

Seit gestern steht definitiv fest: Nach dem Explosionsunglück bei der BASF in Ludwigshafen wurden in den angrenzenden Stadtteilen keine Schadstoffe in gefährlicher Konzentration gemessen - weder von der Feuerwehr noch von der BASF-Umweltüberwachung. Foto: dpa

Von Wolf H. Goldschmitt

Ludwigshafen. Vier Tage nach der verheerenden Explosion im Chemiewerk der BASF Ludwigshafen ist der Feuerwehreinsatz am Ort der Katastrophe weitgehend abgeschlossen. Doch es bleiben viele Fragen. Die Beziehungen zwischen der Konzernspitze und dem Rathaus haben sich nach den zahlreichen Störfällen in jüngster Zeit mittlerweile merklich abgekühlt. "Der Vertrauensvorschuss, den die Kommune dem Unternehmen gegeben hat, ist durchaus erschüttert. Wir erwarten eine lückenlose Aufklärung wie dieses Unglück passieren konnte", machte gestern der städtische Beigeordnete Dieter Feid unmissverständlich deutlich. "Aus unserer Sicht müssen wir in den kommenden Wochen klären, was notwendig sein wird, um die Sicherheit von Anlagen im Stadtgebiet weiterhin zu erhalten", schlägt Umweltdezernent Klaus Dillinger in dieselbe Kerbe.

Die Staatsanwaltschaft Frankenthal leistet bereits einen Beitrag, um Licht ins Dunkel zu bringen. Mit ersten Ergebnissen: Kurz vor dem schwersten Betriebsunfall der vergangenen 60 Jahre habe eine Fremdfirma an einer später explodierten Leitung gearbeitet, so die der Ermittlungsbehörde. Dieses Rohr soll angeblich leer gewesen sein. Darüber habe es eine schriftliche Mitteilung der BASF gegeben.

Offensichtlich trauten die Arbeiter dieser Information nicht. Sie hätten den Zustand selbst überprüfen wollen und eine Probebohrung vorgenommen. Dabei ist es wohl zur Detonation der gefährlichen Stoffe gekommen. Drei Menschen starben bei der Katastrophe. Zwei davon waren Werksfeuerwehrleute; bei dem dritten, der am Mittwoch tot aus dem Hafenbecken geborgen wurde, handelte es sich um einen polnischen Matrosen, wie das Polizeipräsidium Rheinpfalz gestern nach einer Obduktion bei der Rechtsmedizin in Mainz mitteilte. Acht weitere Menschen - sechs Werksfeuerwehrleute und zwei Mitarbeiter einer Fremdfirma - sind noch immer schwer verletzt im Krankenhaus; sechs von ihnen befinden sich auf der Intensivstation.

Ob der Tod der beiden Feuerwehrmänner hätte verhindert werden können, die das Gemisch aus Ethylen und Propylen löschen wollten, bleibt offen. "Berufsrisiko", bedauert Feuerwehrchef Peter Friedrich. Doch es gibt auch Meinungen im Kollegenkreis, wonach eine rechtzeitige Information über die besondere Gefahr das Schlimmste vielleicht doch vermieden hätte.

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Die Ludwigshafener Floriansjünger waren mit rund 120 Mann im Einsatz. Von Null auf 100 hätten die Leute inklusive Messexperten für die Luftverschmutzung rekrutiert werden müssen, erinnert sich der stellvertretende Brandmeister Stefan Bruck an den Unglücksmorgen. Was aber hätte geschehen können, wenn die Wetterlage angesichts der gewaltigen Giftwolke nicht so günstig gewesen wäre? "Daran will ich lieber nicht denken", sagt Bruck. Denn im schlimmsten Fall hätte die ganze Bevölkerung im Ludwigshafener Norden evakuiert und in Notunterkünften untergebracht werden müssen. So bleibt es bei vereinzelten Meldungen von harmlosen Atemwegsbeschwerden.

"Eine Gefährdung der Bürger im Norden hat zu keinem Zeitpunkt bestanden", wiederholt Einsatzleiter Friedrich fast gebetsmühlenartig. Kritische Messwerte habe es nur in der Nähe der Explosionsstelle gegeben. Allerdings sei in der Luft der krebserregende Stoff Benzol nachgewiesen worden. Die fünf Messfahrzeuge haben laut Friedrich nur in der Nähe des Werksgeländes angeschlagen, nicht aber im restlichen Stadtgebiet.

"Wir haben uns schnell entschieden, sowohl über Sirenen als auch über Warn-Apps die Bevölkerung vorsorglich aufzufordern, Fenster und Türen zu schließen und den Aufenthalt im Freien zu meiden. In einer Situation, in der unklar ist, was genau geschehen ist und welche Stoffe möglicherweise freigesetzt werden, musste gelten: Sicherheit geht vor", erläuterte Feuerwehrchef Friedrich das Vorgehen, das allerdings für Verwirrung gesorgt hatte.

Unklarheit herrscht auch über die Frage, wer die Kosten für den Einsatz bezahlt. Peter Friedrich kryptisch: "Darüber müssen wir uns noch unterhalten".

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