Leben der Juden in Schwetzingen war einst ganz normal
Frank Uwe Betz hat Simon Eichstetters Buch "Geschichte und Familienbuch der Jüdischen Gemeinde Schwetzingen" transkribiert

Frank-Uwe Betz hat Simon Eichstetters Buch transkribiert. Foto: Lenhardt
Schwetzingen. (stek) Meist wird das jüdische Leben in der Stadt unter dem Blickwinkel der nationalsozialistischen Terrorherrschaft gesehen. Ein verständlicher Ansatz, wie Frank-Uwe Betz vom "Arbeitskreis Freundliches Schwetzingen" (AFS) betonte. Aber zugleich greife diese Sicht auch zu kurz. Denn jüdisches Leben sei mehr als nur eine von den Nationalsozialisten verursachte Leidensgeschichte. Und genau auf diese im Dunkel liegende Seite der jüdischen Geschichte wirft Betz mit seinem von Simon Eichstetter transkribierten Buch "Geschichte und Familienbuch der Jüdischen Gemeinde Schwetzingen" einen sehr umfassenden Blick.
Das Buch schrieb der Religionslehrer Eichstetter vor allem im Jahr 1901. Ziel war es, ein Bild der hier sehr aktiven jüdischen Gemeinde einzufangen und anhand eines Familienbuches mit zahlreichen Stammbäumen greifbar zu machen. Dabei macht Betz übrigens schon mit dem Titelbild klar, dass das Leben der Juden in Schwetzingen ein ganz normales Leben war. Das Geschwisterpaar Helen und Gertrud Schloss genoss im Frühling 1933 das kurfürstliche Hofstaat-Leben jedenfalls noch ganz offensichtlich.
Eichstetter ging in seinem Werk sehr geordnet vor. Neben Allgemeinen über die Stadt erläuterte er die Bemühungen der jüdischen Gemeinde um eine Synagoge, die dann in einem Saal des Nördlichen Zirkels verwirklicht wurde. Weiter behandelte er den Friedhof, die Ahnenreihe der Gemeindevorstände und die seit dem Jahr 1811 in Schwetzingen angestellten Lehrer.
Viele Menschen mit Träumen, Wünschen und dem Anspruch, dazuzugehören. Ein Ansinnen, das ihnen mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ab 1933 zunehmend und später gänzlich verwehrt wurde. In einem Begleitwort erläutert Betz eindrucksvoll die Zerstörung der jüdischen Gemeinde. Ein unwiederbringlicher Verlust, auf den Betz mit diesem Buch einmal mehr hinweist. Und dieses Hinweisen wird in Betz‘ Augen immer wichtiger.
Die letzten Zeitzeugen sterben, und bei nicht wenigen scheint sich über die Jahre 1933 bis 1945 eine Art Milchglasscheibe zu schieben. Man sieht nicht mehr genau hin und erklärt, dass sich das mit der Schuld erledigt habe. Nichts ist falscher. Betz geht es vor allem um Wissen und Verstehen - und letztlich eine daraus abgeleitete Verantwortung für die Zukunft.
Info: "Geschichte und Familienbuch der Jüdischen Gemeinde von Schwetzingen" von Simon Eichstetter und transkribiert von Frank-Uwe Betz. Erschienen im Regionalverlag unter ISBN-Nummer 978-3-95505-020-7.