"Turley" ist noch immer eine Großbaustelle
Fünf Jahre nach der Wiederbelebung ist die Entwicklung des ehemaligen US-Geländes ins Stocken geraten.

Von Marco Partner
Mannheim. In den roten Sandsteinkasernen brennt wieder Licht, auf neu errichteten Straßen sieht man Kinder spielen. Neben modernen Wohnkomplexen mit Holzfassade schießen würfelartige Wohnblöcke in die Höhe. Auf dem Turley-Gelände in der Neckarstadt-Nordost ist längt wieder Leben eingekehrt, ein urbaner Mix aus Wohnen, Arbeiten und gelebter Stadtteilkultur ist auf der Konversionsfläche am Entstehen. Doch auch fünf Jahre nach der Wiederbelebung ist das ehemalige US-Gelände immer noch eine Großbaustelle, und die Entwicklung ist aus Sicht der Erstbewohner ein wenig ins Stocken geraten.
"Turley-Barracks 1947-2007" steht auf der einen, "Kaiser-Wilhelm-Kaserne 1899-1947" auf der anderen Seite eines Torbogens geschrieben. Zur Rekrutenausbildung im Ersten und Zweiten Weltkrieg, als Unterkunft für Polizeieinheiten, und später als Standort eines Transportbataillons der US-Army sowie als Zweigstelle der "University of Maryland" diente das weitläufige Areal zwischen Herzogenried und Wohlgelegen. Nach Abzug der Amerikaner lag die Fläche brach, bis die Stadt die Anlage 2012 erwarb, die Tochtergesellschaft MWSP gründete und im Frankfurter Investor Tom Bock einen großen Visionär fand, der von einer soziokulturellen Belebung des Viertels mit Kneipen und Restaurants träumte.

"Es war eine Art Labor für die Stadt, wie Konversionen mit Wohnprojekten neu belebt werden können. Im Grunde sind wir hier die ersten zivilen Bewohner", sagt Günter Bergmann, der 2016 als einer der Ersten auf Turley einzog. In eines von drei gemeinschaftlichen Wohnprojekten: den "Umbau2", ein innovatives Mieterprojekt, das energieeffizientes und bezahlbares Wohnen ermöglicht. "Wir sind sozusagen unsere eigenen Mieter", sagt Bergmann. Denn das viergeschossige Holz-Hybrid-Gebäude ist nicht nur das "größte Holzhaus Mannheims", sondern auch in seiner Finanzierung etwas Besonderes – und Teil des Miethäuser-Syndikats. Das bedeutet, der aufgenommene Kredit wird über die Miete abgedeckt, dafür sind die Bewohner an das Wohnprojekt gebunden. "Die Kaltmiete beträgt 8,50 Euro", verrät Bergmann. Auf der anderen Straßenseite liege sie schon bei rund 14 Euro.
Auf der anderen Seite liegt "Homerun", ein verschachteltes Wohn-Labyrinth aus kubusförmigen Gebäuden und kleinen Vorgärten, das gerade in den letzten Bauzügen ist. Gleich dahinter befindet sich das Wohnviertel "Roteichenring", ein Neubaugebiet aus den 1980er Jahren, dessen Bewohner lange durch Mauern und Zäune vom US-Gelände getrennt waren. Wandelt man durch das neue Viertel, wirkt alles noch wie ein Flickenteppich: hier die schönen, rötlichen Kasernengebäude, da moderne Wohnanlagen. Man spürt, der Stadtteil Neckarstadt-Nordost, zu dem auch die Landwehr-Kasernen mit ihren grünen Fensterläden zählen, muss erst noch zusammenwachsen, und die Bewohner müssen zueinanderfinden.
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Fast 700 Menschen leben aktuell auf Turley, nach Fertigstellung sollen es einmal 1700 Bewohner sein. Von seiner Terrasse im obersten Stock blickt Bergmann nicht nur über die Dächer der Neckarstadt, sondern auch auf eine Großbaustelle, einen sich selbst überlassenen Park, auf viel Unfertiges, auf Träume und Visionen in der Warteschleife. Der Hauptgrund für das Schneckentempo: der überraschende Rückzug des Investors Bock, der Großes versprach, dann aber Grundstücksteile gewinnbringend weiterverkaufte. Seit einem Jahr nun herrscht zumindest auf den Baufeldern IV und V wieder Bewegung. Fast fünf Jahre später als geplant. "Ich bin froh, dass es überhaupt weitergeht, aber die anfängliche Aufbruchstimmung ist längst verflogen", erklärt Bergmann, der gerne weitere Miethaus-Syndikat-Projekte in unmittelbarer Nachbarschaft mit angestoßen hätte, um ein "hochpreisiges Wohnen" zu vermeiden. "Aber das wurde leider abgelehnt. An Turley kann man lernen, wie es geht, und wie es nicht geht", sagt er ob der gelungenen und gescheiterten Ideen.

Das wird vor allem am Turley-Platz sichtbar, eine Parkanlage inmitten des Kasernen-Ensembles. Hier sieht man schicke Wohnungen im alten Charme mit eigenen Eingängen samt Vorgärten. Aber auch unbewohnte Kasernenflügel und Gebäude, die noch nicht wach geküsst wurden und so wirken, als seien sie immer noch im Jahr 2007 stecken geblieben. Die alte Reiterhalle und Kapelle sollten als "Soho"-Quartier mit Lokalen und Lädchen zum Flanieren einladen, das ehemalige Offiziers-Casino in ein Bürgerhaus für Veranstaltungen verwandelt werden. Stattdessen sieht es mit der Nahversorgung und der weiteren Entwicklung mau aus.
Auch der Park selbst bleibt unter seinen Möglichkeiten. Ein Baseball-Gitter erinnert an die US-Zeiten, auf neue Impulse wartet die grüne Fläche noch. Der Grund: Unter dem Rasen soll noch eine Tiefgarage realisiert werden. Erst dann können Urban-Gardening-Projekte und ähnliche Ideen aufblühen. "Man braucht mehr Geduld als gedacht", sagt Bergmann, manchmal müsse er an den Film "Der Blaumilchkanal" denken. Dort wendet sich ein Wirrwarr an Baumaßnahmen am Ende zum Guten und wird zum Vorzeigeprojekt.
"Es ist dennoch schon jetzt ein tolles Wohnen, der Herzogenriedpark und die Stadt sind nicht weit". Günter Bergmann träumt davon, irgendwann einmal auf der Terrasse in der Hängematte zu liegen und dann die Ruhe in bester Lage zu genießen.



