Mannheimer Stadtteile

Der Waldhof ist bekannt für seinen Fußball-Verein und die Benz-Barracken

Hier befindet sich die Heimat der blau-schwarzen "Buwe". Der Zusammenhalt im einstigen Arbeiterviertel ist groß.

01.11.2020 UPDATE: 02.11.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 53 Sekunden
Die Liebe zum SV-Waldhof ist im Stadtteil allgegenwärtig. Foto: vaf

Von Marco Partner

Mannheim. Es ist die Wiege der Mannheimer Industrialisierung, das Herz des Malochens und natürlich die Heimat des Fußballs. Der Stadtteil Waldhof zehrt immer noch von seiner Bundesliga-Ära, legendäre Spieler und Trainer können einem heute als Graffiti-Konterfei, Gedächtnistafel oder Straßenname begegnen. Im einstigen Arbeiterviertel erinnert man sich gern an "die gute alte Zeit". Doch die Hochphase der Fabriken ist längst passé, die Arbeitslosigkeit liegt bei rund sieben Prozent, und auch der blau-schwarze Verein war lange in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Tatsächlich befindet sich das Viertel im Mannheimer Norden in einem Wandel, es geht in vielen Bereichen wieder aufwärts. Nicht nur im Fußball.

Rund um den Taunusplatz sind die Gebäude samt Pauluskirche in Baustellengerüste eingepackt. Die "Neue Mitte" mit backsteingepflastertem Einkaufszentrum und Café befindet sich gerade im zweiten Bauabschnitt, kann sich aber jetzt schon sehen lassen. Seit 2015 gibt es auf dem zuvor als Busbahnhof genutzten Platz einen umfangreichen Gebäudekomplex der Caritas, mit Betreutem Wohnen, Sozialstation, Hospiz sowie Gewerbeflächen, Gaststätten und einem Bürgerservice-Zentrum.

Auch wenn Christian Specht über den Waldhof spricht, ist nicht immer klar, ob er den Statdteil meint oder den Verein. Foto: mpt

"Es ist ein zentraler Treffpunkt geworden, es soll das Viertel beleben" sagt Christian Specht (CDU). Als Kind konnte Mannheims Erster Bürgermeister und gebürtiger Waldhöfer die großen Fabriken – das Benz-Werk oder Bopp & Reuther – aus dem Fenster sehen. Seine Eltern führten einen kleinen Einzelhandel in der Nähe der Fabrikhallen, wo Ende der 1960er-Jahre der erste Standard-Linienbus von Daimler-Benz an den Start ging. "Hören Sie das?", fragt er, als unüberhörbar ein ICE durch die Café-Idylle braust.

Eines der Problemchen des Waldhofs, die Specht schon als kleiner Bub in Kauf nehmen musste: die Zweiteilung des Viertels durch die Eisenbahn. Hinter der Gleise-Unterführung lag und liegt der Luzenberg, der "alte Waldhof", wie Specht ihn nennt. Die Heimat von Trainerlegende Sepp Herberger und der bereits 1853 gegründeten Spiegelfabrik St. Gobain, die in diesem Jahr die Pforten schloss.

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Hintergrund

> Fläche: 2,64 Km2

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> Einwohner pro Km2: 4358

> Altersschnitt: 41,2

> Migration: 48,2

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Der Altrhein mit seinen großen Werken wie die Zellstofffabrik war wie ein Spielplatz für die Kinder vom Waldhof. Doch schon in der Schulzeit bekam Specht den schleichenden Niedergang der einst so blühenden Industrien mit. 1974, als er acht Jahre alt war, meldete das Strebelwerk Konkurs an. 2500 Menschen verloren auf einen Schlag ihre Arbeit. "Auch einige Familien meiner Mitschüler waren betroffen", erlebte Specht, wie Strukturen zerbröselten, die Noten der Mitschüler in den Keller gingen, bis sie ganz fortblieben. "Da habe ich erfahren, wie wichtig ein geregelter Arbeitsplatz für das soziale Gefüge einer ganzen Familie ist. Im Grunde wurde damals schon mein politisches Interesse geweckt."

Die wachsende Armut wird vor allem bei den Benz-Barracken sichtbar. Deutschlandweit sind sie bekannt, spätestens durch den berühmten Polizeianruf von "Frau Zehnbauer", und neuerdings auch durch die RTL-II-Serie "Hartz aber Herzlich". Auch die Box-Legende Charly Graf kommt von hier. Der harte Charakter ist es gerade, der den Charme des Viertels ausmacht. "Es ist ein rauer, aber ehrlicher Stadtteil, hilfsbereit und solidarisch, mit all seinen Höhen und Tiefen", sagt Specht. "Klar gibt es mal einen blöden Spruch, mehr ist aber nicht zu befürchten."

Sich aus der Patsche helfen, zusammenhalten. Dafür stehen denn auch die blau-schwarzen Farben. Wenn der Erste Bürgermeister vom Waldhof spricht, ist manchmal unklar, ob er jetzt den Stadtteil meint, oder den Verein. "Im Grunde ist es wirklich dasselbe. Es geht eher um die soziale Funktion als um den Erfolg. Es ist mehr als nur Image, sondern Identifikation."

Das Viertel befindet sich im Wandel, so wie der umgestaltete Taunusplatz. Foto: vaf

Heute steckt sich der Fußballclub wieder höhere Ziele. Und mit der Daimler-Tochter EvoBus konnte im Waldhof-Viertel zumindest die Lastwagen-Motoren und Omnibus-Produktion gehalten und somit 10.000 Arbeitsplätze gesichert werden. Am Altrhein investiert der Pharma-Riese Roche über 400 Millionen Euro, um den Mannheimer Standort zukunftsfähig zu machen. Die alten Werke von Drais und Bopp & Reuther wurden hingegen der Wohnbebauung überführt. Allein auf dem ehemalige Betriebsgelände der Zweiradproduktion sind 140 Reihenhäuser entstanden. Historie bleibt somit erhalten und erfährt doch einen neuen Nutzen.

"Im Waldhof kann man Industriegeschichte ablesen, es ist wie ein Häutungsprozess", erklärt Specht, der sich bereits als Jugendlicher dem Kulturverein anschloss. Ein Verein, der sich mit Stadtteilfest und Frühlingsmarkt nicht nur für ein lebendiges Viertel einsetzt, sondern auch die Geschichte unter die Lupe nimmt.

Auch die Bezeichnung Benz-Barracken gehört dank zahlreicher Sanierungsmaßnahmen, sozialen Angeboten für Kinder und Jugendlichen sowie der Verortung des Gemeinwesensarbeiters nach und nach der Vergangenheit an. "Es ist für den Waldhof sehr wichtig, dass sich auch Familien mit kleinen und mittleren Einkommen Eigentumswohnungen leisten können", betont Specht. Und so ziehen tatsächlich einige Kinder des Waldhofs heute wieder zurück in ihr Viertel. Der Waldhof verbindet eben, auch Charly Graf kam wieder zurück, und arbeitet heute als Sozialarbeiter.

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