Beratungsstelle für Prostituierte ist Vorreiter im Land
Fünfjähriges Bestehen gefeiert - "Ein Ort für Menschlichkeit"

Sind stolz auf das bisher Erreichte: Julia Wege (l.) und Bärbl Mielich. Foto: zg
Mannheim. (mpt) Sie ist eine Stimme für die, die keine haben. Für Frauen, die an den Rändern der Gesellschaft leben, meist belächelt, selten ernst oder richtig wahrgenommen. Seit 2013 gibt es "Amalie", die Beratungsstelle für Frauen in Prostitution, unweit von Mannheims Rotlichtmilieu, der Lupinenstraße in der Neckarstadt-West. Anlässlich des fünften Geburtstags der in ganz Baden-Württemberg einzigartigen Einrichtung wird deutlich: Amalie ist nicht nur Anlaufstelle für Frauen in prekären Notlagen, sie öffnet den Diskurs für ein seit Jahrhunderten tabuisiertes Thema. Und hält Vorurteilen die raue, aber auch menschliche Wirklichkeit entgegen.
"Amalie ist mit den Jahren zu einer starken Persönlichkeit gewachsen. Sie schaut hin, wo andere wegsehen oder nur verschämt lachen. Es ist ein Ort der Menschlichkeit, der Türen öffnet für Frauen, die oft vergessen werden", betont Dekan Ralph Hartmann bei einem feierlichen Festakt im Eintanzhaus. Schon aufgrund der geladenen Gäste zeigt sich, wie gut die unter der Trägerschaft der Diakonie Mannheim stehende Einrichtung mittlerweile vernetzt ist. Mit dem Gemeinderat, Hochschulen, Ärzten, der Polizei und anderen sozialen Organisationen arbeitet man Hand in Hand. Für Staatssekretärin Bärbl Mielich (Grüne) liegt gerade in diesem Netzwerk ein Geheimnis des Erfolgs.
Hintergrund
Die kostenlose Beratungsstelle Amalie in der Draisstraße 1 richtet sich an alle Frauen, die in Prostitution arbeiten oder aussteigen möchten. Nach Schätzungen gehen in Deutschland bis zu 400.000 Frauen der Prostitution nach, in Mannheim liegt die Dunkelziffer
Die kostenlose Beratungsstelle Amalie in der Draisstraße 1 richtet sich an alle Frauen, die in Prostitution arbeiten oder aussteigen möchten. Nach Schätzungen gehen in Deutschland bis zu 400.000 Frauen der Prostitution nach, in Mannheim liegt die Dunkelziffer bei 500 bis 1200 Frauen. 70 bis 90 Prozent davon sind Migrantinnen, die meisten aus Rumänien, Bulgarien und Afrika. Über die Streetwork-Aktionen von Amalie wurden 2017 insgesamt 691 Frauen aufgesucht, drei Frauen haben den Ausstieg aus dem Rotlicht geschafft, sechs Kinder wurden mitbetreut. mpt
Im April überzeugte sie sich bei einem Besuch in der Neckarstadt selbst von der Arbeit der Beratungsstelle, die neben psychologischer Unterstützung und Rechts- wie Schuldnerberatung auch medizinische Versorgung anbietet und dank eines Wohnprojekts beim schwierigen Ausstieg aus der Prostitution
zur Seite steht. "Frauen, deren Heimatland und Familie meist weit weg sind, dürfen sich bei Euch gut aufgehoben fühlen und werden mit Würde behandelt. So kommen raus aus der Isolation", verdeutlicht Mielich. Gerade aufgrund des in diesem Jahr in Kraft getretenen Gesetzes zum Schutz der Frauen in Prostitution sei Amalie ein Vorreiter für Baden-Württemberg. "Wir müssten eigentlich im ganzen Land ähnliche Strukturen schaffen wie in Mannheim, die Beratungsstellen selbst dürfen kein isoliertes Dasein führen", so die Staatssekretärin.
Überrascht war Achim Weizel, Stadtrat der Mannheimer Liste, dennoch, als vor ein paar Jahren ein Antrag zur finanziellen Unterstützung des Amalie-Projekts in den Gemeinderat flatterte. "Das war völlig aus dem bekannten Rahmen, diese Zielgruppe hatten wir bis dahin nicht", gesteht er. Mittlerweile ist er selbst Beiratsmitglied von Amalie und die Beratungsstelle wird jährlich mit 66.000 Euro durch die Stadt gefördert. "Aber wir alle profitieren davon vielleicht mehr als Amalie, wenn sich Einstellungen ändern und Stigmatisierungen abgebaut werden", verdeutlicht Bürgermeister Michael Grötsch.
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Genau das war es auch, was Julia Wege dazu bewog, sich während ihres Studiums mit dem Thema Prostitution zu befassen. Erst in der Theorie, dann ganz praxisnah, denn ihre Masterarbeit mündete letztlich in der Amalie-Beratungsstelle, die sie heute leitet. Jährlich steigen die Klientenzahlen, aber auch die Unterstützung wird immer größer. "Damit hätte ich nie gerechnet, dass wir so viele Menschen so schnell begeistern können", ist sie selbst erstaunt, wie offen mit dem Thema von vielen Seiten umgegangen wird, und ihr nicht nur ein Wind voller Vorurteile entgegenweht.



