Beratung für Prostituierte in Mannheim

"Das Elend der Frauen ist groß"

Beratungsstelle "Amalie" stellte Jahresbericht vor - Streetworker sprechen vermehrt Prostituierte direkt im Milieu an

26.09.2017 UPDATE: 27.09.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 52 Sekunden
Eine Prostitutierte steht am 18.02.2014 in der Dudweiler Landstraße in Saarbrücken (Saarland). Foto: Oliver Dietze/dpa

Von Jan Millenet

Vor vier Jahren eröffnete "Amalie" - die Mannheimer Beratungsstelle für Prostituierte in der Neckarstadt ist in der Zwischenzeit weit mehr geworden als eine wichtige Anlaufstelle für viele Frauen, wie beim Pressegespräch zum Jahresbericht deutlich wurde. Denn "Amalie" bietet mittlerweile eine ganzheitliche Beratung, ein Wohnprojekt für Aussteigerinnen aus der Prostitution sowie ein medizinisches Versorgungsangebot für Prostituierte an. Dies seien die drei Eckpfeiler des Konzepts, sagte "Amalie"-Leiterin Julia Wege.

Im vergangenen Jahr habe "Amalie" vor allem die Streetwork-Aktionen im Milieu vor Ort verstärkt, erklärte Wege. Denn gerade dort gelinge die Kontaktaufnahme unmittelbar und alltagsnah. "Die Notlagen der Frauen sind nach wie vor zu komplex, als dass wir uns zurücklehnen könnten", so Wege. "Wir schärfen den Blick für das Milieu, decken Missstände auf, versuchen aber vor allem ein Kooperationsnetzwerk aus verschiedenen Akteuren zu nutzen, um alle Beteiligten in unsere Arbeit einzubeziehen."

Hintergrund

"Amalie"

Die Beratungsstelle "Amalie" berät in Mannheim Frauen, die in der Prostitution arbeiten oder diejenigen, die aussteigen möchten. Die Anlaufstelle wurde 2013 gegründet. Aufgrund der prekären Armutssituation von vielen osteuropäischen Frauen

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"Amalie"

Die Beratungsstelle "Amalie" berät in Mannheim Frauen, die in der Prostitution arbeiten oder diejenigen, die aussteigen möchten. Die Anlaufstelle wurde 2013 gegründet. Aufgrund der prekären Armutssituation von vielen osteuropäischen Frauen bietet "Ama-lie" ganzheitliche Hilfe an. Die Einrichtung befindet sich in der Trägerschaft der Diakonie Mannheim und finanziert sich durch Eigenmittel des Diakonischen Werks, durch Spenden und Zuschüsse von der Stadt Mannheim und vom Sozialministerium Baden-Württemberg. jami

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Julia Wege kann dabei auf ein engagiertes Team setzen, das sich um die Belange der Prostituierten kümmert. Und so betonte Direktor Matthias Weber: "In der Diskussion um das neue Prostituiertenschutzgesetz ist deutlich geworden, wie wichtig eine unabhängige Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution ist." Hier könnten Frauen sicher sein, dass es nur um sie und ihre Bedürfnisse geht und dass keine Daten oder Infos weitergegeben werden. So einen geschützten Raum anbieten zu können, sei zentrales Anliegen der kirchlich-diakonischen Sozialarbeit.

Um die medizinische Beratung kümmert sich ein ehrenamtliches Ärzteteam, das stets ein offenes Ohr während einer gynäkologischen Sprechstunde für die Frauen hat. "Das Elend der Frauen ist sehr groß. Hinter Prostitution verbirgt sich kein Glamour-Faktor, sondern sie greift das Selbstbewusstsein an", sagte der Mediziner Amadeus Hornemann, der sich schon seit längerer Zeit für "Amalie" engagiert. "Deshalb versuchen wir, den Frauen auf Augenhöhe wertschätzend und vertraulich zu begegnen und nehmen sie als Menschen wahr." Das Untersuchungsangebot werde absichtlich sehr niederschwellig gehalten, um auch den Frauen einen Besuch zu ermöglichen, die nicht gut Deutsch sprechen oder gar Analphabetinnen seien. "Rund 80 Prozent der Frauen haben einen Migrationshintergrund", so Hornemann.

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Die Gynäkologin Elke Krystek hob hervor: "Wir wollen Stigmata abbauen, wo es möglich ist und vor allem gesundheitliche Aufklärung leisten." Oftmals hätten die Frauen jeglichen Bezug zu ihrem eigenen Körper verloren. "Hier können wir durch Aufklärung und sensible Beratung dazu beitragen, den eigenen Körper wieder neu wahrzunehmen."

Auch der Rotary Club Mannheim-Friedrichsburg ist auf "Amalie" aufmerksam geworden und unterstützt ein neu aufgelegtes Gesundheitsprojekt zur Aufklärung der in der Prostitution arbeitenden Frauen finanziell. "Amalie hat uns bewegt. Wir möchten deshalb nicht nur Geld spenden, sondern Projekte intensiv begleiten und mit der clubeigenen Expertise unterstützen", sagte Alfred Bach vom Rotary Club. "Bei Amalie hatten wir sofort das Gefühl, dass hier von einem engagierten Team absolut wichtige Arbeit in einem Tabubereich unserer Gesellschaft geleistet wird." Und da das erste Projekt des Clubs mit Amalie erfolgreich verlaufen sei, stellte Bach weitere Unterstützung für kommende Projekte in Aussicht.

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