Land übernimmt Rotlicht-Registrierung
Sozialminister Lucha (Grüne) reagiert auf Kritik am Prostitutionsschutz

Mit Motiven wie diesem wirbt die Kampagne RotlichtAus für ein Prostitutionsverbot.
Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Seit diesem Wochenende gilt bundesweit ein neues Prostituiertenschutzgesetz, doch in Baden-Württemberg dauert die Umsetzung: Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hatte am Freitag vergangener Woche die Notbremse gezogen und verkündet, die Umsetzung zum 1. Juli nicht wie geplant den Kreisen zu übertragen: Wegen zu knapper Übergangsfristen werde sein Haus die Registrierung von Prostituierten vorerst selbst übernehmen. Dazu hat sein Ministerium am Montag nun zwei Telefonnummern und E-Mail-Adressen freigeschaltet.
Im Oktober hat der Bundestag ein Gesetz zum Schutz von Prostituierten beschlossen. Neben einer Kondompflicht bei gewerblichem Sex schreibt es für Prostituierte eine behördliche Anmeldung, eine Gesundheitsberatung und eine vom Arbeitsbereich getrennte Wohnung vor. Bordelle und ihre Betreiber müssen sich polizeilichen Kontrollen unterziehen. Wie dies umgesetzt wird, ist Ländersache. Fast alle Länder hinken dem Zeitplan hinterher. Der Entwurf zum Ausführungsgesetz für Baden-Württemberg ist auf der Website des Sozialministeriums einsehbar. Der Landtag soll es bis Januar 2018 beschließen.
Seit Montag erfahren Prostituierte und Bordellbetreiber online zumindest, wohin sie sich mit Fragen wenden können. Bordellbetreiber erfahren, welche Unterlagen sie schon mal einreichen können. Prostituierte werden jedoch vorerst vertröstet: Bis Ende der Woche hofft das Ministerium, für die Beratungs- und Gesundheitsgespräche zumindest eine Anlaufstelle in Stuttgart zu nennen. Die geplanten lokalen Lösungen in den Kreisen werden erst später folgen.
Frauenvertreterinnen hatten die Landesregierung vergangene Woche scharf für die Verzögerung kritisiert. Der Landesfrauenrat warf dem Sozialministerium mangelndes Engagement vor. Auch der Stuttgarter Verein "Sisters - für den Ausstieg aus der Prostitution!" rügte, Grün-Schwarz tue nur das Nötigste. Die Kritikerinnen fordern unter anderem, die Meldungsgespräche für Prostituierte bei der Polizei anzusiedeln, denn sie habe Zugriff auf Vermissten- und Täterdatenbanken.
Verpflichtender Polizeikontakt diene nicht unbedingt dem Schutz der Prostituierten, sagte eine Ministeriumssprecherin am Montag. Frauen aus Osteuropa etwa hätten mit Sicherheitskräften in ihrer Heimat nicht immer gute Erfahrungen gemacht. Wichtig sei ein Rahmen für ein vertrauensvolles Gespräch. Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 90 Prozent der Prostituierten in Deutschland fremdbestimmt sind.
Der Frauenrat und die bundesweit tätigen "Sisters" ergreifen derweil selbst die Initiative und machen sich gegen das System Prostitution stark. Die Kampagne "RotlichtAus" wird von mehr als 200 Einzelpersonen und 20 Organisationen unterstützt, darunter so unterschiedliche wie Terre des Hommes, die Zeitschrift "Emma" und die Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die Initiative soll gleichgesinnte Organisationen und Kommunen vernetzen und mit Materialien versorgen. Slogans wie "Dein Spaß ist mein Horrortrip" und "Bezahlsex zerstört Leben" wenden sich direkt an die Freier.
"Es gibt seit vielen Jahren in Deutschland Initiativen gegen den Sexkauf", sagte Karen Ehlers von "Sisters". RotlichtAus soll ihnen als Dach eine gemeinsame Stimme geben, "die stark genug ist, auch gehört zu werden".
Fi Info: https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de



