Raus mit dem Durchgangsverkehr – Neue Fußgängerzonen
Die Stadt startet am Freitag einen einjährigen Versuch in der City. Dafür werden die Kunststraße und die Fressgasse für Autos gesperrt.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Im Sommer 2021 ist der erste Anlauf gescheitert, ab Freitag folgt der zweite: Ein Jahr lang sperrt die Stadt neuralgische Punkte in der City für den Durchgangsverkehr. Passanten sollen sich wohler fühlen und auch Radler mehr Raum erhalten. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Langzeittest.
Was passiert ab Freitag? Um 6 Uhr morgens senkt sich die Schranke in der Fressgasse, dann ist der Durchgangsverkehr in Höhe der Breiten Straße unterbrochen. Nach dem Wochenende und bis 20. März werden vor dem Abschnitt und innerhalb dessen neue Hinweisschilder gesetzt und die Straße markiert. Der für Autos gesperrte Bereich verwandelt sich nach Abschluss der Arbeiten in eine Fußgängerzone, innerhalb derer aber auch Radler fahren dürfen. In der zweiten Bauphase (ab 21. März) entsteht auf einem Teilstück der Markt- eine Fahrradstraße. Weiter geht’s mit der Kunststraße (Start: 4. April). Dafür werden in der Kurpfalzstraße Leitschwellen im Gleisbereich eingebaut. Dadurch wird die Durchfahrt in die Kunststraße Richtung Wasserturm verhindert. Stattdessen kann der Verkehr Richtung Schloss abfließen. In die Kunststraße soll nur fahren, wer ein Parkhaus ansteuert. Radfahrende bekommen eine breitere Spur. Anfang Mai sollen alle Arbeiten abgeschlossen sein.
Warum macht die Stadt das? Sie will die Aufenthaltsqualität für Flaneure und Radfahrer erhöhen, Erlebnis- und Begegnungsräume mit mehr Grün und besserer Luft schaffen, entspanntes Einkaufen ermöglichen – im Gegenzug Blechlawinen verbannen und Straßen von parkenden Wagen befreien. "Menschen haben Vorrang vor abgestellten Autos", gibt Verkehrsbürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD) als Devise aus.
Hintergrund
> Parkhäuser: Insgesamt stehen den Autofahrern 9500 Plätze in Parkhäusern und Tiefgaragen zur Verfügung. Wer nur kurz etwas zu erledigen hat, zahlt in den Häusern der Mannheimer Parkhausbetriebe für die erste halbe Stunde zwischen 50 Cent und 1,20 Euro. Dieser Tarif sei
> Parkhäuser: Insgesamt stehen den Autofahrern 9500 Plätze in Parkhäusern und Tiefgaragen zur Verfügung. Wer nur kurz etwas zu erledigen hat, zahlt in den Häusern der Mannheimer Parkhausbetriebe für die erste halbe Stunde zwischen 50 Cent und 1,20 Euro. Dieser Tarif sei günstiger als der für die Kurzzeitparkplätze auf der Straße, heißt es. Parkplätze für Behinderte sind von den Maßnahmen ausgenommen und weiter nutzbar. alb
Info: Näheres zu den Mannheimer Parkhausbetrieben unter www.parken-mannheim.de.
Der Verkehrsversuch sollte bereits im Juli vergangenen Jahres starten, wurde jedoch wenige Tage vorher wegen des noch immer gesperrten Fahrlachtunnels abgeblasen. Warum jetzt trotzdem ein neuer Anlauf? "Die Verkehrsbelastung in der Innenstadt, insbesondere auf dem Ring, hat seither nicht über Gebühr zugenommen", sagt Eisenhauer. Abgesehen davon gebe es für den Beginn des Langzeittests "nie einen richtigen oder falschen Zeitpunkt".
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Die Innenstadt soll für alle erreichbar bleiben – wie geht das? Ulrike Kleemann vom Fachbereich Stadtplanung vergleicht die City mit einem Kuchen und teilt diesen in vier Quadranten ein. "Die Autofahrer sind so lange auf dem Ring unterwegs, bis sie die Zufahrt dorthin erreichen, wo sie hinmöchten", sagt sie. Alle Parkhäuser bleiben erreichbar (s. Hintergrund). "Es wird allerdings immer Schleichverkehre geben", glaubt Stadtplanerin Kleemann.
Wie sehen die neuen Fußgängerzonen aus? Das Stadtmarketing will die Räume "dezent und nicht aufdringlich" bespielen, wie Geschäftsführerin Karmen Strahonja betont. Insgesamt mehr als 80 neue Sitzplätze und 100 Pflanzenkübel sollen "für ein bisschen Urlaubsfeeling" sorgen. Am kommenden Freitag und Samstag (11 bis 18 Uhr) legen im abgesperrten Abschnitt der Fressgasse DJs auf, gibt es kleinere Konzerte, eine Feuershow und "3 D Street Art".
Wie lange soll der Verkehrsversuch dauern? Ein Jahr. Laut Kleemann sollen noch zu beauftragende Experten in der Zwischenzeit die Verkehrsströme erfassen, Passanten und Geschäftsleute befragen. Zum Stresstest wird die Weihnachtszeit in der Einkaufsstadt. Danach sollen die Ergebnisse der Evaluation erörtert werden. "Und im Februar 2023 debattiert dann der Fachausschuss des Gemeinderats über das weitere Vorgehen", kündigt Eisenhauer an. Der Bürgermeister geht davon aus, dass die Autofahrer eine längere Eingewöhnungszeit benötigen.
Und wenn sich vorher ein Scheitern des Versuchs abzeichnet? "Der Gemeinderat kann das Projekt vor dem eigentlichen Ende stoppen", sagt der Bürgermeister nüchtern. Auf jeden Fall solle das Verkehrssystem zu Beginn der Bundesgartenschau Mitte April 2023 "stabil" sein, so Eisenhauer.
Wie wirkt sich das Projekt auf die Anwohner aus? Bereits im Laufe des vergangenen Jahres sind knapp 90 Parkplätze weggefallen und durch Sitzgelegenheiten oder Blumenkübel ersetzt worden. Allerdings ging es hier um Kurzparker. Für Innenstadtbewohner mit einem Dauerparkausweis sind Zonen ausgewiesen. Damit ihre Parkplätze nicht von Stadtbesuchern belegt werden, will das Rathaus die Kontrollen in diesem Bereich verstärken.



