Mit Pflanzen die Städte der Zukunft gestalten
Vorträge des Symposiums "The Dynamic Vision" auf der Bundesgartenschau gaben Impulse für naturalistische Pflanzungen.

Von Thomas Veigel
Mannheim. "The Dynamic Vision" – mit diesem zukunftsweisenden Titel setzte das Symposium ein Signal für die Branche. In den Vorträgen und Diskussionsrunden wurde klar, dass Neuland betreten wird. Es gibt viel Unsicherheit und Skepsis beim Thema Dynamik in naturalistischen Pflanzungen. Mit welchen Pflanzen muss man arbeiten? Kann man Dynamik planen? Sind die Auftraggeber bereit, den höheren Aufwand zu finanzieren? Oder können, mit dem richtigen Konzept und geeigneten Pflanzen, die Kosten sogar verringert werden?
> Gartenarchitekt Gilles Clément verfolgt seit Jahrzehnten sein Konzept "Garten in Bewegung". Das heißt: Die Dynamik der Natur im Garten akzeptieren und damit arbeiten. In der Branche gilt der Franzose als Künstler und ist eine Berühmtheit. In Mannheim überraschte der 79-Jährige die Teilnehmer des Symposiums mit einem Vortrag der anderen Art. Statt seine Projekte und Gärten vorzustellen, widmete er sich ausschließlich dem Thema des Symposiums.
Mit Fotos von Bäumen, die Steine anheben, spiralförmig oder rechtwinklig wachsen oder Verkehrsschilder verschlingen verband er die Botschaft, dass Dynamik eine Frage der Zeit sei. "Wir müssen geduldig sein, wir müssen fähig sein, zu warten." Das Warten müsse aber nicht langweilig sein, denn jeden Tag passiere im Garten etwas Neues. "Pflanzen sind wirklich stark, stärker als wir".
> Botanikerin Véronique Mure hält den Garten für einen Ort voller Lebewesen, die mit dem Menschen in Verbindung stehen. "Im Garten ist man nie allein". Sie plädiert dafür, weniger zu machen, weniger zu kontrollieren – das sei zudem gesünder für die Psyche.
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> Landschaftsarchitektin Mariana Siqueira wurde für ihren Vortrag frenetisch gefeiert. Die Brasilianerin leistet Pionierarbeit, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Pflanzen des Cerrado, einer Savanne, die den größten Teil Zentralbrasiliens bedeckt, in naturalistisch gestalteten Gärten zu verwenden. Der Cerrado war bisher von der Wissenschaft wie vom Gartenbau als irrelevant angesehen worden.
2015 startete sie das Projekt Jardins de Cerrado, das buchstäblich bei Null startete, weil die meisten der 12000 Arten nicht einmal Namen hatten. Mittlerweile hat sie eine Bibliothek von 400 für die Gestaltung von Gärten geeigneten Pflanzen. Mit zahlreichen Bildungs- und Forschungsaktivitäten setzt sie sich für den Erhalt des Cerrado ein.
> Landschaftsarchitekt Tom Stuart-Smith sprach über die Anlage seines Prärie-Gartens. Der Engländer hat für seine Projekte zahlreiche Preise erhalten und unter anderem auch einen Garten für Queen Elizabeth in Windsor Castle angelegt. Bis ins Detail untersucht Stuart-Smith die Dynamik seines Prärie-Gartens – welche Pflanzen verschwinden, welche Pflanzen breiten sich aus, welche kommen neu dazu. Seine Ehefrau Sue Stuart-Smith ist Psychiaterin und beschäftigt sich mit den positiven Auswirkungen von Gärten und vom Gärtnern auf die Psyche der Menschen. Ein Garten spende Trost, man habe das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein. Pflanzen und Säen ist eine kraftvolle, in die Zukunft gerichtete Tätigkeit. Deshalb wurden zu Beginn der Covid-Pandemie auch die Gärtnereien leer gekauft.
> Autor und Gartengestalter Noel Kingsbury beschäftigte sich in seinem Vortrag mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Zukunft der Gartengestaltung. Gärtner und Gartennutzer werden ihren Blick auf Gärten und darauf, was ästhetisch ist, verändern müssen. Naturalistische Gestaltungskonzepte werden sich zu ökologischen entwickeln. Das bedeutet mehr verschiedene Pflanzen, mehr einheimische Wildpflanzen und die Integration nicht-einheimischer Pflanzen, eine höhere Pflanzdichte, eine hohe strukturelle Komplexität. Sträucher und Bäume werden die Biodiversität erhöhen. Der Engländer ist überzeugt, dass der Garten der Zukunft die Natur der Zukunft ist, weil nach der Klimakrise kaum Natur übrig bleibe.
> Nigel Dunnett, Professor für Pflanzenverwendung, erforscht an der Universität Sheffield unter anderem die Vegetation an Straßenrändern. Daneben ist er ein berühmter Gartengestalter, der bei seinen Projekten die aktuellen Themen im Gartenbau umsetzt. Für Furore sorgte gerade "Superbloom" – ausgesäten Blumenwiesen mit einjährigen Pflanzen rund um den Tower of London. Dunnett spricht sich für Kreativität bei der Pflanzung aus, er verzichtet auf einen strengen Pflanzplan. Voraussetzung dafür ist aber ein detailliertes Wissen um die Funktionen der Pflanzen, die beachtet werden müssen. Wer die Dominatoren, Invasoren und Stress-Toleranten kennt, kann sich einige Freiheiten erlauben.
> John Little gründete vor 25 Jahren die Grass Roof Company. Doch der Engländer bepflanzt nicht nur Dächer, er hat sich auch andere, von Gärtnern wenig beliebte Flächen als Arbeitsgebiete ausgesucht: Parkplätze oder Industriebrachen. Er ist gegen strenge Regeln und Konzepte, sieht den neuen Typ Gärtner als "Meister des Chaos". Der Beruf sei altmodisch und nicht vorbereitet auf die Anforderungen einer neuen Zeit.
> Die Landschaftsarchitekten Giacomo Guzzon und Ton Muller arbeiten in London beziehungsweise Amsterdam und beschäftigen sich damit, wie eine dauerhafte Bepflanzung in der Stadt geschaffen werden kann, um im Klimawandel eine lebenswerte Umgebung für Menschen zu schaffen. Sie propagieren die Rückkehr der Gehölze in die Städte und plädieren dafür, dass Ökologen und Landschaftsarchitekten in Zukunft nicht mehr aneinander vorbei reden. Von diesen beiden Planern wird man in Zukunft noch viel hören. Pflege und Erhalt von Pflanzungen in den Städten ist ein großes Thema. Obwohl dafür viel Wissen nötig ist, gibt es auch Konzepte, die Bevölkerung einzubinden.
> Jacques Soignon hat als Chef des Grünflächenamts die französische Stadt Nantes zur "Grünen Hauptstadt Europas" gemacht. Zahlreiche Einwohner, glücklich über die Vielzahl von Parks und Gärten in ihrer Stadt, arbeiten als freiwillige Gärtner am Erhalt ihrer Grünflächen mit. Wenn sie fachlich gut angeleitet und unterstützt werden, funktioniere das auch – ein Modell für die Zukunft auch in anderen Städten.



