Mini-Konzerte in den Gondeln in luftiger Höhe
Beim "Pop-Roulette" auf der Buga spielen Musiker in den Gondeln. Die meisten Fahrgäste sind überrascht und begeistert.

Von Manfred Ofer und Alexander Albrecht
Mannheim. "Oh-oh-oh, oh-oh, oh, Oh-oh-oh, oh-oh, oh": Laut und inbrünstig, ausgelassen und klatschend singt der kleine Chor den Refrain des Coldplay-Hits "Viva la Vida". Angetrieben von einem sympathischen Mittdreißiger mit Sonnenbrille und Gitarre: Steffen Foshag.
Während der Blick nach unten auf das satte Grün der Feudenheimer Au und den Neckar fällt, liegt in knapp 40 Metern Höhe Musik in der Luft. Beim sogenannten Pop-Roulette kommen Besucherinnen und Besucher der Bundesgartenschau in den Gondeln einmal im Monat in den Genuss kleiner Konzerte. Acht Minuten dauern die von der Popakademie organisierten Mini-Gigs, ebenso lange wie eine Fahrt mit der Seilbahn vom Spinelli- in den Luisenpark und umgekehrt.
Foshag hat sein Gesangsstudium an der "Poppe" schon vor zehn Jahren abgeschlossen, ist Profi durch und durch. Der intime Rahmen macht ihm trotz reichlich Bühnenerfahrung sichtlich Spaß, auch weil sich das Publikum egal welchen Alters stets "extrem dankbar" zeige. "Es ist ja wie zu Hause auf dem Sofa", sagt Foshag über die Unplugged-Auftritte, "die Leute kommen einem sehr nahe und sind ganz interessiert, wie man mit den Händen am Instrument arbeitet".
"Wollt Ihr noch nen Song?", fragt er das Ehepaar und die dreiköpfige Familie, als die Gondel am Scheitelpunkt eine kurze Pause eingelegt hat. Na klar. Auf der Fahrt zur "Talstation" schlägt Foshag sanftere Töne an: "Castle on the Hill" von Ed Sheeran. "Sehr, sehr schön, eine ganz tolle Idee", jubelt eine Schwäbin beim Aussteigen. Beim Glücksspiel dreht sich alles um Geld. Beim im Buga-Ticket eingepreisten "Pop-Roulette" geht es um die guten Gefühle, die mit der Musik verbunden sind.
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Nils Max, Projektleiter Musikverwertung an der Popakademie, hatte die Idee im vergangenen Jahr den Buga-Machern vorgestellt. "Das Interesse war sofort da", erinnert er sich. Also wurde das Format in das offizielle Veranstaltungsprogramm aufgenommen und im April zum ersten Mal mit Leben gefüllt. Sechsmal soll sich das "Pop-Roulette", der Name ist metaphorisch an den Kreisverkehr der Seilbahn angelehnt, drehen. Nächster Termin ist an diesem Donnerstag, der letzte am 28. September (jeweils 17 bis 20 Uhr).
Das Event mit bis zu zehn Acts gleichzeitig pro Veranstaltungstag stellt für Nils Max und alle Beteiligten eine kreative Antwort auf die Frage dar, wie man Musik abseits der großen Bühnen inszenieren kann. Dafür ist die Gastgeberstadt prädestiniert. "Hier finden tolle Acts praktisch an jeder Ecke statt", weiß Max. Der Titel einer "Unesco City of Music" passe demnach zu Mannheim wie der richtige Ton. Das "Pop-Roulette" sei das jüngste Event, mit dem man diesen erstklassigen Ruf untermauern wolle.
"Habt ihr Bock auf Musik?" Plötzlich steht Mickela Löffel (28) mit ihrer Ukulele vor dem Eingang der Seilbahnstation und lädt zu einer musikalischen Reise mit ihr ein. Einige Besucher sind überrascht von der sich bietenden Gelegenheit. "Mit so etwas habe ich gar nicht gerechnet", bemerkt einen Seniorin aus Mannheim. Eigentlich habe sie heute nur mal mit der Gondel fahren wollen, doch nun freue sie sich umso mehr auf das Konzert. "Als ich in einem Altenpflegeheim gearbeitet habe, sind die jungen Leute von der Popakademie öfter zu uns gekommen und haben vor den Senioren musiziert", erinnert sie sich und lächelt.
Wenig später greift Mickela Löffel vor ihrem fünfköpfigen Publikum in die Saiten und präsentiert einen Song, den sie über das Schlussmachen geschrieben hat. Inzwischen sei sie aber wieder in einer glücklichen Beziehung, sagt die Studentin aus Karlsruhe grinsend und fügt hinzu: "Ich dachte mir beim Komponieren, dass es einfach schon zu viele Liebeslieder gibt". Was das betrifft, hätten die Fahrgäste gerne noch einen weiteren Song von ihr gehört, doch da ist die Seilbahnfahrt auch schon wieder zu Ende. Bei einer Fahrt mit Eyad Ghannan (29) und Paul-Aaron Wolf (29) kommen einige "Passagiere" zum ersten Mal in den Genuss einer Session mit elektronischer arabischer Musik. Ihr Gig ist wie der Soundtrack eines Sommers über den Dächern einer multikulturellen Stadt. Das weckt bei manch einem die Lust aufs Reisen.
"Das ist ein ganz anderes Klangerlebnis, wenn man einem Musiker so nahe gegenüber sitzen kann", stellt Thomas Schwendner fest. Begeistert ist der Mannheimer von der Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Diese persönliche Note empfinden die Besucher an diesem Tag als ein Markenzeichen des "Pop-Roulettes". Anas Amin (21) begleitet sein Publikum in der Gondel mit Songs, die er im Stil eines Singer-Songwriters mit einer Prise Jazz geschrieben hat. Die spielt der junge ägyptische Student auf der Gitarre und singt mit einer Stimme dazu, die einer Zuhörerin spontan ein "Gänsehaut" bereitet. Gelacht wird auch noch herzhaft. "Hi, ich bin Anas und irgendwie aus Kairo hier gelandet", stellt er sich den überraschten Gästen vor.
Als sich die Gondel langsam der Station auf Spinelli nähert, wird er zu einer Zugabe "auf der Flucht" überredet. Es klappt: Als sich die Türen öffnen, hat er zumindest noch den Refrain geschafft. Gute Vibes lösen auch die anderen Musiker aus. Und irgendwie hat man immer den Eindruck, dass die paar Minuten Fahrt einen Tick zu kurz waren. "Ich finde diese intime Atmosphäre bei den Gigs und den Austausch mit den Zuhörern total schön", sagt auch Master-Student Vincent Dellwig (28), bevor er in eine der Gondeln steigt und seine Gäste mit rockigen Songs aus seiner Feder unterhält. Ein wenig ist es so wie auf einem Straßen-Festival – nur eben über den Dächern von Mannheim.



