Mannheim

Kultkneipe Contra ’N im Jungbusch hat neuen Betreiber

Weltenbummler Alexander Doss übernimmt. Er selbst ist ein Gast der ersten Stunde.

01.09.2025 UPDATE: 01.09.2025 04:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden
Nach zwei Jahrzehnten in den USA und in China ist der gebürtige Heidelberger Alexander Doss zurück. Foto: mpt

Mannheim. (mpt) Las Vegas, Peking, Mexiko City: Alexander Doss ist in seinem Berufsleben weit herumgekommen. Sein nächster Stopp führt den 57-Jährigen wieder zurück an die Anfänge: ins Contra’N, die Kultkneipe im Jungbusch, die der visuelle Raumdesigner und Musiker nun übernommen hat. Bereits im September könnte die Wiedereröffnung der Punkrock-Bar sein.

Aus einem Dagegen wird ein Dafür. 36 Jahre lang führten die einfach nur Claudi und Beo genannten Besitzer die Club-Gastro in der Werftstraße. Mit Jukebox, Nintendo-Konsole, Jam-Sessions, Konzerten und einer großen WG-Atmosphäre. Bereits im vergangenen Jahr gaben sie bekannt, dass sie ihr 1989 eröffnetes Lebenswerk und zweites Wohnzimmer schweren Herzens abgeben und so lange Stellung halten wollen, bis ein würdiger Nachfolger gefunden ist.

Mit Alex Doss tritt ein Gast der ersten Stunde das Erbe an. Bereits in den Anfängen (in den ersten Jahren noch an einem anderen Standort) lernte der gebürtige Heidelberger das Contra’N lieben. "Es war ein Treffpunkt für Musiker und Künstler, ein kreativer und inspirierender Ort zum Wohlfühlen", sagt er.

Damals war er Mitglied der Punkband "Dead Anyway". Die Partys im als verrucht geltenden "Busch" waren legendär. Als "Hammer Club-Kneipe am Arsch der Welt" bezeichnet sich die Szenebar. Doch aus einem rauen Rotlicht- und Hafenviertel wurde mit den Dekaden ein hipper Ausgeh-Ort.

Doss bekam das nur am Rande mit. Über 20 Jahre lang lebte er in Las Vegas und Peking. In den USA und Asien gestaltete er Bars und Theater, konzipierte Ausstellungsräume, befasste sich mit der Wirkung von Ton, Licht und Kinetik, nahm Aufträge von der einfachen Umgestaltung einer Sushi-Bar bis hin zu millionenteuren Projekten entgegen.

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Nun wuselt er wieder in seiner früheren Lieblingskneipe herum. Und hat das Contra’N gefühlt erst mal komplett auseinandergenommen. Die tiefen Decken sind abmontiert, unzählige, matratzendicke Schichten an gelber Glaswolle stapeln sich in schwarzen Säcken. "Ich musste zunächst verstehen, wo jedes Kabel und Abwasserrohr ist", sagt er mit Blick auf die nackten Wände.

Doch treue Contra-Fans dürfen aufatmen. Den Charakter mit schummrigem Licht wolle er beibehalten, vorerst werde nur die Theke umgestellt. Erst nach und nach wolle "der Neue" seinen Stil einbringen. "Man wird es wiedererkennen. Ich werde nur Schwarz auf Schwarz streichen", verspricht Doss lachend.

Kultgetränke wie exotische Karaffen namens "Hölderlins Pipi" werden nicht von der Karte verschwinden, Nintendo-Spiele wie Super Mario Kart können weiterhin gezockt werden. "Veränderungen kommen von ganz alleine, durch die Besucher, durch Begegnungen. Das Contra ist da wie ein Tagebuch", sagt der Raumgestalter mit Blick auf die natürliche Punk-Patina: Poster, Plakate, Aufkleber und Gekritzel an den Wänden und Tischen. "Es ist ein Raum voller Geschichten."

Diese Erinnerungen wolle er bewahren, aber auch neue schaffen. Sein bewegtes Leben, seine Eindrücke und Erfahrungen sichtbar werden lassen. Im oberen Stockwerk sollen Heiraten möglich sein, ganz Las-Vegas-like mit Eheringen aus dem Kaugummiautomaten. Aus einem Lager solle eine zweite Bar werden, nur erlesener Mezcal oder japanischer Whiskey würden serviert. Auch ein salonartiges Kaminzimmer mit Ausstellungen über Ikonen der Punk- und Rockszene sowie ein Netzwerk, ein internationaler Austausch mit anderen Szenebars auf der ganzen Welt, ist angedacht.

Doss sprudelt vor Ideen, das Spontane aber hat er sich eher in China als in den leuchtenden Casinos der Nevada-Wüste abgeguckt. "Die Regierung ist das eine, aber die Menschen in Asien haben mich begeistert. Das positive Denken, Ideen werden gleich angepackt und in die Tat umgesetzt." Vielleicht hat diese Inspiration dazu geführt, dass Doss sofort zusagte, als ihm Kneipier Beo von der Suche nach einem Nachfolger erzählte.

"Ich habe Ja gesagt, ohne zu wissen wie." Dann lernte er die deutsche Bürokratie wieder kennen. "Ich hatte schon im vergangenen Jahr zugesagt und war chinesisches Tempo gewohnt. Nun hat es über ein Jahr gedauert. In Peking hätten wir da ein ganzes Theater gebaut", sagt er augenzwinkernd – und hält sich einen genauen Eröffnungstermin noch offen.

Tatsächlich sei die Rückkehr vor zwei Jahren ein Kulturschock gewesen. "In 20 Jahren hat sich Deutschland stark gewandelt. Ich habe das Gefühl, dass sich unsere Gesellschaft mehr auf Differenzen aufbaut, dabei sollte es doch um das Gemeinsame gehen", sagt er. Beim Contra’N aber blieb alles beim Alten. Beo und Claudi standen wie in den 90ern an der Theke. Doss kam allein, traf alte und neuen Freunde – und traf seine Entscheidung. Für das Contra’N und nicht dagegen.

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