Die Meinungen zum Stadion-Neubau für den SV Waldhof gehen auseinander
Selina Ballhaus vom Fan-Aktionsbündnis Pro Waldhof über die Mannheimer Stadiondiskussion.

Von Marco Partner
Mannheim. Die Sommerpause ist im Fußball die Zeit, in der sich das Transferfenster öffnet und die Gerüchteküche brodelt. Beim SV Waldhof aber geht es aktuell um viel mehr als nur um mögliche Spielerwechsel. Es geht um die Zukunft des Vereins beziehungsweise um seine Heimstätte. Weiterhin im Carl-Benz-Stadion oder ein Neubau im Waldhof-Stadtteil? Im Fanlager schlagen da zwei Herzen in der Brust.
Eigentlich ist für Selina Ballhaus der Fall klar. Seit sie sich für Fußball begeistern kann, ist das "CBS", so die Abkürzung für das 1994 eröffnete Carl-Benz-Stadion, die Heimat und der Fußballtempel der blau-schwarzen Kicker. "Mein Papa hat mich 1997 zum ersten Mal mitgenommen, wie bei so vielen hat mein Fan-Dasein im CBS begonnen. Es ist unser Wohnzimmer, das geht vielen Fans so", sagt die 31-Jährige. Hier erlebte sie gleich in der ersten Saison den Abstieg des einstigen Erstliga-Clubs in die Regionalliga. Aber zwei Jahre später auch die wundersame Rückkehr in die Zweite Bundesliga. Seitdem hat sie alles mitgemacht: Fast-Aufstieg ins Fußball-Oberhaus, Abstieg, Lizenzentzug, Neustart in der Oberliga, viele Jahre Regionalliga und seit 2019 die 3. Liga, verbunden mit Träumen von einer Rückkehr in die zweithöchste Spielklasse.
Das Anklopfen an Liga 2 ist auch der Grund, warum die Stadiondiskussion überhaupt entfacht wurde. Die nicht einmal 30 Jahre alte Spielstätte könne die DFL-Auflagen nicht erfüllen, die Sanierung wäre zu kostspielig. Zum Jahresbeginn gab Präsident Bernd Beetz bekannt, 60 Millionen Euro für ein neues Stadion locker zu machen. Nun werden sowohl Sanierungsaufwand als auch ein neuer Standort ergebnisoffen geprüft. "Wir verfolgen die Entwicklung sehr gespannt und begleiten sie auch intensiv", sagt die Zweite Vorsitzende von Pro-Waldhof, dem Aktionsbündnis der Fanclubs des Vereins.
Für alle Fans sei das Thema eine Herzensangelegenheit, doch die Meinungen durchaus unterschiedlich. "Wir haben Fans unterschiedlicher Couleur, ein Sitzplatz-Dauerkartenbesitzer hat andere Ansichten und Bedürfnisse als ein Fanblockgänger. Auch die Rollifahrer haben ihren Unmut geäußert", so Ballhaus. Umbaumaßnahmen müssten auf jeden Fall her, von einer Tribüne für Rollstuhlfahrer bis zum Nachrüsten im VIP-Bereich. Ansonsten spreche aus Fan-Sicht aber zunächst einmal wenig gegen einen Verbleib im Stadion zwischen Oststadt und Neuostheim.
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"Es hat seinen Charme und auch eine gute Verkehrsanbindung. Viele Fans kommen mit der Straßenbahn, die Autobahn ist auch nicht weit weg. Es hat sich fast 30 Jahre lang bewährt", zeigt sie auf. Auch der Faktor Nachhaltigkeit spreche für den Erhalt. "Für mich persönlich ist es unvorstellbar, nicht mehr in ’die Ost’ (die Waldhof-Fankurve, Anm. d. Red.) hochzugehen. Ich kenne es nicht anders, weiß aber auch: Ein Verein kann nicht nur von Luft und Liebe leben", betont Ballhaus. Lohne sich der Erhalt nicht, solle man den Neubau in realistischen Dimensionen planen. Schiebt man die Emotionen nämlich beiseite, wird auch das große Potenzial eines neuen Stadions sichtbar.
Einig seien sich die Fans darin, was man nicht will: "Keine Neubau-Arena irgendwo auf der grünen Wiese, wie zum Beispiel in Mainz", erklärt sie. Daher positioniert sich Pro Waldhof auch klar bei der Standortsuche. Wenn Neubau, dann auf dem Gelände der alten Spiegelfabrik mit viel Fußball-Historie. Hier wuchs Trainerlegende Seppl Herberger auf, hier wird mit dem "Schlammloch" immer noch die allererste Spielstätte des 1907 gegründeten Vereins in Ehren gehalten und in der Kultkneipe "Spiegelschlössl" museumsreif die Geschichte des SVW verewigt.

Insofern klingt auch ein Neubau an alter Wirkungsstätte für die Fans sehr reizvoll. Das Schlammloch kennt Selina Ballhaus nur von den AH-Spielen und den Alsenweg als Trainingsgelände. Natürlich aber habe auch "ihr Papa" schon oft von den alten Zeiten geschwärmt, als in den 1980ern im kleinen Stadion am Alsenweg der Aufstieg in die Bundesliga gelang. Der von Industrie geprägte Stadtteil Waldhof ist schließlich nicht nur Namensgeber, sondern die Wiege des Clubs. "Es wäre ein Heimkommen, wir sind ein Stadtteil-Verein und werben auch damit, ‚Working Class Football Club‘, also ein Verein der Arbeiterklasse zu sein." Für einen manchmal vergessenen Stadtteil wäre es zudem die Chance, seine alte Identität wiederzubeleben und an Bedeutung im Stadtleben zu gewinnen. "Vielleicht ist es ja eine romantisierende Vorstellung, aber es könnte tatsächlich ein Vorzeigeprojekt werden, von dem auch die Bürger profitieren sollten. Mit Freizeitflächen für Kinder und Jugendliche sowie einer angebundenen Kita. Bereits versiegelte Fläche könnte genutzt werden und ein Stadtteil aufgewertet werden", betont Ballhaus.
Natürlich bringe ein Stadion nicht nur Vorteile. Ob der Lärmschutz durch den Baumbestand auf dem Gelände ausreicht, müsse unabhängig geprüft werden. Ein still gelegtes Bahngleis der Fabrik könne ans Verkehrsnetz angeschlossen werden.
Zwei Herzen schlagen also in ihrer Brust, wenn es um die Stadion-Diskussion, um Identität, Zukunft und Vergangenheit des Clubs geht. Wie es ist, wenn die Auflagen nicht erfüllt werden, hat man beim SV Waldhof schon einmal schmerzlich erlebt. Als 1983 der Aufstieg gelang, wurde der Alsenweg als nicht erstligatauglich eingestuft – und die Mannheimer mussten ihre ersten Bundesligajahre in Ludwigshafen verbringen.



