Die Gewinner des Verkehrsversuchs waren die Radler
Die Ergebnisse des Verkehrsversuchs wurden im Gemeinderatsausschuss vorgestellt. Darüber diskutiert wird später. Händler und Autofahrer waren besonders kritisch.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Viel weniger Autos, deutlich mehr Fahrräder – das ist ein zentrales Ergebnis des Verkehrsversuchs. Und ein wenig überraschendes. Spannender ist die Frage, wie Händler, Besucher und Anwohner den im März ausgelaufenen zwölfmonatigen Test bewerteten. Antworten darauf gab es am Dienstagabend im Technik- und Umweltausschusses des Gemeinderats. Die RNZ gibt einen Überblick:
> Die Verkehrsströme: Laut Harald Spath vom Büro Gevas, Humberg & Partner rollten zwei Drittel weniger Autos durch die Fressgasse, einem beliebten Schleichweg Richtung Ludwigshafen. Kein Wunder: Eine Schranke blockierte die Weiterfahrt, weshalb Pkw-Lenker auf Seitenstraßen ausweichen mussten, um den Innenstadtring zu erreichen. Teilweise Stoßstange an Stoßstange quälten sich die Autos auf der Erbprinzenstraße, der letzten Ausfahrtmöglichkeit vor der Sperrung. Die Zahlen belegen das: Vor dem Versuch waren 4000 Fahrzeuge hier täglich unterwegs, anschließend 5500. Ein ähnliches Bild zeigte sich in der Marktstraße. Wer aus der Pfalz die Mannheimer City ansteuerte, konnte auch nicht mehr direkt geradeaus in die Kunststraße einfahren. Die Folge: fast ein Viertel weniger motorisierter Verkehr. Was Autofahrern stank, freute die Radler. An den drei neuralgischen Punkten zählte das Fachbüro 76 bis 90 Prozent (in der Fressgasse) mehr Pedalritter.
> Der Innenstadtring: Insgesamt nahm der Verkehr in den Quadraten um 20 Prozent ab. Kritiker hatten befürchtet, dass der Innenstadtring viel mehr Fahrzeuge aufnehmen müsse und dadurch überlastet sei. Diese Sorge bestätigte sich für den Luisenring nicht – im Gegenteil: Das Fachbüro zählte 10.000 Fahrzeuge pro Tag weniger, insgesamt 40.000. Dafür nahm der Verkehr auf der Bismarckstraße – vom Hauptbahnhof aus und am Schloss entlang – in etwa der gleichen Größenordnung erheblich zu.
> Die Lieferzonen: Lediglich zwischen 35 und 52 Prozent der abgestellten Fahrzeuge waren auch Transportfahrzeuge. "Die Zonen sind regelmäßig von Pkw-Fahrern missbraucht worden", sagte Harald Spath. Mitunter hätten dort Privatpersonen ihre Autos vier bis sieben Stunden lang abgestellt.
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> Der Durchgangsverkehr: Es war das größte Ziel des Versuchs, und das wollen alle: raus mit Fahrzeugen, die lediglich durch die Innenstadt rollen, ohne dass irgendjemand etwas davon hat. Poser zum Beispiel. Der Anteil des Durchgangs- am Gesamtverkehr lag während des Versuchs tagsüber bei zehn Prozent, steigerte sich aber in den Abendstunden – und vor allem samstags zwischen 22 und 24 Uhr – auf bis zu 40 Prozent.
> Die Stimmung: Das Marktforschungsinstitut Dima befragte im Auftrag der Stadt die vom Versuch betroffenen Anwohner, Gewerbetreibenden und Besucher. Erstaunlich: Nur knapp mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Anrainer fanden die Maßnahme gut, obwohl es in der Fressgasse oder der Kunststraße deutlich ruhiger wurde. Etwas positiver war die Einschätzung der Gäste mit immerhin 61 Prozent. Auf breite Ablehnung stieß der Versuch dagegen bei den Gewerbetreibenden, 75 Prozent der Händler und Freiberufler bewerteten das Langzeitexperiment negativ. Die Ergebnisse decken sich hier weitgehend mit denen einer Umfrage von zwei Handelsverbänden und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar (die RNZ berichtete). Die Selbstständigen kritisierten unter anderem die Erreichbarkeit der Parkhäuser, ein Teil der Anwohner einen erschwerten Weg zu ihrer Wohnung. Bei den Betreibern von Ladengeschäften klagten 80 Prozent über eine gesunkene Kundenfrequenz, 77 Prozent sahen einen negativen Einfluss auf die Attraktivität des Standorts. Ob Anwohner, Händler oder Passanten: Am schlechtesten wird der Versuch von all denjenigen bewertet, die mit dem Auto unterwegs sind. Jeder Zehnte von ihnen stieg in Folge der Sperrungen auf den öffentlichen Nahverkehr um oder nahm das Rad.
> Aufenthaltsqualität: Im Gegensatz zu den Gewerbetreibenden fühlte sich eine Mehrheit der Anwohner und Besucher während des Versuchs wohler in den Quadraten, Fußgänger und insbesondere Radfahrer sich deutlich sicherer. In den Planken seien nicht weniger Menschen als vorher flaniert, sagte Stadtplanerin Ulrike Kleemann und nannte eine bemerkenswerte Zahl: Waren die Parkhäuser in der City 2019 zu 53 Prozent ausgelastet, sind es im Projektzeitraum ein Prozent weniger gewesen.
> Die Zukunft: Der Ausschuss verzichtete nach Anträgen der SPD- und der CDU-Fraktion darauf, die Ergebnisse zu diskutieren. Das soll am 13. Juni der Hauptausschuss nachholen. Dann will die Verwaltung wohl eine Empfehlung geben, ob und wie aus dem Versuch eine dauerhafte Lösung werden könnte. Kleemann zog bereits am Dienstag für die Stadt ein zufriedenes Fazit: "Wir haben unsere Ziele weitgehend erreicht."




