Bronzetafel für Nazi-Sympathisant Johann Schütte stößt auf Kritik
Zu viel der Ehre? Grünen-Stadtrat lehnt Grußwort bei der Meile der Innovationen ab.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Die Kurpfälzer Meile der Innovationen ist ab diesem Freitag um eine weitere Bronzetafel auf dem Gehweg vor dem Schloss reicher. Geehrt wird das vom Ingenieur Johann Schütte (1873-1940) konstruierte Luftschiff. Für die Produktion hatte sich der gebürtige Norddeutsche 1909 mit dem Mannheimer Unternehmer Karl Lanz zusammengetan. Hergestellt wurden die Luftschiffe aber in einer Werft im benachbarten Brühl.
Jener Schütte war aber auch ein glühender Anhänger des Nazi-Regimes. Er trat bereits 1931 der NSDAP bei. Nach deren Machtübernahme ordnete er als Vorsitzender der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) deren Arbeit der Naziherrschaft unter. In einem Telegramm an Adolf Hitler gelobte er "dem vom Vertrauen des ganzen Volkes getragenen Führer Deutschlands treue Gefolgschaft auf dem Wege zu neuer Größe des Vaterlandes".
Hintergrund
Kluge Kurpfälzer Köpfe
Zu den weiteren Erfindern, die auf der "Meile der Innovationen" bedacht werden sollen, zählen (unter anderem):
- BASF (mehrere Patente)
- Ludwig Roebel BBC (heute ABB)
- Laufrad (Karl Drais)
- Automobil (Carl
Kluge Kurpfälzer Köpfe
Zu den weiteren Erfindern, die auf der "Meile der Innovationen" bedacht werden sollen, zählen (unter anderem):
- BASF (mehrere Patente)
- Ludwig Roebel BBC (heute ABB)
- Laufrad (Karl Drais)
- Automobil (Carl Benz)
- Strophanthin-Therapie (Roche)
- Elektronenmikroskop (E. Brüche)
- TÜV
- Standardsoftware (SAP)
- Sicherungsautomat (Hugo Stotz)
- Neue Sachlichkeit (Kunsthalle)
- Rudolph Fuchs/Fuchs Petrolub
- Hochdruckanlage (Fritz Marguerre)
- Raketenflugzeug (Julius Hatry)
- Offsetdruck (Heidelberger Druck)
- Klimatologie (Johann J. Hemmer)
- 1. elektr Fahrstuhl (W. v. Siemens)
- Nadelflies (Richard Dilo)
- Bulldog (Fritz Huber/Fa. Lanz) hwz
Eigentlich sollte der Grünen-Stadtrat Markus Sprengler bei der Verlegung der Ehrentafel in Vertretung von Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) ein Grußwort halten – lehnte dies aber wegen Schüttes Verstrickung in der NS-Zeit ab.
Seine Fraktion und die der Li.Par.Tie (Linke, Die Partei, Tierschutzpartei) stoßen sich zudem am militärischen Einsatz der Luftschiffe von Schütte/Lanz, deutlich unterlegener Hauptkonkurrent von Zeppelin. Belegt ist, dass 20 in Brühl hergestellte Fahrzeuge im Ersten Weltkrieg bei der Bombardierung Großbritanniens zum Einsatz kamen. Vor diesem Hintergrund forderte die Li.Par.Tie-Fraktion in einem Antrag die Stadt dazu auf, eine Ehrung von Schütte und seinem Lebenswerk im öffentlichen Raum zu untersagen.
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Bürgermeister Michael Grötsch (CDU) erteilte diesem Wunsch bei der Sitzung des Kulturausschusses des Gemeinderats am Donnerstag eine klare Absage. Es sei schlicht und ergreifend nicht zulässig, dass die Räte eine Ehrung durch einen privatrechtlichen Verein – dem Verein Kurpfälzer Meile der Innovationen – verbieten. Das könne nur Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) tun, der jedoch seine Zustimmung erteilt hatte.
Die Veranstaltung am Freitag werde stattfinden, sagte Stadtsprecherin Monika Enzenbach ("Ein Verbot ist inhaltlich nicht geboten") auf RNZ-Anfrage, und anstelle Sprenglers CDU-Stadtrat Alexander Fleck das Grußwort halten. Der versprach in der Ausschusssitzung, die dunklen Punkte in Schüttes Biografie kritisch zu würdigen.
Er machte aber am Beispiel eines Prominenten auch Unterschiede zu den Positionen von Grünen und Li.Par.Tie deutlich. "Es wird niemand verlangen, dass morgen die Werke von Richard Wagner nicht mehr gespielt werden und man Bayreuth abreißt", so Fleck in Anspielung auf Wagners Antisemitismus.
Schließlich ergriff Stadtarchivdirektor Ulrich Nieß das Wort und konnte die Wogen einigermaßen glätten. In seiner Neuartigkeit stehe das Luftschiff in einer Reihe mit anderen Mannheimer Innovationen aus dem Bereich der Mobilität, wie der Draisine, dem Lanz-Bulldog oder dem Benz’schen Automobil, sagte er. Dabei schob Nieß ein, dass sich auch Bertha Benz zumindest phasenweise den Nazis eng verbunden sah – "auch wenn wir das nicht gern hören". All diese Erfindungen seien Teil des kollektiven Gedächtnisses der Stadt, betonte der Historiker.
Das Luftschiff mache die Ambivalenz zwischen militärischer und ziviler Nutzung deutlich, wie sie auch bei anderen Innovationen erkennbar sei. Exemplarisch nannte Nieß aus genau derselben Zeit die Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens, das einerseits die Düngerproduktion für die Landwirtschaft und damit die Ernährungsgrundlage vieler Menschen sicherte, mithilfe dessen andererseits kriegswichtige militärische Sprengstoffe hergestellt werden konnten. Überhaupt wären viele Produkte ohne die finanzstarke Kriegsindustrie wohl nur auf dem Reißbrett entstanden.
Die neue Bronzeplatte fordere geradezu zum Diskurs über technische und sozialpolitische Innovationen heraus und biete mithilfe eines QR-Codes weitergehende Informationen und damit die Möglichkeit zur Einordnung. Der Verein – der mit der Stadt einen Gestattungsvertrag abgeschlossen hat – habe zugesichert, sich auf seiner Homepage kritisch mit der Person Schüttes zu befassen.
Bei der nahenden Bundesgartenschau sollte eine Spielstation im generationenübergreifenden Sport- und Bewegungspark eine Hommage an die Luftschifffahrt sein. Nach Protesten nahm die Buga-Gesellschaft Ende 2020 von den Plänen Abstand. "Dort ist weder der Ort für einen differenzierten Diskurs über das Thema, noch wäre eine Einordnung möglich", so Nieß. Dies hätte nur Irritationen ausgelöst. OB Kurz sagte damals, in der Öffentlichkeit sei eine Unterscheidung zwischen Erfinder und Erfindung nicht immer einfach zu treffen. Ob das bei der Bronzetafel leichter fällt?




