Ludwigshafen

Kostenexplosion bei den Hochstraßen droht

Im schlimmsten Fall müsste die Stadt fast 1,5 Milliarden Euro für den Neubau in die Hand nehmen.

19.07.2022 UPDATE: 19.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 43 Sekunden
Die Hochstraße Nord soll ab 2026 abgerissen und durch eine ebenerdige Stadtstraße ersetzt werden. Der Zeitplan kann aber nur eingehalten werden, wenn bis dahin die abgerissene Südtrasse wieder aufgebaut und befahrbar ist. Luftbild: Kay Sommer

Von Alexander Albrecht

Ludwigshafen. "Wer soll das bezahlen?": Der alte Gassenhauer aus der Nachkriegszeit hätte in Ludwigshafen das Zeug zum Sommerhit. Allerdings dürfte kaum ein Pfälzer gerne mitschunkeln, dafür ist die Lage zu ernst. Baudezernent Alexander Thewalt hat am Montag erstmals eine Kostenschätzung für die Hochstraßen Nord und Süd vorgelegt. Fazit: Die Stadt muss eine schwindelerregende Summe "Pinke, Pinke" in die Hand nehmen – Geld, das die hochverschuldete Chemiemetropole gar nicht hat.

> Die Hochstraße Süd: Voraussichtlich im dritten Quartal des kommenden Jahres soll der Neubau für ein bereits abgerissenes Teilstück – die sogenannte Pilzhochstraße – beginnen. Parallel dazu wird die "Weiße Hochstraße", das ist die ein Kilometer lange Verbindung zwischen der "Pilzhochstraße" und der Pylonbrücke, saniert. Spätestens Ende 2025 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein und die Strecke für den Verkehr wieder freigegeben werden. Zu diesem Datum wäre die Südtrasse etwas mehr als sechs Jahre gesperrt. Laut Thewalt befindet sich die Stadt im Zeitplan. Im vergangenen Monat hat die Verwaltung dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz technische Unterlagen übergeben. Unter anderem muss die "Weiße Hochstraße" an einigen Stellen für die größeren Belastungen durch den Güterverkehr ertüchtigt werden.

> Die Hochstraße Nord: Die ebenfalls marode, aber noch nutzbare Konstruktion soll abgerissen und durch eine ebenerdige Stadtstraße, die Helmut-Kohl-Allee, ersetzt werden. Es ist das wohl größte Infrastrukturprojekt der Metropolregion in den nächsten Jahren. Die Nordtrasse fungiert so lange als Ausweichstrecke für die Hochstraße Süd, bis diese wiederaufgebaut ist. Die Stadt setzt sich aktuell noch mit Einwendungen gegen das Projekt auseinander, in Kürze soll ihre Stellungnahme dem LBM zugehen. Bislang geht die Verwaltung davon aus, dass das Rathaus-Center bis Dezember 2025 abgerissen ist, damit die Helmut-Kohl-Allee "verschwenkt" gebaut werden kann. Kämmerer Andreas Schwarz ist optimistisch, dass ab 2026 die Bagger rollen können. Dann ist die Hochstraße Süd die Hauptentlastungsroute.

> Die Kosten: Im schlimmsten Szenario schlägt der Um- und Neubau der Hochstraßen – Stand heute – mit sage und schreibe 1,46 Milliarden Euro zu Buche. Das entspricht fast dem Schuldenstand der Stadt. Das Problem: In diesem Fall würden der Bund und das Land Rheinland-Pfalz "nur" die 1,03 Milliarden Euro übernehmen. Planungskosten oder der Abriss jenes Teils des Rathaus-Centers, der nicht zur Helmut-Kohl-Allee gehört, sind voraussichtlich nicht förderfähig. Somit bliebe Ludwigshafen im "Worst Case" auf mehr als 400 Millionen Euro sitzen. Doch wie kommt die Stadt überhaupt auf diese "Horror-Zahlen"? Wie Thewalt unter Berufung auf das Statistische Bundesamt berichtete, sind die Preise im Brückenbau alleine von 2021 auf 2022 um fast 15 Prozent gestiegen. Die Corona-Krise habe die Lieferketten aus dem Gleichgewicht gebracht, aber auch zu Investitionen in Immobilien geführt.

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Außerdem habe die Flutkatastrophe im Ahrtal die Baupreise in Rheinland-Pfalz stark beeinflusst. Hinzu komme der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg von fossilen zu erneuerbaren Energien. Die erforderlichen Bauinvestitionen reichten an die Billionengrenze heran. Dann ist da der Krieg und der Wunsch, sich nicht mehr von Rohstoffen eines einzelnen Landes wie Russland abhängig zu machen. Was ebenfalls gigantische Summen für die Infrastruktur verschlingt.

Und die Bauwirtschaft litt schon vor dem Krieg unter Fachkräfte- und Materialmangel. Der Stadt schwant Böses: "Die Baupreissteigerungen werden bei anhaltender Dynamik dazu führen, dass ein Vielfaches der heute errechneten Projektkosten in der Schlussabrechnung zu Buche steht", heißt es.

> Die Unsicherheit: Thewalt drängt darauf, dass Bund und Land in den Verhandlungen mit der Stadt noch in diesem Jahr konkrete Förderzusagen machen. Erst dann kann die Stadt Leistungen für die Hochstraßen auch ausschreiben. Die Zeit eilt, wenn der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden soll. Die Hochstraße Nord hält der Belastung nicht ewig stand.

> Und noch eine Hiobsbotschaft: Der Bauherr des geplanten Metropol-Hochhauses auf dem Berliner Platz im Herzen der Stadt hat Insolvenz angemeldet. Was aus dem Vorhaben wird, steht in den Sternen. "Das Metropol befindet sich aus vielfältigen Gründen in Verzug", erklärte der Geschäftsführer der Projektgesellschaft, Günther Tetzner, in einer Mitteilung. "Die Bauwirtschaft leidet unter dem Anstieg der Kosten, was zu einer erheblichen Verunsicherung der Marktteilnehmer und Finanzierer führt. Mangels Auszahlung des Restdarlehens sah ich mich gezwungen, den Insolvenzantrag zu stellen." Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck wünscht sich eine "schnelle Lösung", die die Interessen der Bürger in der City mit einschließe. Das Metropol sollte an die Stelle des früheren kreisrunden Einkaufszentrums "Tortenschachtel" rücken.

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