Mobilitätspakt Rhein-Neckar

Seilbahn über den Rhein ist wieder im Spiel

Hochrangige Vertreter aus der Region und von drei Bundesländern unterzeichneten eine Selbstverpflichtungersklärung.

11.07.2021 UPDATE: 12.07.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 38 Sekunden
Symbolfoto: dpa

Von Alexander Albrecht

Rhein-Neckar. Verstopfte Verkehrsachsen über den Rhein, Dauerstaus, Unfallrisiken, marode Brücken – und immer noch zu wenige Pendler, die auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. So kann es im fünftgrößten deutschen Wirtschaftsraum nicht weitergehen. Deshalb wollte die Metropolregion bereits im vergangenen Jahr den Mobilitätspakt Rhein-Neckar schmieden. Doch dann kam Corona, und die Pläne lagen zunächst auf Eis. Am Freitag haben Vertreter von Politik, Wirtschaft und Verkehrsbetrieben den Startknopf gedrückt.

Die Tinte der Unterzeichner ist trocken, jetzt gehen die vier Arbeitsgruppen an die Arbeit. Klar ist: Alle Verkehrsteilnehmer, ob mit Rad, Auto, Bahn, Bus oder zu Fuß, sollen im Idealfall zu ihrem Recht kommen – aber mit einem gestärkten öffentlichen Nahverkehr. Wie wichtig das Projekt ist, zeigt, dass es dem geistigen Vater Stefan Dallinger, Landrat und Vorsitzender des Verbands Region Rhein-Neckar gelungen ist, die drei Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen mit ins Boot zu holen. Das geplante Maßnahmenpaket ist so dick wie ambitioniert und enthält kurz-, mittelfristige und langfristige Lösungen.

Hintergrund

> Vier Arbeitsgruppen sollen dafür sorgen, dass es beim Mobilitätspakt nicht nur bei Absichtserklärungen bleibt. Diese sind:

> Öffentlicher Nahverkehr:

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> Vier Arbeitsgruppen sollen dafür sorgen, dass es beim Mobilitätspakt nicht nur bei Absichtserklärungen bleibt. Diese sind:

> Öffentlicher Nahverkehr: Straßenbahnen, Busse, Park-and-Ride-Plätze: Die Arbeitsgruppe unter Führung des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) soll sich darum kümmern, mehr Menschen vom Umstieg zu begeistern, womit sich Schadstoff- und Lärm-Emissionen senken lassen.

> Verkehrsmanagement: Kernraum sind die Autobahnen A 6 und A 61. Die vom rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium geleitete Arbeitsgruppe soll intelligente Lenkungssysteme für den schnellsten Weg durch die Region aufzeigen – kompatibel zum System, das die Stadt Ludwigshafen einführt. Auto- und Lkw-Fahrer werden frühzeitig informiert, welche Strecken sie je nach Verkehrslage meiden sollen. Auch die Autobahn GmbH ist eingebunden.

> Pendler- und Güterverkehre: Die BASF ist bereits mit gutem Beispiel vorangegangen: Der Chemiekonzern bietet seinen Mitarbeitern seit 2020 ein Jobticket an, das eine vergünstige Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs ermöglicht. Dadurch könnten bis zu 30.000 Pendler auf Busse und Bahnen umsteigen. Die von den Industrie- und Handelskammern (IHK) Rhein-Neckar und Pfalz geführte Gruppe soll weitere Unternehmen von einem neuen Mobilitätsmanagement überzeugen. Weitere Aufgaben sind innovative Lösungen für Güter- und Logistikverkehre.

> Regionale Mobilitätsaufgaben: Der Verband Region Rhein-Neckar (VRRN) will laut ihrem Vorsitzenden Stefan Dallinger bis Jahresende sämtliche Daten über die Verkehrsströme sammeln und bündeln. Im nächsten Jahr sollen dann die ersten grenzüberschreitenden Modelle mit Schwerpunkt auf Mannheim und Ludwigshafen gerechnet werden. Die Experten lassen zum Beispiel auch Forderungen nach einer dritten Rheinquerung mit einfließen. Aber auch die Baustellenkoordination ist in dieser Arbeitsgruppe angesiedelt. Ihr Mindestziel: Das Schlimmste verhindern. Das Gremium erarbeitet zudem ein Konzept zur Vermeidung von CO2.

> Zehn-Punkte-Plan: Die Arbeitsgruppen tauschen sich regelmäßig aus und berichten einem Steuerkreis, der einmal im Jahr tagt und strategische Entscheidungen trifft. Die Ergebnisse und Maßnahmen werden regelmäßig ausgewertet. Ein Zehn-Punkte-Plan für die nächsten eineinhalb Jahre soll zeigen, dass die Probleme schnell und konkret angegangen werden und die Arbeit des Mobilitätspakts nachprüfbar bleibt.

> Unterzeichner: Verkehrsminister der drei Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen, die Oberbürgermeister von Mannheim und Ludwigshafen, die BASF als größter Arbeitgeber der Region, die Industrie- und Handelskammern Rhein-Neckar und Pfalz, der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) und der Verband Region Rhein-Neckar (VRRN).

> Vorbild: Der Mobilitätspakt orientiert sich an dem für die Region Walldorf/Wiesloch. Dieser wird von Dallinger als Erfolgsmodell bezeichnet, da nach knapp zwei Jahren bereits etwa ein Drittel der 100 definierten Maßnahmen umgesetzt worden ist. (alb)

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Dazu zählen intelligente Wegweiser auf der Autobahn, die in Echtzeit per Navi immer den schnellsten Weg durch die Metropolregion weisen und vor Staus warnen. Ein Modell, das genau vorhersagt, welche Auswirkungen neue Straßen auf den Verkehr haben. Noch mehr Jobtickets und ein Masterplan für den Einsatz wasserstoffbetriebener Busse und Müllfahrzeuge. Das alles soll zu einer "ungestörten Mobilität" führen, wie Dallinger das Hauptziel nannte. Dazu brauche es moderne Problem-Analysen und neue Technologien.

Die baden-württembergische Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) drückte aufs Tempo. Sie warb für einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der jedoch günstiger und digitaler werden müsse. Der Klimaschutz habe dabei höchste Priorität. Zimmer sprach in diesem Zusammenhang auch Radschnellwege und autofreie Innenstädte an. Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz erinnerte daran, dass die die "alte" grün-schwarze Landesregierung vorhatte, die Zahl der ÖPNV-Nutzer bis 2030 zu verdoppeln. Letztlich müsse sich die Politik an konkreten Erfolgen messen lassen. Die Quadratestadt wolle jedenfalls alles daran setzen, dass dieses Ziel erreicht werde.

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Weniger Staus, dafür mehr Platz für Radler und ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, den viel mehr Pendler als heute nutzen sollen: Das sind drei Ziele des Mobilitätspakts, den Regionalverbandschef Stefan Dallinger initiiert hat. Foto:  M. Endres

Christian Specht, Verwaltungsratschef des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) verwies darauf, dass Unternehmen mittlerweile nur noch das Jobticket für Arbeitnehmer bezuschussen müssen, die dieses auch nutzten. Weiter voran bringen will er zudem die VRN-Radboxen – flexibel nutzbare und vor Dieben geschützte Abstellanlagen, die im Netz angemietet werden können.

Darüber hinaus hat Specht noch nicht die Seilbahn über den Rhein abgeschrieben – obwohl die Region die Idee schon einmal verworfen hatte. Eine Machbarkeitsstudie soll Aufschlüsse bringen. Ebenfalls nicht vom Tisch: eine dritte Rheinquerung. "Die sollten wir auf alle Fälle mitdenken", forderte BASF-Standortleiter Uwe Liebelt. Der Manager sagte, die Region habe Wettbewerbsnachteile, wofür er einen Vergleich mit China heranzog. Dort entstünden Wirtschaftsräume am Reißbrett mit einem frei fließenden und klimaneutralen Verkehr. In Ludwigshafen stoße der Chemiekonzern allmählich an seine Grenzen, beispielsweise bei der Lkw-Abfertigung, die man komplett in den Norden des Geländes verlagert habe.

Weniger Staus, dafür mehr Platz für Radler und ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, den viel mehr Pendler als heute nutzen sollen: Das sind drei Ziele des Mobilitätspakts, den Regionalverbandschef Stefan Dallinger initiiert hat. Foto: Kreutzer

Die Innenstädte müssen seiner Ansicht nach von Autos befreit werden, damit diese lebenswerter für junge Talente würden, die sonst nach München oder ins Silicon Valley auswichen. Freudenberg-Vorstandsmitglied Tilman Krauch, zugleich Vorsitzender des Vereins Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar, ging auf das sich rasch wandelnde Mobilitätsverhalten ein. So habe vor fünf Jahren niemand erahnt, dass und wie heute elektrische Roller und Räder den Markt den Markt eroberten und ein Fahrradboom eingesetzt habe.

Von einer dynamischen Entwicklung berichtete auch Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck. Sehr einsam habe es sich angefühlt, als sie im vergangenen Jahr die inzwischen abgerissene Hochstraße Süd mit weitreichenden Konsequenzen sperren musste. Durch den Mobilitätspakt habe sie nun Partner an ihrer Seite, freute sich Steinruck, die wie die Region darauf hofft, dass die Hochstraße Nord als Ausweichroute zumindest noch vier bis fünf Jahre durchhält. Das Beispiel macht deutlich, was Dallinger zu Beginn mit dem Satz meinte: "Der Mobilitätspakt ist ein Kind, das aus der Not geboren wurde."

Weniger Staus, dafür mehr Platz für Radler und ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, den viel mehr Pendler als heute nutzen sollen: Das sind drei Ziele des Mobilitätspakts, den Regionalverbandschef Stefan Dallinger initiiert hat. Foto: VRRN

Und die Probleme werden ja nicht kleiner. Denn neben den Hochstraßen müssen auch die Rheinbrücken, spätestens in den 2030er-Jahren, saniert werden. Schließlich geht es auch um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer. Baustellen und Behinderungen erhöhen die Unfallgefahr. In diesem Jahr sind bereits 50 Lkw-Fahrer in Deutschland am Stauende gestorben.

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