Landwirtschaft im Mannheimer Norden

Die belasteten Flächen werden immer größer

Rund 244 Hektar in Mannheims Norden weisen Chemikalien auf - Suche nach Verursachern läuft

15.11.2017 UPDATE: 16.11.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 4 Sekunden

Wo die Umweltbehörde der Stadt Mannheim sucht, da wird sie auch fündig: Die landwirtschaftlichen Flächen im Norden sind mit per- und polyfluorierten Chemikalien kontaminiert. Eine automatische Gefährdung der Verbraucher, die zum Beispiel vor Ort in den Hofläden einkaufen, sei damit aber nicht verbunden, betonen die Kontrolleure und der Kreisbauernverband. Foto: Gerold

Von Gerhard Bühler und Heike Warlich-Zink

Mannheim. Im Jahr 2015 wurden auf landwirtschaftlichen Flächen im Mannheimer Norden per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) gefunden. Wie die nun vorgelegten Ergebnisse von aktuellen Untersuchungen zeigen, sind wesentlich mehr Flächen belastet als bisher vermutet wurde. Der Kreisbauernverband sieht aber keine Gefahren für die Verbraucher.

Hintergrund

> Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) werden wegen ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften seit rund 50 Jahren in vielen Verbraucherprodukten verwendet. PFC sind Hilfsmittel bei der Herstellung von Teflon für die Beschichtung von

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> Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) werden wegen ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften seit rund 50 Jahren in vielen Verbraucherprodukten verwendet. PFC sind Hilfsmittel bei der Herstellung von Teflon für die Beschichtung von Kochgeschirr. Die Stoffe kommen ebenso vor in Feuerlöschschaum, Wachs, Schmiermittel, Pestiziden, Wetterschutzlacken oder Imprägniersprays. Die Frage der Gefährlichkeit von PFC ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Es existieren keine Grenzwerte. Bei kurzzeitiger Belastung über die Nahrung, Luft oder Haut gelten die Stoffe nur als schwach giftig. In Langzeitstudien mit Ratten und Mäusen stellten sich die Verbindungen jedoch als krebsfördernd heraus. ger

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Für die PFC-Stoffe existieren bisher keine Bestimmungen oder Grenzwerte (siehe Infokasten). Die landwirtschaftliche Nutzung der betroffenen Flächen ist grundsätzlich weiter möglich. Inzwischen wurden von der städtischen Umweltbehörde Proben von 317 Hektar Fläche sowie von 56 Beregnungsbrunnen in dem betroffenen Gebiet in Auftrag gegeben. Die belasteten Flächen werden immer größer, je mehr gesucht wird. Wie die Stadt mitteilt, sind von den untersuchten Flächen rund 244 Hektar als belastet einzustufen. Dabei wird ein festgelegter Schwellenwert überschritten.

Betont wird, dass dies nicht automatisch eine Gefährdung bedeutet. Sehr geringe Spuren von PFC lassen sich auf nahezu allen Flächen nachweisen. Bei Proben in den Beregnungsbrunnen stellten sich 16 als kontaminiert heraus. In den übrigen 38 Brunnen wurde PFC in nur geringer Menge nachgewiesen. Lediglich in zwei Brunnen gab es keine PFC-Spuren.

Der Verdacht, dass nur Flächen betroffen sind, die zwischen 2006 und 2008 mit entsprechendem Kompost behandelt wurden, habe sich nicht bestätigt, so die Umweltbehörde. Die Belastung erstrecke sich auch auf Flächen, auf denen nach 2008 Kompost ausgebracht wurde, der vermutlich mit Papierschlämmen vermischt war. Dies mache erweiterte Untersuchungen erforderlich, so die Verwaltung. Auf der Suche nach den Verursachern der PFC-Belastung im Mannheimer Norden ist die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Ähnlich erhöhte Werte wurden auch im Landkreis Rastatt und Stadtkreis Baden-Baden gefunden. Nach Angaben des Regierungspräsidiums in Karlsruhe ist auf die Flächen dort wie auch in Mannheim in den Jahren 2006 bis 2008 der Kompost eines mittelbadischen Herstellers aufgebracht worden, dem Papierschlämme beigemischt waren. Ermittelt werde jedoch gegen unbekannt.

Feldfrüchte werden untersucht

"Die Substanzen sind in geringem Maß im Grundwasser angekommen", stellte Hartmut Becker vom städtischen Gesundheitsamt bereits vergangenes Jahr fest. Die Bewirtschaftung der betroffenen Ackerflächen sei trotz Belastung weiter möglich. Über die Wirkung auf Menschen gebe es keine Erfahrungen. "Wir gehen davon aus, dass die Stoffe in dieser Konzentration unschädlich sind", sagte Becker.

Gestern Nachmittag wurden die Landwirte bei einer Infoveranstaltung durch Stadt und Regierungspräsidium über die aktuellen Boden- und Wasserproben in Kenntnis gesetzt. "Wir stehen seit zwei Jahren in regelmäßigem Kontakt mit beiden Behörden und werden immer sofort benachrichtigt", sagte Wolfgang Guckert auf RNZ-Nachfrage.

Der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Rhein-Neckar ist als Besitzer eines landwirtschaftlichen Betriebs in Sandhofen direkt betroffen und sprach von einer Situation für die Bauern, die die Stimmung drückt. Die Verbraucher wollte er dahingehend beruhigen, dass seit zwei Jahren regelmäßig amtliche Proben der Erntefrüchte auf den Feldern genommen werden. Spargel, Erdbeeren, Kartoffel, Mais, Getreide: Beim sogenannten Vor-Ernte-Monitoring werden die Pflanzenproben auf ihre Gehalte an verschiedenen PFC-Verbindungen geprüft. Liegen die Ergebnisse über den vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz festgelegten Beurteilungswerten, darf das Erzeugnis nicht als Lebensmittel in Umlauf gebracht werden. "Nur was einwandfrei getestet ist, wird für den Verzehr freigegeben und darf von den Landwirten in ihren Hofläden direkt verkauft oder weitervermarktet werden", betonte Guckert.

Nach Angaben der Stadt wurden beim diesjährigen Vor-Ernte-Monitoring bei zwei der untersuchten Proben einzelne Werte oberhalb der Beurteilungswerte festgestellt. Diese Produkte hätten nicht als Nahrungsmittel vermarktet werden können, teilte die Stadtverwaltung mit.

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