Hygieneskandal am Uniklinikum Mannheim

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Ex-Geschäftsführer

"Gesundheit vieler Patienten gefährdet" - Ihm drohen bis zu drei Jahre Haft

19.01.2018 UPDATE: 20.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Das Mannheimer Universitätsklinikum geriet im Herbst 2014 bundesweit in die Negativschlagzeilen. Foto: Alfred Gerold

Von Alexander Albrecht

Mannheim. Seit Oktober 2014 hat die Staatsanwaltschaft den Hygieneskandal am Mannheimer Universitätsklinikum strafrechtlich untersucht - erst jetzt sind die Ermittlungen abgeschlossen, und es wird Anklage erhoben: gegen Alfred Dänzer. Der frühere Krankenhaus-Geschäftsführer wird sich höchstwahrscheinlich vor dem Mannheimer Landgericht verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt den 69-Jährigen, gegen das Medizinproduktegesetz verstoßen haben. Ihm drohen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

Die Ermittlungen waren im Herbst 2014 ins Rollen gekommen, nachdem das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe einem anonymen Hinweis nachgegangen war. Die Experten sahen sich die Sterilisationsvorgänge im Klinikum an und stellten massive Defizite bei der Aufbereitung von mehrfach genutztem OP-Besteck fest, das entsprechend desinfiziert werden muss.

So fehlten mehreren "Waschmaschinen" der notwendige, Tüv-ähnliche Prüfstempel, das Reinigungspersonal war nur unzureichend geschult. In Paragraf 14 des Medizinproduktegesetzes heißt es, dass Medizinprodukte nicht betrieben und angewendet werden dürfen, wenn sie Mängel aufweisen, "durch die Patienten, Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden könnten". Dänzer erklärte die Probleme damals bei einer Pressekonferenz damit, dass es "auf dem Markt keine qualifizierten Beschäftigten" gegeben habe.

Allerdings war der Klinikchef schon vor der Hygieneaffäre nicht unumstritten. Wegen seines Sparkurses, der dem Krankenhaus Gewinne bescherte, kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und Vertretern der Belegschaft beziehungsweise der Medizinischen Fakultät. Der Streit gipfelte in einem offenen Brief, in dem der frühere Dekan, Professor Uwe Bicker, schwere Vorwürfe gegen Dänzer erhob. Die Hygienemängel seien dem "Willen nach Kostensenkungen" des Geschäftsführers entsprungen.

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Staatsanwälte und die Polizei ließen nicht locker, beschlagnahmten bei Razzien kistenweise Unterlagen sowie chirurgische Bestecke. Die OP-Kapazität wurde monatelang gedrosselt, weil ein Großteil des Instrumentariums erneuert werden musste und Umbauten erfolgten. Schließlich geriet Dänzer derart unter Druck, dass er im November 2014 zurücktrat und durch eine Doppelspitze - Jörg Blattmann und der Ärztliche Direktor Professor Frederik Wenz - ersetzt wurde. Als Folge von Hygieneskandal, Investitionen in Höhe von insgesamt 15 Millionen Euro und heruntergefahrenem OP-Programm rutschte die Klinik in die roten Zahlen. Das Geschäftsjahr 2014 schloss das Haus mit einem Minus von zehn Millionen Euro ab.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim wirft Dänzer vor, dass das RP und externe Fachfirmen bereits 2007 den Aufbereitungsprozess beanstandet hatten. Er aber trotz des von ihm selbst erkannten "dringenden Handlungsbedarfs" die erforderlichen Gegenmaßnahmen nach den gesetzlichen Vorgaben unterlassen habe.

Hierdurch sei die Gesundheit vieler Patienten gefährdet worden. Infolge des Hygieneskandals 2014 hatten sich Patienten des Klinikums an die Medien gewandt und Anzeige erstattet. Sie vermuteten einen Zusammenhang zwischen Infektionen und möglicherweise nicht ordnungsgemäß desinfiziertem Operationsinstrument. "Ein von uns in Auftrag gegebenes fachhygienisches Gutachten konnte dies jedoch nicht mit der im Strafrecht erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegen", sagte Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann. Die Anklagebehörde hatte wegen der Hygieneverstöße gegen fünf weitere Mitarbeiter ermittelt, die nicht mehr an der Uniklinik beschäftigt sind. Gegen den ehemaligen Leiter der Sterilgutaufbereitung habe das Amtsgericht Mannheim bereits im Oktober 2017 einen mittlerweile rechtskräftigen Strafbefehl von 90 Tagessätzen erlassen, so Grossmann.

Bei den restlichen vier Beschuldigten aus der "dritten und vierten Verwaltungsebene" sei das Verfahren nach Zahlung von Geldbußen eingestellt worden. Hinsichtlich einer anonym erstatten Anzeige, die sich gegen weiteres Führungspersonal richtete, hat sich laut Grossmann kein Anfangsverdacht ergeben. Klinikgeschäftsführer Jörg Blattmann äußerte sich zur Anklage nicht. Er betonte aber gegenüber der RNZ die enge Kooperation des Krankenhauses mit der Staatsanwaltschaft.

Die im Herbst 2014 beanstandeten Mängel seien "vollständig beseitigt" worden. Dazu habe man ein Spezialunternehmen beauftragt, das auch für andere Kliniken arbeite. Gleichzeitig seien die Sterilgutaufbereitung zentralisiert, die Arbeitsabläufe verändert und das OP-Besteck neu beschafft worden. Als erstes Krankenhaus in Deutschland überhaupt nutze die Uniklinik seit Oktober 2015 ausschließlich moderne Endoskope, die leichter zu reinigen und sicherer zu desinfizieren seien.

Blattmanns Vorgänger Alfred Dänzer ist seit Ende 2015 Aufsichtsratschef der DRK Kliniken Berlin. Deren Sprecherin Romina Rochow sagte der RNZ, man wolle dem Urteil nicht vorgreifen. Solange dieses nicht gesprochen sei, gelte für Dänzer die Unschuldsvermutung.

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