Flutsicheres Bauen und "blau-grüne" Stadtentwicklung
Experten informierten in Mannheim - "Klimawandel ist Fakt"

"Das Thema ist aktuell": Erst vergangene Woche trat der Neckar bei Neckarsteinach über die Ufer. Foto: Alex
Von Carsten Blaue
Mannheim/Rhein-Neckar. Gleich am Anfang seiner Begrüßung zitierte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Rhein-Neckar, Wolfgang Niopek, die Rhein-Neckar-Zeitung vom 14. November: "Sie titelte ’Der Neckar kroch über Nacht aus seinem Bett’. Es ging um Hochwasser bei Neckargemünd und Neckarsteinach. Man sieht also: Unser Thema ist aktuell." Der Verband Region Rhein-Neckar (VRRN) hat gestern in die Räume der IHK in Mannheim zu seinem 15. Hochwasserschutzforum eingeladen. 140 Experten von Behörden, Universitäten und Rettungsorganisationen hörten Vorträge unter anderem zum Risikomanagement in Unternehmen, zur Stadtplanung in Zeiten von Starkregenereignissen oder zu den Folgen des Klimawandels: "Und der ist Fakt", sagte Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes.
> Höhere Temperaturen, mehr Regen. "Deutschland wird wärmer", sagte Becker. Mannheim werde Ende des Jahrhunderts ein Klima haben wie Bologna oder Zaragoza heute. Extreme Regenereignisse würden zunehmen, Spitzen von 300 Litern pro Tag würden locker getoppt, begleitet von immer häufigeren Temperaturextremen. Also was tun in den Städten? "Das Thema ’Sponge-City’ kommt jetzt hoch", so Becker. Also die "Schwamm-Stadt", die das ganze Wasser bewältigen muss. Ansätze für eine "blau-grüne Infrastruktur" stellte Architekt Gregor Grassl vor.
> Nicht erst reagieren, wenn es zu spät ist. Grassl mahnte eine vorausschauende Stadtplanung an. Wasserrückhaltungen könne man als Seen in die Städte integrieren, Regenwasser könnte in offenen Becken gesammelt und aufbereitet werden. Gleiches gelte für Niederschläge auf Dächern. Technisch alles machbar, wie Grassl am Beispiel des Potsdamer Platzes in Berlin zeigte. Weniger Flächenversiegelung helfe auch, wie ein Projekt in Stuttgart zeigt. So gesehen, sollten auch Bäche aus geschlossenen Kanälen wieder frei gelegt werden. Für den schlimmsten Fall könnte man sogar tiefer gelegte Spielplätze als "Notüberflutungszonen" gestalten. Wie viel Grün und jede Menge Wasserläufe stadtplanerisch aussehen können, zeigt auch das Gelände der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn, das Grassl mitgeplant hat. Hochwasserschutz fängt aber schon beim einzelnen Haus und bei Firmengeländen an.
> Produktionsstätten schützen. Bauingenieur Klaus Piroth empfahl, Produktionsstätten und Gewerbestandorte in Risikozonen einzuteilen und den Objektschutz daran auszurichten. Jede Firma müsse prüfen, was nötig ist, um Produktionen aufrecht zu erhalten. Kanäle seien auf ihre Fassungsmengen hin zu kontrollieren. Auch Überflutungsszenarien müssten berechnet werden. Hilfreich seien sogenannte "Starkregengefahrenkarten". Kommunen könnten sich diese erstellen lassen - bei 70-prozentiger Bezuschussung vom Land. Das Thema, so Piroth, werde in der Wirtschaft nicht unterschätzt. Und in den Kommunen?
Auch interessant
> Ausweichen, widerstehen, anpassen. Flutsicheres Bauen vor Ort werde durch das seit Juli gültige "Hochwasserschutzgesetz II" gestärkt, sagte Umweltplanerin Corinna Gall. Und doch: "Wo sich Menschen hinter den Deichen sicher fühlen, da gibt es kaum Hochwasserschutz und im Ernstfall die größten Schäden." Dabei hätten sie drei Möglichkeiten, sich zu wappnen: durch Ausweichen, Widerstehen oder Anpassen. Ausweichen bedeutet auf Stelzen bauen oder mit dem Gebäude mögliche Überschwemmungsgebiete gleich ganz meiden. Widerstehen funktioniert durch Abschottung, zum Beispiel mit Mauern. Anpassung schließlich heißt, bestimmte Gebäudeteile bei Hochwasser gezielt zu fluten, um Schäden in Grenzen zu halten.
> "Stark gefährdete Region". Vorbeugung und Riskobegrenzung sind also möglich: "Und Hochwasserschutz ist eine Daueraufgabe", wie Niopek eingangs betonte. Gerade in der "stark gefährdeten Metropolregion", in der viele Betriebe auf die Nähe zu Rhein und Neckar angewiesen seien. Aber auch in den Städten und Gemeinden abseits der großen Flüsse, in denen man sich auf die zunehmenden Extremwetterlagen einstellen müsse.



