Heidelberg/Schriesheim

Winzer der Region sind wegen Trockenheit in Sorge

Drei Winzer über die Trockenheit, explodierende Kosten und die Perspektiven des Weinbaus. Erste Trauben wurden in Schriesheim gelesen.

13.08.2022 UPDATE: 13.08.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 35 Sekunden
Gerade junge Rebanlagen leiden besonders unter der Dürre. Denn sie wurzeln noch nicht so tief wie alte Weinstöcke, die in bis zu 20 Metern Tiefe Wasser finden. Foto: Kreutzer

Von Carsten Blaue

Schriesheim/Heidelberg. Werner Bauer schläft manchmal nachts nicht mehr. Der Winzer vom Heidelberger Dachsbuckel und Vorstand der Genossenschaft "Winzer von Baden" (WvB) in Wiesloch, ist in Sorge. Um die jüngeren Weinberge, die unter der Trockenheit leiden. Um die Kosten, die explodieren. Und am Ende auch um die Zukunft der Winzer. Sein Kollege Philipp Clauer zerbricht sich darüber ebenfalls den Kopf. Genauso der Schriesheimer Winzer Georg Bielig. Er hat am Dienstag sogar schon die ersten Trauben geerntet in einem "komischen Jahr", wie er sagt. Eine Lese – wenn auch nur eine kleine – zu einem so frühen Zeitpunkt hatte er noch nie.

Werner Bauer vom Dachsbuckel macht sich Sorgen um die Branche. Foto: Goepferich

Bielig hat roten Cabernet Jura mit einem Mostgewicht von 66 Grad Öchsle geerntet aus einer Neuanlage dieser pilzwiderstandsfähigen Sorte. Reichen wird es für 500 Liter Rosé und Secco aus erster Gärung. Der Rosé dürfte nur 8,5 Volumenprozent Alkohol haben. Bielig probiert es mal aus, zumal alle Welt von weniger alkoholischen Weinen redet. Außerdem ging es ihm darum, den erst vier Jahre alten Weinberg zu entlasten. An den Stöcken, die noch nicht so gefestigt sind, blieben aber rund zwei Drittel des Ertrags für die Ernte im "Herbst" hängen, der für die Winzer längst keiner mehr ist. Bielig will um den 25. August herum mit der Haupternte richtig beginnen. Der 20. August war bisher sein frühester Start.

Er hat den Eindruck, es sei noch trockener als im Jahr 2018. Und da war es schon schlimm. "Immer wieder über 30 Grad Celsius, kein Wind": Es wirkt, als komme es Bielig fast etwas unheimlich vor. Die alten Anlagen kommen damit gut zurecht, sie können bis zu 20 Meter tief wurzeln. Die roten Sorten kommen mit den Zuständen besser klar als die weißen (gerade auch der Riesling leidet). Burgunder in mittleren Lagen sehen gut aus, Sorgen bereiten vor allem die Steillagen, in denen die Rebstöcke nicht gut an Wasser herankommen. Und Regen kann der trockene Boden nicht halten. "Wir wissen nicht, was wir uns wünschen sollen", sagt Bielig. 20 Liter Regen an die Wurzeln wären schon gut. Gibt es aber zu viel, dann saugen sich die Beeren voll, werden prall, drücken sich gegenseitig ab, platzen auf und öffnen sich für die Fäulnis. "Es ist ein verrücktes Spiel", sagt Philipp Clauer.

„Was bleibt unter dem Strich“, fragt sich der Heidelberger Winzer Philipp Clauer. Foto: Kreutzer

Der Seniorchef des bekannten Heidelberger Weinguts rechnet mit Mengenverlusten in jüngeren Anlagen, die schon Blätter verlieren. Und er fühlt sich an 2003 erinnert. Noch seien viele Weinberge kerngesund. Pilzbefall ist bei der Dürre kein Thema im Moment, aber die Trauben können "unendlich viel Zucker" haben, so Clauer. Und wenn man deren Most trocken ausbaut, geht der Alkoholgehalt durch die Decke. Was man auch nicht unbedingt will. Jedenfalls rechnet der Winzer mit einer frühen Ernte: "Die meisten Sorten können Sie ja fast jetzt schon lesen." Aber Ende des Monats werde es dann wohl doch, zunächst beim frühen Burgunder. Werner Bauer peilt Anfang September an.

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Schon vor einem Monat habe er vor großer Mengeneuphorie gewarnt, sagt er. Tatsächlich könne man da inzwischen nur noch sehr vage sein. Dabei seien die Keller der WvB so leer "wie seit 20 Jahren nicht mehr", so Bauer. Er macht sich Gedanken über die Zukunft, darüber, wie sich das Klima entwickelt: "Die Prognose ist, dass wir Verhältnisse wie in Spanien und Süditalien bekommen. Darauf müssen wir reagieren."

Stichwort: Beregnung. In seinem Weingut betropft er drei Hektar aus normalen Wasserleitungen. Das ist nötig, kostet aber viel Geld. Im Zuge der Rauenberger Rebflurneuordnung wird hier vielleicht eine Beregnungsanlage gebaut. Von allen Flächen der WvB würden keine zehn Prozent beregnet. Bauer sagt, Brunnen seien in der Region nicht die richtige Lösung, weil man meist viel zu tief bohren müsste. Vielleicht müsse man irgendwo ein Rückhaltebecken bauen. Aber das koste auch wieder viel Geld. Und die Genossenschaftswinzer seien ohnehin schon belastet. Nicht nur sie. Die ganze Branche stöhnt.

Georg Bielig und sein Team haben in Schriesheim schon die ersten Trauben geerntet. Foto: Kreutzer

Bielig erlebt gerade den dritten Preisaufschlag des Jahres beim Kauf von Flaschen. Glashütten laufen fünf Jahre lang energieintensiv rund um die Uhr durch und werden dann gewartet. Die Gefahr ist derzeit groß, dass sie danach nicht mehr in vollem Umfang hochgefahren werden. Das macht Flaschen zum knappen Gut. Hat Bielig für eine früher 19 Cent gezahlt, sind es jetzt 30. Beim Dünger ist es noch drastischer: Inzwischen liege der Preis bei 700 Euro pro Tonne, so Bielig. In normalen Zeiten waren es 170 Euro. "Alles wird teurer. Es geht nach oben", nickt auch Clauer, und Bauer berichtet, dass der Strom-Vertrag der WvB im Dezember auslaufe. Nach fünf Cent pro Kilowattstunde Industriestrom sei die Genossenschaft künftig mit 40 Cent dabei. Macht unterm Strich rund 300.000 Euro Mehrkosten. Beim Heizöl werden es 120.000 Euro sein. Und was die Flaschen angeht: Die WvB braucht jährlich bis zu acht Millionen Stück. "Das können Sie über den Preis beim Wein gar nicht alles abfangen", sagt Bauer. Im Gegenteil. Er rechnet mit regelrechten Preiskämpfen, zumal auch schon der Absatz günstiger Discounter-Weine rückläufig sei.

Clauer sagt, dass das Weingut nicht umhin komme, den Wein teurer zu verkaufen. Denn bei der Qualität gebe es keine Kompromisse, und die habe ihren Preis. Aber auch er fragt sich, wie man das den Kunden beibringen soll, für die ja ebenfalls schon alles andere teurer wird. Ein Teufelskreis. "Ich mache mir Sorgen um die Zukunft der Winzer", sagt auch Bauer.

Clauer hat Angst davor, dass gerade junge Betriebe die Krise nicht überstehen. Zudem sei das Risiko für etablierte Weingüter groß, dass sich die nächste Generation fragt, ob sie sich das alles noch antun will. "Man arbeitet Tag und Nacht und fragt sich doch am Ende schon, was unter dem Strich bleibt." Der Idealismus sei zwar bestimmt noch da. Aber der höre bei den hohen Kosten vielleicht irgendwann auch mal auf.

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